Trotz Budgetsanierung: Spielräume für öffentliche Ausgaben in Klima und Digitales schaffen

02. Mai 2025

Österreichs neue Bundesregierung fokussiert auf Budgetsanierung. Wichtige Ausgaben für den Übergang zu einer klimafreundlichen und digitalen Wirtschaft drohen perspektivisch auszubleiben. Optionen für zusätzliche Spielräume in diesen Bereichen innerhalb der restriktiven EU-Fiskalregeln sind möglich: durch alternative technische Annahmen, mehr EU-Kofinanzierung und einen neuerlichen EU-Investitionsfonds.

In Österreich sowie einer Reihe von großen Ländern des Euroraums werden in den kommenden Jahren umfangreiche Budgetkonsolidierungen erforderlich sein, um die Anforderungen der reformierten EU-Fiskalregeln zu erfüllen. So lag Österreichs Budgetdefizit 2024 mit 4,7 Prozent deutlich über der vorgegebenen 3-Prozent-Grenze, auch heuer ist trotz des Konsolidierungspakets ein übermäßiges Defizit zu erwarten. Die österreichische Regierung wird mit den für 2025 und 2026 geplanten Budgetkürzungen danach trachten, dieses schrittweise abzubauen. Wichtige Zukunftsausgaben drohen dabei auszubleiben.

Schlüsselelemente der neuen EU-Fiskalregeln

Die neuen EU-Fiskalregeln verlagern den Schwerpunkt von der jährlichen Entwicklung der öffentlichen Finanzen auf eine mittelfristige Betrachtung und fokussieren auf die Begrenzung des Wachstums der Staatsausgaben. Der Budgetkurs der einzelnen EU-Mitgliedstaaten soll sicherstellen, dass sich die öffentliche Schuldenquote am Ende eines mindestens vierjährigen Anpassungszeitraums auf einem plausiblen Abwärtspfad befindet. Dazu werden Budgetpläne von mindestens vier Jahren auf Basis einer Schuldentragfähigkeitsanalyse (Debt Sustainability Analysis; kurz: DSA) zwischen der Europäischen Kommission und den nationalen Regierungen ausgehandelt.

Der länderspezifische Charakter der Konsolidierungsanforderungen, die auf technischen Annahmen beruhen, ist eine wichtige Änderung gegenüber den alten Regeln. Sogenannte Schutzklauseln sollen sicherstellen, dass Länder mit hohen Defiziten und Schuldenquoten ein Minimum an fiskalischen Anpassungsbemühungen von 0,25 bis 0,4 Prozent der Wirtschaftsleistung pro Jahr unternehmen. Bisher betrug die Mindestkonsolidierungsanforderung 0,5 Prozent, die nun nur mehr in einem Defizitverfahren gilt. Das ist theoretisch positiv – in der Praxis sind diese Mindestanforderungen durch die DSA nun aber zumeist sogar höher.

Die Mitgliedstaaten können sich zu einem Investitions- und Reformpaket verpflichten, das den Anpassungspfad von vier auf maximal sieben Jahre verlängert. Genau das plant die österreichische Bundesregierung. Sie muss den siebenjährigen Plan in den kommenden Wochen ausarbeiten und im Mai an die Europäische Kommission übermitteln. Die Kommission prüft dann, ob das Paket folgende Kriterien erfüllt: Es ist wachstumsfördernd, mit der Schuldentragfähigkeit vereinbar, berücksichtigt gemeinsame EU-Prioritäten (z. B. Green Deal, Digitalisierung, Verteidigung), trägt den länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters Rechnung und hält das nationale Investitionsniveau mindestens konstant.

Eine kritische Bewertung der neuen EU-Fiskalregeln

Da sich die neuen EU-Fiskalregeln auf den mittelfristigen Abbau der öffentlichen Verbindlichkeiten im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung konzentrieren, ist es unwahrscheinlich, dass das öffentliche Vermögen während des grünen und digitalen Übergangs erhöht werden kann. Dabei ist es durchaus plausibel, dass das öffentliche Vermögen zur Gewährleistung langfristig tragfähiger öffentlicher Finanzen beiträgt. Die neuen Fiskalregeln legen den Schwerpunkt jedoch lediglich auf die Beschränkung der öffentlichen Verbindlichkeiten und sehen für Investitionen praktisch keine Ausnahme vor. Insbesondere der Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft erfordert aber die Erneuerung und Erweiterung des Kapitalstocks in den nächsten Jahrzehnten.

Wenn die Europäische Kommission die Investitions- und Reformpläne der Mitgliedsstaaten akzeptiert, gewährt sie keine weitreichenden Ausnahmen für die Finanzierung dieser Investitionen; stattdessen verlängert sie nur den Zeithorizont für die Budgetsanierung auf bis zu sieben Jahre. Das reduziert zwar den jährlichen Kürzungsdruck, in der Regel aber die Anforderungen an die Budgetkonsolidierung insgesamt nicht wesentlich.

Die von den EU-Mitgliedstaaten bei der Europäischen Kommission eingereichten mehrjährigen Budgetpläne zeigen, dass die national finanzierte öffentliche Investitionsquote in mehr als einem Drittel der Länder gekürzt werden soll. Die erste Runde der eingereichten Pläne erfüllt damit nicht die Anforderungen für zusätzliche öffentliche Investitionen. Daher ist die Schlussfolgerung der Kommission, dass die EU-Länder ihre Investitionen über den Planungshorizont beibehalten oder erhöhen werden, überzogen. Die tatsächlichen Kürzungen der öffentlichen Investitionen könnten sogar noch gravierender ausfallen, da in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld harte Budgetentscheidungen anstehen.

Der geplante Anstieg der Verteidigungsausgaben in Kombination mit dem Druck zur Haushaltskonsolidierung bei anderen Ausgabenposten wird es den nationalen Regierungen unmöglich machen, die öffentlichen Investitionen für die Twin Transition ausreichend zu erhöhen, obwohl dies erforderlich wäre, wenn die Klima- und Digitalisierungsziele erreicht werden sollen. Im Folgenden erörtere ich auf Basis meiner Studie drei Optionen, um den fiskalischen Spielraum im Kontext der restriktiven neuen EU-Fiskalregeln zu erhöhen.

Änderung der technischen Annahmen im Unterbau der neuen EU-Fiskalregeln

Während die Schuldentragfähigkeit ein Schlüsselelement des neuen Regelwerks ist, zeigen Studien über die Schuldentragfähigkeitsanalyse (DSA) der Europäischen Kommission, dass die Anforderungen an die Budgetkonsolidierung durch geringfügige Änderungen einiger weniger technischer Annahmen erheblich verändert werden können. Daher könnten Änderungen technischer Annahmen den DSA-basierten Anpassungsbedarf verringern.

Die DSA der Europäischen Kommission berücksichtigt derzeit nicht das Potenzial für positive wirtschaftliche Wachstumseffekte von öffentlichen Investitionen und Reformen. Ein Ausweg könnte darin bestehen, die technischen Annahmen so zu ändern, dass diese Effekte ausdrücklich berücksichtigt werden: Höhere Wachstumsraten würden dann zu günstigeren Simulationen der Entwicklung der öffentlichen Schuldenquote im Laufe der Zeit führen und damit den fiskalischen Anpassungsbedarf verringern. Dies wäre ohne weitere rechtliche Änderungen möglich, da die einschlägigen technischen Annahmen nicht in den Gesetzestexten geregelt sind.

Erhöhung der nationalen Kofinanzierung von EU-finanzierten Programmen

Bei der Bewertung, ob die einzelnen Mitgliedstaaten ihre Budgetpläne einhalten, wird die Europäische Kommission die nationalen Ausgaben für die Kofinanzierung von EU-finanzierten Programmen herausrechnen. Kurzfristig wird dies keine großen Auswirkungen haben, da sich die meisten nationalen Kofinanzierungen auf Ausgaben für EU-Regionalfonds beziehen.

In Zukunft könnte eine erweiterte Nutzung der nationalen Kofinanzierung aber dem österreichischen Staat ermöglichen, die Budgetziele leichter zu erreichen und sie enger mit den politischen Zielen der EU, einschließlich der Bemühungen um einen grünen und digitalen Wandel, abzustimmen. Das Potenzial für Kofinanzierung wird davon abhängen, welche EU-Programme in Zukunft zur Verfügung stehen und wie viel nationale Kofinanzierung sie erfordern oder erlauben. Daher wird der nächste mehrjährige EU-Finanzrahmen (MFR, ab 2028) entscheidend sein.

Einführung eines EU-Investitionsfonds für Klima und Digitalisierung

Eine dritte Option ist die Einführung eines Investitionsfonds für Klima und Digitalisierung auf EU-Ebene. Wesentliche Aspekte eines solchen neuen EU-Investitionsfonds könnten auf den Erfahrungen mit der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) beruhen. Die ARF wurde während der Covid-19-Krise eingeführt, um die wirtschaftliche Erholung der EU-Mitgliedstaaten zu unterstützen und gleichzeitig Investitionen und Reformen durchzuführen, um die Klima- und Digitalisierungsziele besser zu erreichen.

Nach dem Vorbild der ARF könnte die Europäische Kommission Anleihen begeben, um auf den Finanzmärkten Mittel für einen neuen EU-Investitionsfonds zur Förderung des grünen und digitalen Wandels zu beschaffen. Die von einem solchen EU-Investitionsfonds finanzierten Investitionen könnten sich auf europäische Projekte für Kollektivgüter im Bereich der Energie- und Verkehrswende sowie der digitalen Infrastruktur konzentrieren, um einen EU-Mehrwert zu schaffen. Die Investitionen könnten in ein europäisches Hochgeschwindigkeitszugsystem fließen, das die CO2-Emissionen im Verkehrssektor langfristig reduzieren könnte. Darüber hinaus könnten die politischen Entscheidungsträger:innen im Bereich Energie und Dekarbonisierung dazu beitragen, ein integriertes Stromnetz für die Übertragung von 100 Prozent erneuerbarer Energie zu verwirklichen und ergänzende Batterie- und grüne Wasserstoffprojekte zu unterstützen. Im Bereich der digitalen Infrastruktur könnten sich EU-Projekte auf erhebliche grenzüberschreitende Vorteile für mehrere Mitgliedstaaten konzentrieren, die mit der EU-weiten digitalen Strategie in Einklang stehen und die EU-Integration im digitalen Raum fördern – etwa für ein Hochgeschwindigkeits-Ultrabreitbandnetz, die Daten- und Recheninfrastruktur, ein EU-weites 5G-Netz, eine EU-Cloud-Infrastruktur oder eine europäische digitale Gesundheitsinfrastruktur.

Schlussfolgerungen

In zahlreichen Ländern des Euroraums werden in den kommenden Jahren umfangreiche Budgetkonsolidierungen erforderlich sein, um die Anforderungen der EU-Fiskalregeln zu erfüllen. Vorübergehende Ausnahmen für zusätzliche Verteidigungsausgaben werden jedoch dazu führen, dass der fiskalpolitische Kurs in den EU-Ländern insgesamt expansiver sein wird, als es sonst der Fall gewesen wäre. Der Druck, zusätzliche defizitfinanzierte Verteidigungsausgaben zu tätigen, wird den Anteil der staatlichen Zinszahlungen an den gesamten Steuereinnahmen erhöhen; und es ist zu erwarten, dass die politische Abneigung gegen höhere Budgetdefizite Abwärtsdruck auf die öffentlichen Ausgaben für den grünen und digitalen Wandel ausüben wird.

Die bis Ende 2025 von der Regierung auszuarbeitende Industriestrategie erfordert Investitionsspielräume. Klima- und Digitalisierungsziele sind ohne das Finden und Nützen von Investitionsspielräumen nicht erreichbar. Jedenfalls müssen die politischen Entscheidungsträger:innen neue Finanzierungslösungen für den Wandel zu einer klimafreundlichen und digitalen Wirtschaft finden. Ansatzpunkte bestehen durchaus innerhalb der vorgegebenen neuen Regeln.

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