Trumps Zollkrieg: EU verpasst alle Chancen

30. Juli 2025

15 Prozent statt 30 Prozent – die Vertreter:innen der EU-Kommission versuchen angestrengt, das Abkommen mit den USA als Erfolg schönzureden. Die EU wird demnach zusätzlich unter anderem Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe in die USA tätigen, während im Vorfeld auch die Öffnung von Märkten und Abbau wichtiger Schutzstandards gefordert wurden. Nun heißt es stattdessen Zollfreiheit für viele US-Produkte, für die EU hingegen Zölle in Höhe von 15 bis 50 Prozent. Es ist höchste Zeit, dass die EU ihre Handelspolitik grundsätzlich überdenkt.

Was wollte Donald Trump, welche Auswirkungen hat das auf die EU

Mit dem mittlerweile berühmt-berüchtigten Sager aus dem Wahlkampf, Zölle seien das schönste Wort im Wörterbuch“, hat Donald Trump eine Abkehr seines Landes von der neoliberalen Globalisierung eingeleitet. Laut eigenen Aussagen versuche er damit, die ökonomische und politische Vormachtstellung der USA wiederherzustellen. Das geht auf Kosten anderer Weltregionen und besonders der lohnabhängigen Bevölkerung, wie nun beim Abkommen mit der EU deutlich wird. Welche Elemente genau Teil der Vereinbarung sind, ist aktuell entweder noch nicht final ausverhandelt oder wird der Öffentlichkeit bislang vorenthalten.

Was über das EU-USA-Abkommen und dessen Effekte bislang bekannt ist:

  • Die USA werden mehr Waren in die EU exportieren können bzw. die EU soll diese abkaufen (vor allem Energie/Flüssiggas, Waffen und Lebensmittel). Laut Berichten verpflichtet sich die EU unter anderem, fossile Energie im Wert von 750 Milliarden US-Dollar zu kaufen.
  • Weiters soll die EU Investitionen in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar in den USA tätigen. Wettbewerbspolitisch steuert die EU mit diesem Abkommen nun genau in die Gegenrichtung ihres Ziels, wieder selbst wettbewerbsfähiger zu werden, und schwächt sich dadurch selbst.
  • Die USA bekommen erhebliche Exporterleichterungen: Während zahlreiche US-Produkte wie Autos nun zollfrei in die EU exportiert werden können, müssen für EU-Produkte 15 Prozent Zoll bezahlt werden. Bei Stahl und Aluminium sind es sogar 50 Prozent.
  • Mit Blick auf EU-Umwelt- und -Klimaziele sowie Lebensmittelstandards ist von Verschlechterungen auszugehen.
  • Beschäftigungspolitisch ist für die Europäische Union mit deutlich negativen Effekten zu rechnen. Die EU braucht nun dringend einen Plan, die Jobs auf EU-Ebene zu sichern.

Was steht auf dem Spiel?

Mit Trumps Vorgehen hat sich das Recht des Stärkeren durchgesetzt, während demokratiepolitische Grundprinzipien immer mehr missachtet werden. Die längst überfällige sozial-ökologische Transformation wird damit erheblich gefährdet bzw. immer weiter nach hinten verschoben.

Das wird beispielsweise sichtbar am Thema Flüssiggas (LNG): Kauft die EU mehr US-amerikanisches LNG, senkt das die Notwendigkeit, das Energiesystem zu ökologisieren. Eine Anpassung der Standards für Lebensmittelimporte – beispielsweise das berühmte Chlorhühnchen – würde die Bemühungen, die lokale Landwirtschaft zu stärken und zu ökologisieren, genauso unterwandern. Auch die Abnahme von militärischen Gütern würde staatliche Ressourcen hin zu Aufrüstung und weg von Investitionen in soziale und ökologische Infrastrukturen lenken.

Diese Prozesse haben weitreichende Konsequenzen für den Alltag aller Menschen, die in der EU leben, und werden dennoch gerade mit dem Stempel „streng geheim“ hinter verschlossenen Türen verhandelt. Damit steigt die Gefahr, dass mittelfristig soziale Ungleichheit steigt, die Klimakrise sich zuspitzt und gleichzeitig Vertrauen und Partizipation in den europäischen Demokratien sinken.

Was macht die EU?

Die fehlenden Konzepte in der EU-Handelspolitik werden nicht nur im Umgang mit den USA sichtbar, sondern auch in der Geschwindigkeit, mit der nun andere Handelsabkommen abgeschlossen werden sollen. Allen voran das EU-Mercosur-Abkommen, andere wie EU-Indonesien oder EU-Mexiko reihen sich in diese Liste ein. Darüber hinaus werden in schnellstem Tempo Rohstoffpartnerschaften abgeschlossen, die die geopolitischen Interessen der EU absichern sollen. All diese Abkommen werden globale Ungleichheit, soziale Konflikte und die Klimakrise anheizen.

Österreich im Fahrwasser der EU-Politik

Österreich trägt bisher den EU-Kurs in der Handelspolitik mit, Minister Hattmannsdorfer zeigt sich erfreut über das Ende der Unsicherheit. Nicht erst Trumps Zollpolitik zeigt die Verletzlichkeit der neoliberalen Globalisierung auf: Eindrucksvoll haben uns Klimakrise, Corona-Pandemie und die Kriege der letzten Jahre klar vor Augen geführt, dass lange Lieferketten und globale Arbeitsteilung deutlich mehr Nachteile als Vorteile bringen können. Und letztlich ist Donald Trumps zweite Präsidentschaft selbst Konsequenz entfesselter Globalisierung, da er gekonnt die Unzufriedenheit in ehemaligen Industriehochburgen für sich nutzen kann – also in jenen Regionen, in denen die Industrie abgewandert ist, um im Rahmen der Globalisierung billiger im globalen Süden zu produzieren.

Gerade Österreich, dessen Exporte zu ca. zwei Dritteln in die EU gehen, müsste hier mit einer kritischen Haltung Teil einer progressiven Debatte um die zukünftige Ausrichtung der europäischen Handelspolitik sein.

Eine Wende mit zwei Säulen

Anstatt blind zu hoffen, zurück in eine neoliberale Beziehung mit den USA flüchten zu können, braucht die EU eine Kehrtwende in der Handelspolitik bestehend aus globaler Kooperation, Abkommen und Institutionen, verbunden mit sozialer, ökologischer und regional verbundener Wirtschaftspolitik.

Das Kernstück neuer Handelsbeziehungen muss globale Kooperation sein. Globaler Handel kann nur dann funktionieren, wenn er ein gutes Leben für alle fördert – und nicht wie bisher vor allem transnationale Konzerne davon profitieren. Ja, in Zeiten multipler Krisen sind starke internationale Beziehungen eine Stärke. Darum sollten sich Österreich und die EU bemühen. Unsere Kreativität sollte so weit reichen, tatsächliche Kooperationsabkommen abzuschließen und Zusammenarbeit nicht nur in Form von Handelsabkommen oder militärischen Bündnissen zu verstehen.

Die zentralen Leitfragen für solche Abkommen sollten daher lauten: Wie können demokratische Verhandlungsprozesse aussehen? Wie können wir gemeinsam Klimagerechtigkeit voranbringen? Was können wir tun, um gemeinsam Arbeits- und Menschenrechte entlang der Lieferkette zu schützen? Wie hilft das Abkommen zum Umstieg von fossiler auf erneuerbare Energie und Mobilitätssysteme? Wie hilft das Abkommen, gute Jobs zu schaffen?

Europas Wirtschaft regionalisieren

Eine wichtige Leitfrage für eine zukunftsfähige Handelspolitik lautet auch: Muss das global gehandelt werden oder geht es auch lokal?

Daher müsste sich die Kehrtwende auf eine zweite Säule, die soziale und ökologische Regionalisierung der europäischen Wirtschaft, stützen. Die gute Nachricht lautet, dass unter dem Stichwort des sozial-ökologischen Umbaus schon viele dieser Maßnahmen zur Diskussion stehen. So braucht es beispielsweise eine sozial-ökologische Energiewende (statt LNG aus den USA zu kaufen), eine sozial-ökologische Mobilitätswende (statt immer mehr Absatzmärkte für fossile Autos zu brauchen), einen Ausbau des Care-Sektors, eine Stärkung der öffentlichen Infrastruktur und lokale Kriterien für öffentliche Beschaffung (statt diese Sektoren für ausländische Firmen zu öffnen), bessere Bedingungen für kleinbäuerliche Landwirtschaft und Ernährungssouveränität (statt mehr Agrarprodukte aus der ganzen Welt zu importieren) – und bei all dem braucht es starke gewerkschaftliche und zivilgesellschaftliche Beteiligung in den Umgestaltungsprozessen.

Der Umbruch passiert jetzt

Trumps scheinbar erratische und in Wahrheit höchst gefährliche Zollpolitik, gepaart mit von der Leyens Liberalisierungswelle „Omnibus“, bringen gerade viele Umbrüche in Gang – und bei aller Gefahr müssen wir auch über mögliche Chancen nachdenken.

Donald Trumps Zollpolitik macht deutlich, wie viel für lohnabhängige Bevölkerungen auf der ganzen Welt gerade am Spiel steht. Vor zehn Jahren empörte sich fast ganz Österreich über das Chlorhühnchen und protestierte gegen TTIP – heute soll es still und heimlich von Trump gefordert und Ursula von der Leyen akzeptiert werden. Gemeinsam mit vielen gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren werden wir bei Anders Handeln uns weiterhin gegen neoliberale Handelspolitik und -abkommen und für eine gerechte Globalisierung einsetzen – stay tuned!


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