Während der Teuerungskrise der letzten Jahre mussten viele Miethaushalte gleich mehrere Mietzinserhöhungen pro Jahr hinnehmen. Wohnungen werden mit der Zeit abgewohnt, wodurch ihr Gebrauchswert sinkt. Dennoch konnten und können Vermietende über sogenannte „Wertsicherungen“ den Mietzins laufend erhöhen. Bei anderen Formen der Kapitalanlage – etwa Sparguthaben und Anleihen – ist ein derartiger Inflationsschutz absolut unüblich. Vermieter:innen lukrieren dem gegenüber nicht nur in aller Regel einerseits „wertgesicherte“ Mietzinse; Kapitalgewinne – also Haus- und Wohnungspreissteigerungen – fallen ihnen ebenfalls zu. Eine faire Regelung bei der Preisanpassung von Mieten müsste auf die tatsächlichen Instandhaltungs- und Sanierungserfordernisse Bezug nehmen.
Welcher Mieter, welche Mieterin kennt das nicht? Regelmäßig flattern Schreiben ins Haus, mit denen die vertraglich vereinbarten Mieten angehoben werden. Dabei ist es nicht ganz einfach, den jeweiligen Grund für die Verteuerung der Mieten festzumachen. Manchmal sind es die gestiegenen Betriebskosten, immer wieder aber sind „Wertsicherungs-Vereinbarungen“ oder „Index-Klauseln“ schuld am Steigen der Mieten und Wohnkosten.
Im nachfolgenden Beitrag geht es genau darum. Der größte Teil der Miete, der sogenannte Hauptmietzins, ist in der Regel im Mietvertrag zu Gunsten der Vermieter:innen „mit dem Verbraucherpreisindex (VPI) wertgesichert“, also mit der Inflationsrate. Grundlage für die Verteuerung ist kein Gesetz, sondern es sind die konkreten Verträge, die in der Praxis immer von den Vermieter:innen diktiert werden. Man bekommt eine Wohnung nur mit dem einseitigen Vertragsinhalt vermietet oder gar nicht. Die Mieten – also die Ausgaben der Mieter:innen und die Einnahmen der Vermieter:innen – steigen dann automatisch, wenn sich die Kosten für Energie, Benzin und andere Güter verteuern, die im Warenkorb der Statistik Austria zur Berechnung der Inflation herangezogen werden.
Ist das sachgerecht und fair?
Automatische Verteuerung
Gerade in Zeiten der öffentlichen Forderungen nach Lohnzurückhaltung bzw. Lohnabschlüssen unter der Inflationsrate und einer Diskussion um das Aussetzen des Inflationsausgleiches bei den Pensionen empfinden es viele Mieter:innen als ungerecht, dass ihre Mieten immer wieder automatisch erhöht werden; ihr Einkommen aber nicht! Zuwendungen für Familien werden eingefroren und nicht um die Inflationsrate erhöht, im Vergleich dazu steigen die Renditen der Immobilieninvestoren durch die Index-Klauseln weiter.
In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Wertsicherungsklausel doch nur den Geldwert des vereinbarten Hauptmietzinses (= Ertrag) erhalten solle. Dies sei ein „legitimes“ Bedürfnis der Vermieter:innenseite. Bei diesem offensichtlichen „Naturgesetz“ eines Inflationsschutzes für Immobilienanleger:innen werden meines Erachtens mehrere Aspekte durcheinandergebracht bzw. übersehen.
Rendite der Immobilie bliebe auch ohne Wertsicherung voll bestehen
Bezogen auf den ursprünglichen Investitionsaufwand (= Errichtungskosten oder Kaufpreis der Immobilie) bedeutet ein mit einem bestimmten Betrag vereinbarter Hauptmietzins eine Rendite/Verzinsung in einer konkreten Höhe. Diese prozentuelle Rendite würde auch ohne Wertsicherungsklausel in weiterer Folge durch die Inflation gerade nicht sinken.
Mietertrag und Preissteigerungen ergeben Gesamtrendite der Immobilie
Mit Wohnungen bebaute Grundstücke sind äußerst langlebige Vermögenswerte. Konsequenzen von Wertsicherungsvereinbarungen sind demnach schlichtweg Profitsteigerungen: Bezogen auf den ursprünglichen Kapitaleinsatz vervielfacht sich die prozentuelle Mietrendite von Immobilienveranlagungen durch Indexklauseln nach einiger Zeit. Dazu kommen dann noch die Wertsteigerungen der Immobilien an sich, die ja in den letzten Jahrzehnten ganz erheblich waren. Kein Wunder, dass sich Investor:innen spätestens seit der Finanzkrise 2008 besonders dem Markt für gebrauchte und neue Immobilien zuwendeten. Wohnen als leistbares Zuhause oder als Veranlagungsprodukt ist eines der aktuellsten Spannungsfelder, vor allem in den Ballungsräumen der meisten europäischen Länder.
Immobilien-Investoren sind bei Fremdfinanzierung gesetzlich vor der Wertsicherung ihrer Kreditkosten geschützt
Der Vermieter einer Anleger-/Vorsorgewohnung, der seine Investition (teilweise) über ein Darlehen finanziert, ist in Österreich gesetzlich sogar davor geschützt, dass ihm bei Zinsen und Tilgung des Darlehens das Risiko der Geldentwertung im von der Bank vorformulierten Kreditvertrag auferlegt wird; das Inflationsrisiko liegt gem. § 985 ABGB beim Darlehensgeber; also bei der Bank. Es kommt zu der eigentlich grotesken Situation, dass jemand Immobilieninvestitionen fremdfinanziert tätigen kann, ohne eine „Wertsicherung“ seiner Kosten im Kreditvertragsformular fürchten zu müssen; gleichzeitig wird ihm ein „legitimes“ Bedürfnis zugestanden, seine daraus erzielten Erträge mittels vorformulierter Mietvertragsklauseln wertzusichern und die Miet-Renditen über laufende Mieterhöhungen mittelfristig zu vervielfachen.
Renditen auf andere Kapitalveranlagungen sind in der Regel nicht „wertgesichert“
Der klassische „kleine Sparer“ sucht in seinen Verträgen mit der Bank eine Wertsicherung für die Erträge seiner Veranlagung (Rendite/Sparzinsen) vergeblich; auch bei Veranlagungen in Anleihen oder in den Bundesschatz ist eine vertragliche Garantie der Erhaltung des Geldwertes keineswegs automatischer Vertragsbestandteil. Inflationsschutz: Fehlanzeige!
Warum nicht? Gibt es nicht auch ein legitimes Bedürfnis der Kleinanleger, ihr Entgelt, das sie für ihre Spareinlagen von der Bank erhalten, an die tatsächliche Geldentwertung anzupassen und damit das Äquivalenzverhältnis zu wahren?
Äquivalenzsicherung, aber nur einseitig zugunsten der Vermieter:innen?
Es sei legitim, die Leistung der Mieter:innen (= den in einem bestimmten Betrag vereinbarten Mietzins) in ihrer inneren Äquivalenz zu sichern, im Wert zu erhalten, also laufend im Ausmaß der Geldentwertung zu erhöhen. Erkennbar soll mit einer Indexklausel das am Beginn des Mietverhältnisses von den Mieter:innen zu erbringende Leistungsniveau für die Dauer des Mietverhältnisses beibehalten werden – so eine gängige Begründung der Verteuerung der Mieten.
Dann fragt man sich aber, warum nicht auch auf die Werterhaltung des praktischen Gebrauchswerts der in Miete überlassenen Wohnung abgestellt wird.
Der Mietzins soll in seinem Geldwert erhalten bleiben, der Wohnwert des Mietgegenstandes aber nicht?
Im Sinn einer wechselseitigen Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung können laufende Mieterhöhungen (Wertsicherungen) doch nur dann zulässig sein, wenn sich die Vermieter:innenseite im Gegenzug zur Aufrechterhaltung des ursprünglichen Gebrauchsnutzens verpflichtet. Anerkennt man das legitime Bedürfnis der Vermieter:innen, dass Mieter:innen ihre laufende Leistung (Mietzins) im Geldwert zu erhalten haben, ist auch dem legitimen Bedürfnis der Mieterseite, dass die zu Beginn des Mietverhältnisses versprochene Leistung der Vermieter:innen von diesen in ihrem Wert erhalten bleibe, Rechnung zu tragen.
Das würde aber – zum Ausgleich einer Indexklausel zugunsten der Vermieter:innen ‒ auch eine Vertragsbestimmung erfordern, wonach Vermieter:innen Schönheitsreparaturen wie etwa das regelmäßige Ausmalen, auf ihre Kosten vorzunehmen haben. In Deutschland ist das eine gesetzliche Vermieter:innenpflicht!
An dieser Stelle muss auch erwähnt werden, dass sich regelmäßige Mieterhöhungen durch Wertsicherungsklauseln sogar in solchen Mietverträgen finden, in denen die Vermieter:innen nicht einmal ihren gesetzlichen Erhaltungspflichten nachkommen wollen, diese ganz oder teilweise vertraglich ausschließen oder sogar auf die Mieterseite überwälzen.
Wertsicherung über den eigentlichen Wert hinaus; und das noch dazu rückwirkend?!
Indexvereinbarungen im nicht preisgeregelten Mietwohnungsmarkt können sogar dazu führen, dass Mieter:innen in laufenden Mietverhältnissen höhere Preise zahlen müssen, als für diese Wohnungen am freien Markt aktuell erzielbar sind.
Verschiedene Umstände können ja dazu führen, dass Wohnungen in einem bestimmten Vertragsjahr zu einem Mietzins vermietet werden konnten, welcher in den nächsten Jahren bei denselben/vergleichbaren Wohnungen am Markt nicht mehr erzielbar ist.
Trotz eines sinkenden, stagnierenden oder geringer als der VPI steigenden Mietenniveaus bei den Neuvermietungspreisen, zahlen Mieter:innen mit bestehenden Mietverträgen und „Wert“-Sicherungsklauseln dann sogar mehr, als die Wohnung im Neuvermietungsfall wirklich wert ist. Das ist nicht sachgerecht.
Die WKÖ bestätigt etwa anlässlich des Immobilienpreisspiegel 2024 „Mietzinsanpassungen deutlich unter Inflationsniveau“ und dass „die Mietpreisentwicklung … in ganz Österreich 2023 weit unter der Inflations- und Teuerungsrate blieb“. Freilich gilt das nur für neue Verträge. Hingegen „darf“ die Miete bei bestehenden Verträgen gemäß den von Vermieter:innen diktierten Indexklauseln über das aktuelle Marktniveau steigen?!
Zudem haben Mieter:innen oft nicht einmal die Möglichkeit, auf die Preissteigerungen in ihrem Vertrag rechtzeitig zu reagieren und vor einer Verteuerung bzw. in Reaktion auf eine Verteuerung auf ein günstigeres Alternativangebot am Markt umzusteigen. Vermieter:innen müssen nämlich die laut Vertrag möglichen Mietanhebungen nicht unmittelbar geltend machen, sondern können diese rückwirkend einfordern. Mieter:innen müssen dann – so die üblichen Indexklauseln – bis zu drei Jahre rückwirkend Mietzinserhöhungen „nachbezahlen“, die sogar das aktuell am Markt erzielbare Mietzinsniveau übersteigen. Solchen Indexvereinbarungen kann man meines Erachtens kein „legitimes“ Vermieterbedürfnis beimessen, sie sind gröblich benachteiligend.
Wann ist eine Mietzinsanhebung während des laufenden Mietvertrags sachlich gerechtfertigt?
Natürlich darf man bei einer Immobilie (im Vergleich etwa zu einer Wohnbauanleihe) nicht außer Acht lassen, dass mit einem Teil (!) der Hauptmietzinseinnahmen Erhaltungsmaßnahmen finanziert werden müssen. Jedenfalls in den Fällen, wo Vermieter:innen diese Kosten nicht auch noch extra auf Mieter:innen überwälzen. Für diesen Teil der Mietzahlungen ist eine Wertanpassung an die bei der Vermieter:innenseite dann aufschlagenden Kosten- bzw. Preissteigerungen sachgerecht.
In einer groben Durchschnittsbetrachtung fließen etwa ein Fünftel bis ein Sechstel der Hauptmietzinseinnahmen in Erhaltungsmaßnahmen. Eine Deckelung der Anhebung des gesamten Hauptmietzinses mit 2 % jährlich wäre wohl eine ausreichende Vorsorge für diese Kosten bzw Kostensteigerungen. Für Großinstandsetzungen muss man dabei beachten, dass die dafür aufgewendeten Kosten nicht binnen 10 oder 15 Jahre zu refinanzieren sind, sondern auf die erwartbare Lebensdauer der Maßnahmen.
Ein anderer Ansatz: Im Wohnungseigentumsgesetz ist ein gesetzliches Mindestmaß für die monatliche Dotierung der Rücklage für Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen mit derzeit 1,06 €/m² festgelegt; im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz liegt die Obergrenze des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages bei derzeit 2,33 €/m².
Zusammengefasst könnte man daraus auch die sachliche Begründung für eine gesetzliche Vorschrift dahingehend ableiten, dass die Verteuerungen der Mieten bei allen Mietverträgen folgendermaßen geregelt wird: Ein Teilbetrag des Hauptmietzinses in der Höhe von 2 €/m² darf sich jährlich mit der Veränderung des Baupreisindex verändern, jede andere/weitere Anpassung des Hautmietzinses ist aber unzulässig.