Ohne Ver­teilungs­gerecht­igkeit keine Klima­politik

15. Dezember 2025

Auch für die Klimakrise gilt: Die Reichen tragen überdurchschnittlich viel zur Entstehung des Problems bei, sind aber unterdurchschnittlich von den Folgen betroffen. Welche Schlüsse sind daraus für eine erfolgreiche Klimapolitik zu ziehen? Das ist Thema des Schwerpunktes der neuen Wirtschaft und Umwelt 4/2025.

Große Ungleichheit bei der Verursachung der Klimakrise

Die immer stärkere Aufheizung der Atmosphäre ist Folge menschlicher Aktivität. Diese Feststellung ist unbestritten. Aber sie verdeckt die Tatsache, dass die Menschen in sehr unterschiedlicher Weise zur Aufheizung des Klimas beigetragen haben und auch heute beitragen (Chancel 2022, Chancel und Mohren 2025). Damit muss sich die Klimapolitik auseinandersetzen. Denn der Abschied von fossilen Energieträgern bedeutet eine grundlegende Veränderung des Wirtschaftssystems. Eine so weitreichende Veränderung ist nur möglich, wenn die Mehrheit der Menschen sie mitträgt. Diese Unterstützung kann aber nur erwirkt werden, wenn die Menschen die Maßnahmen als gerecht empfinden. In diesem Sinn ist Gerechtigkeit eine Voraussetzung des Erfolgs in der Klimapolitik.

Doch Gerechtigkeit ist ein weiter Begriff. Sie hängt eng mit Ungleichheit zusammen. Im Folgenden soll genauer analysiert werden, welche Aspekte von Ungleichheit und von Gerechtigkeit für den Erfolg der Klimapolitik besonders relevant sind.

Arten der Ungleichheit

Viele denken bei Ungleichheit zuerst an das Einkommen. Während die Einkommensungleichheit in vielen Staaten der EU im letzten Jahrzehnt sank, ist sie in Österreich gestiegen, wie der AK Wohlstandsbericht 2025 wieder bestätigte. Noch viel größer als die Einkommensungleichheit ist in praktisch allen Staaten die Vermögensungleichheit. In Österreich gibt es keine Vermögenssteuer. Daher können Vermögen hier praktisch ungehindert aufgehäuft werden. In der Folge gehört Österreich zu den Ländern mit der größten Ungleichheit bei der Verteilung von Vermögen.

Einen wesentlichen Teil des Vermögens stellt das Kapitalvermögen dar. Der weit überwiegende Teil davon gehört in Österreich einer kleinen Zahl von Privatpersonen. Mit dem Kapitalbesitz gehen Macht und Einfluss einher, die es den wenigen wirklich Reichen ermöglichen, die Bedingungen für eine weitere Konzentration von Vermögen zu verbessern. Das hat schon Katharina Pistor in „Code of Capital“ genau nachgezeichnet. Für Österreich haben das beispielsweise Pirmin Fessler und Martin Schürz (2018) gezeigt. Vermögende verhindern dabei auch, dass ihr Vermögen angetastet wird, etwa wenn es um die Finanzierung von Klimaschutz geht.

Aus dieser Form der Ungleichheit folgt: Menschen, die von ihrer Arbeit leben, zahlen direkt oder über ihre Steuern die Maßnahmen gegen die Klimakrise, während die wenigen Menschen, die von ihrem Kapitalbesitz leben, ihren Einfluss geltend machen, damit sie keinen Beitrag leisten müssen.

Ungleichheit bei den Emissionen

Wer emittiert wie viel an Treibhausgasen? Diese Frage klingt einfach, doch die Antwort hängt davon ab, wem welche Emissionen zugeordnet werden. Wem sollen etwa die Treibhausgase zugerechnet werden, die bei der Produktion eines Autos entstehen? Dem:Der Eigentümer:in des Autos? Der Person, die damit fährt? Oder den Besitzer:innen des Stahlwerks oder der Autofabrik? Hier gibt es keine „richtige“ Antwort. Vielmehr geht es darum, was daraus folgt.

Die Frage nach der Zurechnung zielt auf die Verantwortung für die Emissionen. Wenn Emissionen reduziert werden sollen, kann sich der Staat an dieser Verantwortung orientieren und von den Verantwortlichen die Minderung der Emissionen verlangen. Eine naheliegende Möglichkeit besteht darin, zu ermitteln, wer von bestimmten Vorgängen profitiert, bei denen Emissionen entstehen.

Verteilung zwischen Unternehmen und Haushalten

Der Staat kann sich aus dieser Diskussion heraushalten, indem er einen Preis für die Emissionen festlegt, beispielsweise in Form einer CO2-Steuer. Wer die Steuerlast schlussendlich zu tragen hat – die Frage nach der sogenannten Steuerinzidenz –, ergibt sich durch die Marktkräfte: Das Unternehmen, das die Steuer zunächst zu entrichten hat, wird versuchen, die zusätzlichen Kosten im Preis für die Produkte unterzubringen. Je nach Marktverhältnissen kann es einen kleineren oder größeren Teil davon auf die Kund:innen überwälzen. Man kann argumentieren, dass die Steuerinzidenz die Verantwortung für die Emissionen widerspiegelt. Das kann aber zur Folge haben, dass gerade Menschen, die keine Alternativen zu einer bestimmten THG-intensiven Tätigkeit haben (z. B. Heizen mit fossilen Brennstoffen in einer Mietwohnung), für verantwortlich gehalten werden – ein politisch brisantes Ergebnis.

Als Alternative zu Steuern werden oft Ge- und Verbote gefordert – auch von der Arbeiterkammer. Anstatt also die Emission von Treibhausgasen zu besteuern, kann der Staat eine Verminderung auch dadurch bewirken, dass er bestimmte Produkte und Produktionsweisen verbietet; beispielsweise wird der Einsatz von Ölheizungen im Neubau verboten oder es wird die Einhaltung bestimmter Luftgrenzwerte vorgeschrieben. Um solche Vorschriften erfüllen zu können, müssen Unternehmen in Anlagen investieren und manchmal höhere laufende Kosten tragen. Für die dadurch erhöhten Produktionskosten gilt im Wesentlichen das Gleiche wie für die Inzidenz der Steuer: Unternehmen versuchen, die Kosten durch höhere Preise auf die Kund:innen zu überwälzen. Daher muss auch bei Ge- und Verboten auf soziale Wirkungen geachtet werden.

Gerechte Preise

Aus diesen Überlegungen zur Kostenüberwälzung folgt: Selbst, wenn die Verantwortung für die Emissionen den Haushalten zugerechnet wird, ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat soziale Ausgleichsmaßnahmen ergreift. Denn nur so kann vermieden werden, dass Haushalte mit niedrigen Einkommen in eine Spirale der Armut geraten.

Eine andere Möglichkeit, die übergebührliche Belastung der Haushalte zu vermeiden, sind Eingriffe in die Preisbildung. Dabei verhindert der Staat mit geeigneten Mitteln, dass Unternehmen die Kostensteigerungen auf die Kund:innen überwälzen. Derartige Eingriffe stoßen allerdings in der heutigen, neoliberal geprägten Wirtschaftspolitik auf viel Widerstand der Unternehmen. In der Bevölkerung trifft die Vorstellung eines „gerechten Preises“ jedoch auf breite Zustimmung. Preiseingriffe werden von der Bevölkerung durchaus als probates Mittel der Politik gesehen.

Die Klimakrise mit ihren vielfältigen Veränderungen wirkt sich auf verschiedene Personengruppen unterschiedlich aus. Weltweit gesehen, leben beispielsweise 80 Prozent der ärmsten Menschen in Regionen, die besonders stark von negativen Auswirkungen der Klimaerhitzung betroffen sind, wie ein Bericht der UNO kürzlich zeigte. Ähnliche Muster finden sich auch im Kleinen: In Wien wohnen ärmere Menschen eher in Gegenden, die durch Lärm und Hitze belastet sind. Eine Studie der Universität für Bodenkultur in Wien hat kürzlich darauf hingewiesen, dass bei Maßnahmen gegen Hitzebelastungen – etwa Begrünungen in der Stadt – darauf geachtet werden sollte, dass ärmere Menschen dadurch nicht verdrängt werden, weil die Wohnungspreise aufgrund der höheren Attraktivität plötzlich steigen.

Reiche Menschen sind in ihren Wohngegenden nicht nur von den Klimaänderungen weniger stark betroffen, sie haben auch deutlich mehr Möglichkeiten, auf Extremereignisse zu reagieren. Sie können Vorsorge- und Schutzmaßnahmen treffen, sie können im Katastrophenfall leichter ausweichen, und sie können notfalls aus einem gefährdeten Gebiet einfach wegziehen. Möglichkeiten, die ärmeren Menschen zumeist verwehrt sind.

Gerechte Verteilung schafft Zustimmung

Kollektive Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung sowie die Aufräumarbeiten und Reparaturen nach Katastrophen werden zumeist von der öffentlichen Hand getragen. So gab der Bund nach dem Hochwasser 2024 mehr als eine Milliarde Euro für die Behebung von Schäden aus. Da ein wesentlicher Teil des Steueraufkommens aus der Besteuerung von Arbeitseinkommen stammt, bedeutet dies, dass diese Maßnahmen primär von den Beschäftigten gezahlt werden. Gelder, die der Staat für die Behebung von Schäden durch die Klimakrise verwendet, stehen für andere staatliche Aufgaben – etwa für Bildung oder Gesundheit – nicht mehr zur Verfügung. Wenn der Sozialstaat weniger Geld hat, wirkt sich das negativ auf eine gerechtere Verteilung aus.

Auf vielen Ebenen zeigt sich, wie Klimaschutz und Klimawandelanpassung mit Verteilung und Gerechtigkeit zusammenhängen. Das Muster, dass Menschen mit niedrigen Einkommen wenig Verantwortung für die Klimakrise tragen, unter deren Folgen aber besonders leiden, zieht sich durch alle Gesellschaften. Eine gerechte Klimapolitik darf nicht auf die Zurufe der Reichen hören, sondern muss an der Betroffenheit und den Möglichkeiten der Vielen in der Gesellschaft ausgerichtet werden. Nur dann kann sie mit der notwendigen Zustimmung für weitreichende Veränderungen rechnen.

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