Überwindung der Rezes­sion in Sicht, aber Arbeits­losigkeit steigt weiter. Zur neuen WIFO-Prognose.

26. Juni 2025

Die WIFO-Prognose zeichnet ein optimistischeres Bild als noch im März. Für 2025 wird eine Stabilisierung der Wirtschaftsleistung erwartet. Die Lage am Arbeitsmarkt verschlechtert sich jedoch weiter. Nun gilt es, Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zu beschleunigen und auszubauen. Damit könnten der prognostizierte Aufschwung 2026 (+1,2%) unterstützt und nötige Fachkräfte rechtzeitig ausgebildet werden.

Trendwende der Konjunktur trotz zum Teil widriger Umstände

Die aktuelle WIFO-Prognose deutet auf eine Trendwende der Konjunktur hin. Anstelle eines dritten Rezessionsjahres wird für heuer eine Stabilisierung der Wirtschaftsleistung (0,0%) prognostiziert, für 2026 ein BIP-Wachstum von +1,2%. Die Oesterreichische Nationalbank und die Bank Austria gingen zuletzt schon von einer leichten Erholung für 2025 aus (+0,2% bzw. +0,1%), waren aber für 2026 zurückhaltender.

Die beginnende Erholung findet unter widrigen Umständen statt. Die Konsolidierungsmaßnahmen der Bundesregierung, die die Nachfrage leicht dämpfen, werden aus wirtschaftlicher Sicht zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt gesetzt. Der Kürzungsdruck vor allem bei Städten und Gemeinden, Ländern und beim Bund kann im Dienstleistungsbereich zu einer Schwächung führen. Hinzu kommt die hohe Unsicherheit durch die erratische Zollpolitik der US-Regierung unter Präsident Trump und die noch unklaren Folgen der Eskalation des Nahost-Konflikts. Ein länger anhaltender Gas- und Erdölpreisschock könnte massive Auswirkungen haben und ist in der WIFO-Prognose noch nicht berücksichtigt. Der aktuelle Anstieg der Rohölpreise führte bisher jedoch nicht zu spürbaren Preiserhöhungen bei Treibstoffen.

Sinkende Kreditzinsen und deutsches Infrastrukturpaket liefern Impulse

Diesen negativen Risiken stehen aber auch eine Reihe positiver Signale gegenüber. Die Wirtschaft entwickelte sich in den letzten beiden Quartalen besser als bislang gedacht. Das trägt zur Aufwärtsrevision der Wirtschaftsprognose bei. Nach sieben rückläufigen Quartalen gab es in der Industrie im 1. Quartal 2025 erstmals wieder einen realen Zuwachs gegenüber dem Vorquartal (+1,0%) und die Erwartungshaltung in der Industrie verbessert sich langsam.

Die Wohnbaukredite nehmen aufgrund der gesunkenen Leit- und Kreditzinsen seit Jahresanfang 2025 wieder stark zu und werden in den nächsten Jahren zu Impulsen beim Hochbau führen. Auch das deutsche öffentliche Infrastrukturpaket wirkt sich in den nächsten Jahren positiv für Österreich aus. Das deutsche Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung rechnet etwa mit Wachstumsimpulsen durch zusätzliche Ausgaben für öffentliche Infrastruktur, Verteidigung und Investitionen in Deutschland im Ausmaß von 8 Mrd. Euro (0,2% des BIP) für heuer und 40 Mrd. Euro (0,9% des BIP) für nächstes Jahr. Mit etwas Verzögerung wird das auch zu einer höheren Nachfrage nach österreichischen Investitionsgütern und Bauaufträgen führen.

Verhaltener Privatkonsum aufgrund hoher Verunsicherungen

Der private Konsum entwickelt sich trotz gestiegener Realeinkommen nach wie vor verhalten (2025: +0,4%, 2026: +1,3%). Erstens dämpft das Konsolidierungspaket der Bundesregierung die verfügbaren Einkommen ärmerer Haushalte stärker und schränkt damit ihre Konsummöglichkeiten unmittelbar ein. Zweitens könnte die Phase hoher Kreditzinsen zu einer Verschiebung großer Ausgaben geführt haben, die mit dem Sinken der Leitzinsen erst zaghaft getätigt werden. Der dritte Aspekt ist möglicherweise aber der wichtigste: Österreichs Beschäftigte sorgen sich laut Konjunktur- und Verbrauchererhebungen der Europäischen Kommission um ihren Arbeitsplatz. Diese Sorgen gingen zuletzt zwar wieder leicht zurück, bleiben aber auf hohem Niveau und sind gemessen an der tristen Arbeitsmarktlage nicht unberechtigt.

Lage auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich

Trotz zwei Jahren Rezession fand am Arbeitsmarkt ein Beschäftigungswachstum statt, das sich zuletzt jedoch deutlich verlangsamt hat. Auch heuer steigt die Anzahl der unselbstständig Beschäftigten um 0,2%. Insgesamt hat sich die Lage am Arbeitsmarkt in den letzten zwei Jahren jedoch für viele deutlich verschlechtert. Für 2025 wird ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um weitere 23.000 auf insgesamt 396.400 Personen inklusive Schulungsteilnehmer:innen prognostiziert, damit steigt die nationale Arbeitslosenquote von 7,0% im Jahr 2024 auf 7,5%.


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Seit 2022 – dem letzten Jahr des Aufschwungs nach der Covid-Krise – sind die Arbeitslosenzahlen damit um knapp ein Fünftel gestiegen. Gleichzeitig ist die Anzahl der beim AMS gemeldeten offenen Stellen seit Mai 2022 um 39% auf 83.670 zurückgegangen. Im Durchschnitt kommen auf jede offene Stelle derzeit 4,5 arbeitslose oder in AMS-Schulungen befindliche Personen.

Auch die Langzeitbeschäftigungslosigkeit ist in den letzten zwei Jahren wieder gestiegen. Im Mai waren knapp 91.000 beim AMS gemeldete Arbeitslose langzeitbeschäftigungslos, haben also mehr als ein Jahr keine stabile Beschäftigung gefunden. Die Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit sind erwiesenermaßen dramatisch: erhöhte Armutsgefährdung (61% der Langzeitarbeitslosen sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet), Einschränkungen der sozialen Kontakte und Verschlechterungen der Gesundheit.

Jetzt handeln: Maßnahmen für Beschäftigung und gegen Energiepreisschocks

Die dramatische Arbeitsmarktsituation erfordert rasches Handeln. Eine mutige Industriestrategie und der Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge schaffen gute Beschäftigung. Diese sollten nicht von einer weiteren ausgabenseitigen Budgetkonsolidierung konterkariert werden. Für den kommenden Aufschwung können jetzt Arbeitssuchende wie auch bereits Beschäftigte in unterausgelasteten Betrieben aus- und weitergebildet werden. Eine solche Qualifizierungsoffensive als Teil einer Produktivitätsstrategie bildet Fachkräfte für zukunftsorientierte Branchen aus und verhilft Beschäftigten zum Aufstieg in besser bezahlte und produktivere Jobs. Konkret könnte das Fachkräftestipendium zu einem Qualifizierungsgeld weiterentwickelt werden, verbunden mit einem Rechtsanspruch auf Qualifizierung.

Ältere Beschäftigte müssen die Möglichkeit haben, bis zum Pensionsantritt in guter Beschäftigung zu bleiben. Dafür sind altersgerechte Arbeitsplätze und ein Bonus-Malus-System für Betriebe nötig. Insbesondere für Langzeitbeschäftigungslose gibt es zu wenig Beschäftigung. Die angekündigte Aktion 55 plus für Langzeitarbeitslose sollte daher rasch implementiert und schrittweise zu einer Jobgarantie für Langzeitarbeitslose ausgebaut werden.

Die Lage in Nahost bleibt unklar, weitere Energiepreisschocks sind damit nicht ausgeschlossen. Die letzte österreichische Regierung hatte es verabsäumt, rechtzeitig 2021/22 in die Energiepreise einzugreifen. Die Folgen waren eine höhere und anhaltendere Inflation als die unserer Handelspartner und sehr herausfordernde Kollektivvertragsverhandlungen. Die aktuelle Regierung sollte ihre Lehren daraus ziehen. Die Erdölpreisschocks der 1970er-Jahre konnte Österreich wirtschaftspolitisch erfolgreicher bewältigen als seine Handelspartner, indem es auf eine sozialpartnerschaftlich koordinierte Preis- und Lohnpolitik bauen konnte. Gezielte Preiseingriffe sind ein unerlässliches Werkzeug, sollte sich der Nahostkonflikt ausweiten und ein weiterer Energiepreisschock auf uns zukommen.

Fazit

Die wirtschaftliche Trendwende ist in Sicht. Österreichs Konjunktur kommt nach zwei Jahren zumindest aus der Rezession, trotz drohenden Zollschocks der USA sowie der konjunkturdämpfenden Konsolidierung. Jetzt gilt es, alle Kräfte zu bündeln, um Beschäftigungsimpulse zu setzen. Diese müssen eine mutige Industriepolitik inklusive energiekostendämpfende Maßnahmen, den Ausbau der Daseinsvorsorge, Qualifizierung und Produktivitätsstrategie, ein Älteren-Beschäftigungspaket und eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose umfassen. Gut ausgebildete Beschäftigte sind es schließlich, die die Stärke der österreichischen Wirtschaft ausmachen. Außerdem sollen etwaige weitere Budgetkonsolidierungen stärker durch progressive Steuern auf hohe Vermögen und durch die Wiederanhebung der Körperschaftsteuer finanziert werden.

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