Budget 2024: zu wenig für öffentliche Investitionen und Beschäftigung

10. November 2023

Die neuen Budgetpläne des Finanzministers sehen ein mittelfristig zu hohes Budgetdefizit vor. Die AK-Budgetanalyse zeigt, dass damit die Budgetkonsolidierung der nächsten Bundesregierung überantwortet wird. Ohne zusätzliche Finanzierung drohen Kürzungen in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung, obwohl hier bereits jetzt der Status quo verwaltet wird. Und: Trotz hohen Defizits fehlt es an öffentlichen Investitionen und Beschäftigungsmaßnahmen. Konkret sind jetzt zusätzliche 10 Mrd. Euro bis 2025 notwendig, um den Wohlstand der Vielen zu erhöhen.

Zu wenig Mut für den Wohlstand

Nachdem der Budgetentwurf 2024 mit dem vielversprechenden Titel der diesjährigen Budgetrede des Finanzministers „Mit Optimismus für Österreich. Wohlstand erhalten. Zukunft gestalten“ angekündigt wurde, fällt der Blick in die Budgetunterlagen ernüchternd aus. Es sind keine grundlegenden Neuerungen und Schwerpunktsetzungen zu finden, das Budget scheint insgesamt auf ein „Zu-Ende-Verwalten“ der Legislaturperiode ausgelegt zu sein – „Wohlstand erhalten“ und „Zukunft gestalten“ tut es nur unzureichend.

Angesichts nachhaltiger Wohlstandsverluste, die auf Pandemie, Teuerungs- und Klimakrise zurückzuführen sind, werden hier leider maßgebliche Chancen vertan, die Gewinner:innen an den Krisenkosten zu beteiligen und die Verlierer:innen – insbesondere Bezieher:innen niedriger Einkommen und besonders armutsgefährdete Gruppen – zu unterstützen. Die Inflation und ihre Folgen auf die Hauptbetroffenen werden nach den Budgetplänen auch künftig bestenfalls abgefedert statt bekämpft. Die Bundesregierung ist zudem nach wie vor gefordert, mehr zu tun, um die Preisdynamik einzudämmen: Strommarkt, Gas- und Fernwärmedeckel, Mietrecht, schärfere Wettbewerbspolitik etc.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Sozial-ökologischer Fortschritt mit Potenzial nach oben

Positiv ist, dass wie zuletzt auch im kommenden Jahr mehr Geld für alle Bereiche des Klimaschutzes vorgesehen ist. Allerdings werden dabei auch zunehmende Ineffizienzen in der Mittelverwendung deutlich. Insbesondere das temporäre Aussetzen der Mehrwertsteuer beim PV-Anlagenausbau ohne begleitende Kontrolle dürfte mehr die Gewinne der Installationsbetriebe als den Ausbau beschleunigen. Die Senkung der USt auf Grundnahrungsmittel zur Inflationsbekämpfung hat die Bundesregierung noch u. a. mit dem Argument abgelehnt, dass sie nicht weitergegeben werden könnte – obwohl Preise in Supermärkten sehr viel transparenter sind und vonseiten der Konsument:innen eher verfolgt werden, als das bei PV-Installationen der Fall ist.

Einmal mehr wird die Chance vertan, den Sozialstaat fortschrittlich weiterzuentwickeln. Zwar werden über die Grundsatzeinigung zum kommenden Finanzausgleich mehr Mittel für Gesundheit, Pflege und Kinderbetreuung bereitgestellt. Diese sind jedoch angesichts jahrelanger Versäumnisse nur unzureichend und scheinen – soweit bekannt – teilweise falsche Schwerpunkte, wie etwa im Gesundheitsbereich über zu wenige Mittel für den niedergelassenen Bereich, zu setzen. Nach wie vor fehlt eine adäquate Finanzierung vom Kindergarten über die Ganztagsschule bis zum Hochschulwesen und der Erwachsenenbildung. Der Fortschritt in der Elementarpädagogik ist zu begrüßen – von einer notwendigen „Kindergartenmilliarde“ ist dieser aber immer noch deutlich entfernt. Das „100 Schulen“ Einstiegsprojekt wäre dringend auf eine flächendeckende, gerechte und transparente Schulfinanzierung nach dem AK-Chancen-Index auszuweiten. Der Ausbau der Tagesbetreuung bleibt ebenso aus wie langfristige Investitionen in die Digitalisierung und die Aus- und Weiterbildung von Pädagog:innen. Auch für das Nachholen von Bildungsabschlüssen und ein umfassendes Qualifizierungsprogramm fehlen Plan und Mittel.

Die Pandemie führte zu einer Retraditionalisierung von Rollenbildern und Rückschritten bei der Gleichstellung von Frauen und Männern – ein umfassendes Gleichstellungspaket fehlt jedoch ebenso in diesem Budget wie ambitionierte frauenspezifische und gleichstellungspolitische Ziele. Frauenpolitik wird einmal mehr auf Gewaltschutz reduziert. Ebenso sucht man auch im zehnten Jahr seit seiner Einführung ein umfassendes Gender Budgeting vergeblich.

Wenig überraschend: Verteilungsfrage bleibt unbeantwortet

Den vorliegenden Budgetunterlagen fehlt eine verteilungspolitische Einbettung und ein verlässlicher Plan zur Verhinderung manifester Armut. Das Ziel, den Anteil armutsgefährdeter Menschen bis 2024 zu halbieren, wird die Regierung deutlich verfehlen. Die vielen Krisengewinner:innen werden dagegen nicht nur nicht an den Kosten der Krise beteiligt, sondern mit dem zweiten Schritt der ökonomisch wenig sinnvollen Körperschaftsteuersenkung sogar dauerhaft begünstigt.

Die budgetierten Sonderzuwendungen für Kinder in Familien mit Sozialleistungsbezug, die erneute Aufstockung im Bereich der psychosozialen Betreuung von Kindern sowie die Aufstockung des Wohnschirms sind ausdrücklich zu befürworten. Leider handelt es sich dabei jedoch um befristete Maßnahmen. Eine strukturelle Anhebung der Sozialleistungen auf ein Niveau, das vor Armut schützt, ist dringend geboten. Die Valorisierung der meisten Sozialleistungen führt zumindest dazu, dass ihr Wert nicht noch weiter sinkt. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sind von der Anpassung jedoch weiterhin ausgenommen. Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil sich die Höhe des Arbeitslosengeldes auf das Einkommen des (vor)letzten Jahres bezieht, wodurch die kaufkraftsichernden Lohnabschlüsse unberücksichtigt bleiben.

Geplanter Budgetpfad verletzt EU-Regeln – notwendige Budgetkonsolidierung wird der nächsten Bundesregierung überantwortet

Während der Finanzminister auf EU-Ebene stets die Notwendigkeit strenger Budgetdisziplin betont, ist seine eigene Defizitplanung überraschenderweise weder mit den alten noch den neuen Budgetregeln vereinbar. Die Politik, ständig mehr Geld in die Hand zu nehmen (und dabei die einflussreichen und wirtschaftlich starken Lobbys besonders zu bedienen), ohne dafür eine ausreichende Gegenfinanzierung sicherzustellen, kommt an ihr Ende. Eine Neuverschuldung von mittelfristig anhaltend deutlich mehr als 2 Prozent des BIP ist weder sinnvoll noch regelkonform. Ohne zusätzliche Finanzierung drohen Kürzungen in den großen Ausgabenbereichen Soziales, Gesundheit und Bildung.

Die Regierung ist dabei kontraproduktiv und hält an der geplanten Senkung des Körperschaftsteuersatzes im kommenden Jahr um einen weiteren Prozentpunkt fest. Damit erhalten Unternehmen ein weiteres – und sehr ungleich verteiltes – Steuergeschenk, obwohl ein nicht unbeträchtlicher Teil der Inflation durch unbegründete Preiserhöhungen von Unternehmen befeuert wurde. Die Einnahmen der Übergewinnsteuer im Energiesektor sind aufgrund der schwachen Ausgestaltung minimal, im Bankensektor fehlt eine solche Steuer gänzlich. Vermögensbezogene Steuern bleiben unter den geringsten in Europa und die Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuern wird erneut nicht angegangen. Zuletzt finden sich keine Anzeichen, dass systematisch gegen das Problem der durch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung entstandenen hohen Steuerlücke von 12 bis 15 Mrd. Euro vorgegangen wird. Insgesamt lässt die Bundesregierung somit wichtige Finanzierungsmöglichkeiten weiter ungenutzt.

Dringliches Investitions- und Beschäftigungspaket fehlt (weitgehend)

Trotz des vergleichsweise hohen Defizits fehlen im Budgetentwurf weitgehend zusätzliche öffentliche Investitionen gegen die aktuelle Investitionsschwäche, zur Bekämpfung der Klimakrise sowie für den sozialen Wohnbau ebenso wie ein Qualifizierungspaket zur Deckung des steigenden Bedarfs an gut ausgebildeten Arbeitskräften.

Dabei wäre die gegenwärtige Baurezession der richtige Zeitpunkt für ein großes, grünes, öffentliches Investitionspaket: Thermische Sanierung, Photovoltaik auf allen öffentlichen Gebäuden und Tausch fossiler Heizsysteme, Rad- und Fußwege sowie der beschleunigte Ausbau der Bahn-, Bus- und Energienetze sind das Gebot der Stunde. Vor allem bei Städten und Gemeinden schlummert ein zig Milliarden schweres grünes Investitionspotenzial, doch fehlt die gesicherte Finanzierung, die mittelfristige Planung ermöglicht. Gleiches gilt für den sozialen Wohnbau kommunaler und gemeinnütziger Bauträger.

Um dem steigenden Fachkräftebedarf Rechnung zu tragen, gilt es, das riesige Arbeitskräftepotenzial (Arbeitslose, Stille Reserve, unfreiwillige Teilzeit, Ältere, Niedriglohnbeschäftigte, Scheinselbstständige) besser auszuschöpfen. Gefragt sind eine aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik und eine bessere Ressourcenausstattung des AMS. Um die unfreiwillige Unterbeschäftigung besonders von Frauen zu reduzieren, bedarf es des Ausbaus von professioneller Elementarpädagogik und Pflege. Um Menschen aus schlechter Beschäftigung zu Betrieben mit guter Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen zu bringen, gilt es, auch Beschäftigte zu qualifizieren und zu vermitteln.

Ein Zukunftsbudget für den Wohlstand der Vielen

Um den Wohlstand der Vielen zu erhöhen, ist jetzt ein Paket von zusätzlich 10 Mrd. Euro für zwei Jahre notwendig:

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Langfristig bedarf es für die Jahre 2026 bis 2040, dem Zieljahr für die Klimaneutralität, zudem eines kommunalen Investitionsfonds: Er sollte die Energieeffizienz sowie den Umstieg auf erneuerbare Energieträger sowie Fernwärme- und -kältesysteme plus den Ausbau von Rad- und Gehwegen, des öffentlichen Nahverkehrs, Maßnahmen zur Begrünung und Entsiegelung insbesondere in Ballungszentren sowie die eigene Stromproduktion enthalten.

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