Bevor­zugt, benach­teiligt, aus­sortiert: Was Experi­mente über Chancen am Arbeits­markt ent­hüllen

19. Dezember 2025

Diskriminierung bei der Arbeitssuche ist ein Tatbestand, der dem Fairnessversprechen und dem Leistungsverständnis unserer Gesellschaft entgegensteht. Den Job bekommen nicht immer die geeignetsten Bewerber:innen, sondern manchmal einfach nur jene mit dem vermeintlich „besseren“ Nachnamen, Alter oder Geschlecht. Dabei ist die Diskriminierung bei der Jobsuche gesetzlich verboten. Ergebnisse aus Feldexperimenten zeigen: Am Arbeitsmarkt werden manche Menschen systematisch benachteiligt.

Ein Unternehmen sucht dringend Personal und schaltet ein Inserat auf der Jobplattform des AMS. Daraufhin gehen zwei Bewerbungen ein: Zwei Arbeitssuchende im gleichen Alter, mit derselben Berufserfahrung und derselben Ausbildung bitten um ein Vorstellungsgespräch. Einziger Unterschied: Der eine Bewerber heißt „Lukas Geischläger“, der zweite „Ghulam Rahimi“.

Gleiche Qualifikation – ungleiche Chancen

Wen lädt das Unternehmen also ein? Genau das wurde in einer aktuellen Studie im Auftrag der Arbeiterkammer Wien empirisch untersucht. Die Autor:innen haben dafür zwischen März und Juni 2025 knapp 900 Bewerbungen auf offene Stellen im Einzelhandel und für Büroberufe verschickt, die sich lediglich im Namen und im Bewerbungsfoto unterschieden. In den Qualifikationen und Berufserfahrungen waren die fiktiven Bewerber:innen jedes Mal ident. Das Ergebnis: Im Einzelhandel erhielt der Bewerber mit österreichischem Namen zehnmal so viele Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch, die Bewerberin im Bürobereich fünfmal so viele.

Keine Einzelfälle: Experimente belegen Diskriminierung in Österreich

Diese neue Studie reiht sich ein in eine Serie ähnlicher Experimente, die in den letzten Jahren in Österreich und in anderen Ländern durchgeführt wurden. Meta-Analysen in OECD-Ländern zeigen, dass Personen mit (zugeschriebenem) Migrationshintergrund im Schnitt um die Hälfte mehr Bewerbungen schreiben müssen, um gleich oft eingeladen zu werden wie Bewerber:innen aus der Mehrheitsbevölkerung.

In Österreich erforschte 2013 das IHS gemeinsam mit der JKU die Diskriminierung von Migrant:innen am österreichischen Arbeitsmarkt – mit dem Ergebnis, dass serbische, türkische, chinesische und nigerianische Bewerber:innen gegenüber österreichischen bei Jobbewerbungen deutlich benachteiligt werden. Darauf folgten weitere Experimente, die eine Schlechterbehandlung aufgrund der Herkunft bei Jobbewerbungen nachwiesen – zuletzt eine deutsche Studie am IZA, die die Wechselwirkung zwischen Namen und Foto im Lebenslauf genauer in den Blick nahm. Sämtliche Experimente beweisen, dass die Chancen auf einen neuen Job nicht für alle gleich sind – selbst wenn die Bewerber:innen dieselben Voraussetzungen mitbringen. Soweit die Studien vergleichbar sind (vor dem Hintergrund unterschiedlicher Berufe, Regionen und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, in denen die Testings stattfanden), haben vor allem Zuwanderer aus Afghanistan aktuell besonders geringe Chancen auf ein Vorstellungsgespräch.

Diskriminierung nicht nur am Arbeitsmarkt

Diesbezüglich wies eine Studie von SORA im Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft 2023 nach, dass Menschen mit afghanischem Namen oder Akzent auch am Wohnungsmarkt schlechtere Chancen haben. Während „Michael Gruber“ bei jeder telefonischen Anfrage um eine Wohnungsbesichtigung eine positive Rückmeldung inklusive Termin erhielt, war das für „Muhammad Asif“ nur halb so oft der Fall. Zudem bekam „Muhammad“ oft einen späteren Termin vorgeschlagen, obwohl er stets vor „Michael“ angerufen und um einen Termin gebeten hatte. Bezeichnendes Zitat eines Maklers gegenüber „Michael“: „Sie haben den Lotto-Sechser gewonnen. Sie sind der erste Österreicher, der mich anruft.“ Diskriminierung ist im österreichischen Alltag also kein Randphänomen, sondern entscheidet oft konkret, wer einen Job oder eine Wohnung bekommt – und wer eben nicht. Im Fall der Wohnungsbesichtigungen kommen z. B. auf zehn Einladungen an Österreicher nur fünf an den Bewerber auf Afghanistan.

© A&W Blog

a.) Perle/Hajji/Hausegger/Iby/Sondermann (2025)

b) Schönherr/Bohrn (2023)

c.) Hofer/Titelbach/Weichselbaumer/Winter-Ebmer (2013)

d.) Schönherr (2023)

Wenn mehrere Diskriminierungsmerkmale zusammentreffen

Besonders häufig diskriminiert wird dort, wo mehrere Merkmale zusammentreffen – etwa Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft und Religion. Eine Studie von Doris Weichselbaumer für den deutschen Arbeitsmarkt verschickte drei identische Bewerbungen von Frauen: einmal mit deutschem Namen, einmal mit türkischem und einmal mit türkischem Namen plus Kopftuch im Bewerbungsfoto. Das Ergebnis: Die Bewerberin mit türkischem Namen und Kopftuch musste etwa 4,5-mal so viele Bewerbungen schreiben wie „Sandra Bauer“, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.

Diskriminierung in Zeiten des Fachkräftemangels: zu alt, zu lange arbeitslos, zu ...?

Dass manche Unternehmen nach wie vor entlang von Namen, Aussehen oder anderen persönlichen Merkmalen selektieren und bei passenden Qualifikationen nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch einladen, passt schwerlich zur allgemeinen Klage über Arbeits- und Fachkräftemangel. Im Gegenteil: Diskriminierung verschärft den Fachkräftemangel sogar, weil qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber von Haus aus abgelehnt werden. So wies eine Studie von FORESIGHT im Auftrag des AMS nach, dass auch ältere und langzeitarbeitslose Personen bei sonst gleichen Voraussetzungen seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden – ausgerechnet in den beiden Branchen Elektroinstallation und Lebensmitteleinzelhandel, die laut Eigenangaben mit am häufigsten nach Fachkräften suchen.

Strategien zur Erforschung von Diskriminierung

Die genannten Studien reihen sich in ein vergleichsweise junges Forschungsfeld in den Sozialwissenschaften ein. Während die Erforschung von Vorurteilen gegenüber bestimmten Gruppen in der Gesellschaft schon länger zurückreicht, legte man erst in den letzten Jahren und Jahrzehnten den Fokus regelmäßig auf die Perspektive der von Diskriminierung Betroffenen selbst – also Diskriminierungserfahrungen. In einer entsprechenden SORA-Studie aus 2019 im Auftrag der Arbeiterkammer Wien gaben z. B. 44 Prozent der mehr als 2.000 Befragten an, in den letzten drei Jahren Diskriminierungserfahrungen gemacht zu haben, die Hälfte davon am Arbeitsplatz oder bei der Suche nach Arbeit. Während diese Studien wichtige Einblicke in das Erleben von und den Umgang mit Diskriminierungen liefern, ist ihre Aussagekraft über tatsächliche Fälle von Diskriminierung limitiert. Nicht jede Diskriminierung wird von Betroffenen als solche wahrgenommen, umgekehrt ist nicht jede Diskriminierungserfahrung ein tatsächlicher Fall von Schlechterbehandlung. So wichtig die Vermessung von Diskriminierungserfahrungen ist, bedarf es zum Nachweis von Diskriminierung experimenteller Verfahren.

Experimente zum Nachweis von Diskriminierung

Dieser Forschungszugang hat seine Ursprünge in sogenannten „Testings“, die in den USA schon in den 1960er Jahren zum Nachweis rassistischer Diskriminierung am Wohnungs- und Arbeitsmarkt durchgeführt wurden. Dabei werden fiktive Bewerbungen verschickt, die sich meist nur in einem Merkmal – z. B. Name oder Geburtsort – voneinander unterscheiden, während aber Beruf und Berufserfahrung, Ausbildung, Wohnort und alle anderen Merkmale ident sind. Durch den Vergleich der Rückmelderaten (z. B. Einladung zu einem Vorstellungsgespräch oder einer Wohnungsbesichtigung) lässt sich dann statistisch belegen, ob manche Bewerber:innen bevorzugt oder benachteiligt werden. Die Ergebnisse von Testings dienen heute nicht nur der Sichtbarmachung von Diskriminierung, sondern können potenziell auch als Beweismaterial bei Beschwerden oder vor Gericht herangezogen werden.

Diskriminierung weiter beforschen

Am Ende verdeutlichen die Ergebnisse solcher Testingstudien, dass die Bemühungen um einen Job nicht immer ausreichen. Man kann die beste Bewerbung verschicken – den „Lottosechser“ gewinnt öfter der/die „Österreicher:in“. Experimentelle Studien zum Nachweis von Diskriminierungen sind daher ein wichtiger Beitrag, um einerseits Betroffenen zu signalisieren, dass ihre Ablehnung kein Einzelschicksal ist, zum Zweiten aber auch, um dem Mythos der „Leistungsgerechtigkeit“ entsprechende Evidenz gegenüberzustellen. Offen bleibt bislang, in welchen anderen Lebensbereichen außerhalb der Arbeitswelt Menschen in Österreich noch Diskriminierung erfahren – sei es im Gesundheitsbereich, im Bildungssystem oder auf Ämtern und Behörden. Auch hier braucht es eine systematische Beforschung, um Diskriminierungen entgegentreten zu können.

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