Lkw-Schwerverkehr: Warum verzichten wir auf die Transit-Entschädigung?

22. Oktober 2025

Abgase, Lärm, Klima: Der Lkw-Güterverkehr belastet Österreich stark. Welche Entschädigungen dafür verlangt werden können, regelt die EU-Wegekostenrichtlinie. Bislang lässt Österreich rund 650 Mio. Euro an Lkw-Maut liegen. Profiteur ist die Frächterlobby, Geschädigte die Bevölkerung. Um Mobilitätswende und Budgetkonsolidierung voranzubringen, muss dieses Geld endlich eingehoben werden.

Wie kommt Österreich an sein Geld?

In ihrer aktuellen Fassung erlaubt die EU-Wegekostenrichtlinie Zuschläge, die Österreich nicht ausschöpft. Insgesamt wären daraus 1,1 Mrd. Euro an Einnahmen möglich, um die hohe Belastung durch den Lkw-Güterverkehr auszugleichen. Davon verzichtet Österreich derzeit auf 650 Mio. Euro, begnügt sich also mit der Hälfte der vollen Entschädigung. Konkret geht es um CO2-Ausstoß (400 Mio. Euro), Lärm- und Luftverschmutzung in Gebrigsregionen (50 Mio. Euro) und einen Beitrag zur Querfinanzierung von Entlastungsprojekten (200 Mio. Euro), die über Lkw-Mautaufschläge auf der Autobahn zusätzlich noch eingehoben werden könnten.

Ausländische Lkw zahlen zu wenig Entschädigung

Zwei Drittel der Lkw-Maut stammen von Lkw mit ausländischen Kennzeichen. Das sind zum einen Transit-Lkw, die Österreich nur durchqueren. Dieser Transitverkehr ist bereits stärker als der Inlandsverkehr. Zum anderen stammen etliche Lkw mit ausländischem Kennzeichen von inländischen Firmen, die Tochterfirmen im Ausland gegründet haben, um von den dort schlechteren Löhnen und Arbeitsbedingungen zu profitieren. Diese übernehmen dabei zusätzliche Transporte, wenn beispielsweise ein polnischer Lkw nach einer Lieferung von Polen nach Wien weitere Frachtverkehre in Österreich durchführt. Eigentlich ist diese Kabotage in der EU streng begrenzt, wird jedoch in der Praxis nicht selten illegal betrieben. Viele heimische Betriebe verlieren so Aufträge. Bei Lkw mit ausländischen Kennzeichen ist eine höhere Entschädigung also gerechtfertigt. Die Folgen einer vollen Transit-Entschädigung sind für die österreichische Wirtschaft vernachlässigbar.

Keine Auswirkungen auf die Preise

Jeder Schritt zu mehr Kostenwahrheit wurde und wird von der Frächterlobby mit Angstpropaganda verteufelt. Demnach führe Lkw-Maut zu Inflation und höheren Lebensmittelpreisen im Supermarkt. Eine automatische Abwälzung der Kosten ist aber für Transporteure tatsächlich kaum durchführbar. Die Preissteigerungen haben sich noch nie bewahrheitet und sind auch rechnerisch kaum möglich. Dafür ist der Anteil der Transportkosten mit insgesamt drei Prozent am Endverbraucherpreis zu gering. Von den Transportkosten macht die Maut nur einen Bruchteil aus. Alle Lkw-Maut-Einführungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben gezeigt: Die Maut hat zu keiner messbaren Preissteigerung geführt.

Höhere Lkw-Maut mindert Transitlawine

Österreich und seine wunderbaren Bergregionen sind besonders vom Lkw-Transit betroffen. Rund 2,6 Mio. Lkw überqueren jährlich den Brenner-Korridor. Laut einer Studie der Tiroler Landesregierung hätten 60 Prozent eine kürzere Alternativroute über die Schweiz – nehmen diese aber nicht, weil die (Maut)kosten höher und die Kontrollen strenger sind. Würde auch Österreich die volle Transitentschädigung verlangen, wären der Brenner und die dort lebenden Menschen deutlich entlastet. Ein grundsätzliches Beharren auf Kostenwahrheit ist auch für die Verlagerung auf die Schiene notwendig. Andernfalls droht der Brenner-Basistunnel bei dessen Fertigstellung im Jahr 2032 nicht ausgelastet zu sein. Insbesondere Deutschland zeigt bis heute wenig Ambition, die nördliche Zulaufstrecke für das 10,5 Milliarden teure Projekt auszubauen.

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Halbherzige Kostenwahrheit in Rot-Weiß-Rot

Die wirtschaftlichen Effekte einer vollen Transitentschädigung sollten eigentlich kein Problem darstellen, wenn zwei Drittel davon von ausländischen Unternehmen entrichtet werden und die Kaufkraft in Österreich nicht darunter leidet. Trotzdem wird sie im österreichischen Regierungsprogramm nicht erwähnt, obwohl sie neue Spielräume durch ihre Verwendung und Lenkungswirkung schaffen würde. Die Entschädigung aus den beiden Mautaufschlägen für CO2-Ausstoß, Luftverschmutzung und Lärm fließen in den Bundeshaushalt und stehen sowohl für die Budgetkonsolidierung als auch die Mobilitätswende zur Verfügung. Nur der Beitrag zur Querfinanzierung muss EU-rechtlich zweckgewidmet zur Entlastung von stark befahrenen Autobahnabschnitten verwendet werden, in dem beispielsweise zusätzlicher öffentlicher Verkehr bereitgestellt wird.

Klimapolitisches Sorgenkind Lkw

Der Straßengüterverkehr ist ein bedeutender Faktor für die CO2-Emissionen in Österreich. Entgegen allen Klimazielen sind diese laut Umweltbundesamt zwischen 1990 und 2023 von 4 auf 6,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gestiegen. Für die Dekarbonisierung des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs sind jedoch auch Mautzuschläge notwendig. Ein großer Teil der rund sechs Millionen Lkw in Europa ist in wenigen Staaten wie Polen und Litauen zugelassen. Von dort aus bedienen sie den europäischen Binnenmarkt. Diese Staaten wollen die Kosten für Lkw niedrig halten und bremsen Investitionen in emissionsfreie Nutzfahrzeuge. Mit gestaffelten Mautaufschlägen, die klimafreundlichere Lkw begünstigen, können Staaten wie Österreich starke Anreize für die Antriebswende hin zur Elektromobilität setzen.

Warum keine Maut auch für Landes- und Gemeindestraßen?

Rund 110.000 Kilometer Landes- und Gemeindestraßen werden wenig verursachergerecht und ohne Auflagen über Bundessteuern finanziert. Die Folge ist der Verfall dieser Infrastruktur. Die verspätete Sanierung baufälliger Straßen kommt noch teurer. Das Beispiel der baufälligen Brücke in Mauthausen in Oberösterreich zeigt exemplarisch, wie die wirtschaftliche Entwicklung einer ganzen Region darunter leiden kann. Bedingt durch Planung und Genehmigungsverfahren wird es Jahre dauern, bis eine Donauquerung mit der Brücke für Pendler:innen und Wirtschaft zur Verfügung steht.


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Lkw schädigen die Straße enorm, denn die Abnutzung unserer Straßeninfrastruktur steigt mit dem Gewicht des Fahrzeugs exponentiell. Zur Veranschaulichung: Ein 26-Tonnen-Lkw mit drei Achsen schädigt die Straße so stark wie 25.000 Autofahrten. Eine fahrleistungsabhängige Lkw-Maut zum Betrieb und Erhalt dieser Infrastruktur wäre ebenso verursachergerecht wie auf der Schiene, wo sie bereits für jeden Kilometer entrichtet wird.

Der Vorstoß der burgenländischen Regierung ist daher zu begrüßen und könnte ein Einnahmenpotenzial von 500 Mio. Euro für die öffentliche Hand erschließen.

Klima, Anrainer und Finanzen mit Lkw-Maut schützen!

Die Transitentschädigung in Höhe von 650 Millionen Euro und die flächendeckende Lkw-Maut in Höhe von 500 Mio. sind mächtige Hebel für den Umbau unserer Wirtschaft. Sie tragen zur Antriebswende im Verkehr bei, entlasten die Bevölkerung und schwächen weder die heimische Wirtschaft noch die österreichische Kaufkraft. Eine fortschrittliche Politik darf dieses Potenzial nicht länger ungenutzt lassen, sondern muss es voll ausschöpfen.

Dieser Text basiert auf dem Artikel „Schwerverkehr und Lkw-Transit: Warum verzichtet Österreich auf seine Entschädigung“ von Franz Greil, der in der Zeitschrift „Wirtschaft & Umwelt“, Ausgabe 3/2025, erschienen ist.

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