Lkw-Maut: Bundesregierung lässt jährlich 700 Millionen für den Ausbau des nachhaltigen Verkehrs liegen

29. Januar 2024

Bei der Novellierung des Bundesstraßen-Mautgesetzes im Herbst 2023 hat sich die Frächter-Lobby wieder einmal voll durchgesetzt. Obwohl die EU erstmals CO2-Aufschläge erlaubt, nützt die österreichische Bundesregierung diese neuen Spielräume nicht voll aus. Somit bleiben jährlich 700 Millionen Euro an entgangenen Mauteinnahmen sprichwörtlich auf der Straße liegen und sind für die Bahn verloren. Dem Lkw-Transitverkehr durch Tirol wird damit der rote Teppich ausgerollt.

Worum gehtʼs?

Die EU-Wegekosten-Richtlinie regelt, wie eine Maut auf Autobahnen in Europa eingehoben wird. Der Güterverkehr erfolgt nämlich zum Großteil auf der Straße. Um den Güterverkehr umweltschonender zu machen, haben sich das Europäische Parlament und der Rat nach fünfjährigen Verhandlungen in der EU-Wegekosten-Richtlinie auf einen Kompromiss geeinigt, der erstmals einen CO2-Mautzuschlag sowie eine bessere Berücksichtigung von externen Kosten bei Luftverschmutzung und Lärm vorsieht. Mitgliedstaaten können so über Mauttarife den Umstieg auf klimafreundliche Lkw bzw. – durch fairere Wettbewerbsbedingungen – die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn forcieren. Mit den Aufschlägen sollen überdies nachhaltige Verkehrslösungen zur Entlastung von Autobahnen finanziert werden; also beispielsweise Bahnstrecken oder öffentliche Verkehrsmittel ausbauen. Im Endeffekt soll damit der Verkehrssektor klimafreundlicher werden.

Einnahmen aus Mautaufschlägen für CO2, Luftverschmutzung und Lärm verbleiben nicht beim Autobahnbetreiber, sondern fließen in den Bundeshaushalt. Die ASFINAG hebt derzeit rund 50 Millionen Euro bei externen Kosten für Lärm und Luftverschmutzung für den Bund ein, die zweckgewidmet für den öffentlichen Nahverkehr ausgegeben werden. Die neue Wegekosten-Richtlinie erlaubt erstmals, dass ein CO2-Mautaufschlag für Lkw (bis zu 200 Euro pro Tonne CO2) eingehoben werden kann. Deutschland nützt diese Möglichkeit seit 1. Dezember 2023 maximal aus. Konkret heißt dies, dass dort beispielsweise ein Lkw mit vier Achsen und gängiger Abgasnorm (Euro VI) knapp 16 Cent pro Kilometer an Maut entrichten muss. Laut AK-Berechnungen ergäbe ein solcher CO2-Mautaufschlag in Österreich Mauteinnahmen von 580 Millionen Euro pro Jahr, ein volles Ausschöpfen des Handlungsspielraums bei externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärm könnte weitere 120 Millionen Euro bringen.

Lkw-Transitlawine statt Güter auf die Schiene?

Diese neuen Mautzuschläge könnten auch zur verkehrspolitischen Steuerung eingesetzt werden. Rund 60 Prozent von jährlich 2,6 Millionen Lkw-Fahrten über die Brenner-Autobahn müssten laut Gutachten der Tiroler Landesregierung eigentlich durch die Schweiz erfolgen. Sie fahren aber durch Tirol, weil vor allem die Mautkosten niedriger sind. Für eine weitere Verringerung der Transitfahrten müssen allerdings auch der „Tanktourismus“ durch Lkw (der Dieselpreis ist in Österreich niedriger als in den benachbarten EU-Staaten) und effizientere Schwerverkehrskontrollen in Angriff genommen werden. Auch der Schienengüterverkehr wird durch diese unfaire Bevorzugung des Lkw-Verkehrs geschwächt.

Die Frächter-Lobby hat gewonnen

Die jüngste Novelle zum Bundesstraßen-Mautgesetz hat diese EU-Bestimmungen halbherzig umgesetzt. Die Regierungsparteien haben sich im August auf einen Kompromiss verständigt. Konkret steigt der CO2-Mautaufschlag für einen Lkw mit vier Achsen und der Abgasnorm Euro VI bis 2026 von knapp 4 auf 9 Cent. Für die Jahre ab 2027 werden überhaupt keine CO2-Mautaufschläge festgelegt. Der verbesserte unionsrechtliche Handlungsspielraum bei den externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärm wird auch nicht ausgenützt. Dieses Nicht-Ausnützen des Mautpotenzials bei CO2, Lärm und Luftverschmutzung sowie die Nichtvalorisierung im nächsten Jahr führt bis 2026 zu einem Einnahmenausfall von jährlich rund 700 Millionen Euro. Inflationsbereinigt sinken auf allen Autobahnstrecken die Lkw-Mauttarife. Die Frächter-Lobby hat sich hier auf ganzer Linie durchgesetzt! Deshalb protestierten am 26. Jänner 2024 Umweltschützer:innen gemeinsam mit der Gewerkschaft vida vor der Wirtschaftskammer gegen deren unrühmliche Rolle, die sie hier gespielt hat.

Es geht auch anders: Die Kampagne „Unsere Bahnen“ setzt sich zum Ziel, die Eisenbahn als Rückgrat der längst fälligen Mobilitätswende zu etablieren – sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. „Unsere Bahnen“ wurde initiiert von der Gewerkschaft vida und der Arbeiterkammer Wien.

Ironie am Rande: Österreich stimmte im EU-Ministerrat gegen den Kompromiss der Wegekosten-Richtlinie, weil es die Mautaufschläge („Bergaufschlag“) als unzureichend ansah und die Richtlinie das Transitproblem in Tirol nicht entschärfe!

Bahn statt Lkw: 3 konkrete Vorschläge

  1. Der Schwerverkehr auf Autobahnen hat einen fairen Beitrag zur Klimawende zu leisten. Der unionsrechtliche Spielraum bei Mautaufschlägen zu CO2, Lärm und Luftverschmutzung sollte vollständig ausgenützt werden. Die Bundesregierung darf kein Geld an Unternehmen verschenken, zumal diese mehrheitlich ihren Sitz außerhalb von Österreich haben sowie schlechte Arbeits- und Lohnbedingungen aufweisen.
  2. Mehreinnahmen aus diesen Mautaufschlägen sollen öffentliche Budgets entlasten und für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs verwendet werden.
  3. Jeder Cent mehr bei der Lkw-Maut macht den Transit durch Österreich weniger attraktiv. Eine konsequente Verlagerungspolitik muss jedoch weitere Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören insbesondere effektivere Straßen-Schwerverkehrskontrollen, ein Ausbau der Vorlaufstrecken für den Brenner-Basistunnel in Deutschland und Italien. Lkw-Fahrbeschränkungen sollten der Verkehrssicherheit und Umwelt dienen. Die gleiche Besteuerung von Diesel und Benzin im Hinblick auf ihre CO2-Emissionen, die die Kommission vorgeschlagen hat (= Aufhebung des Dieselprivilegs), würde darüber hinaus Lkw-Umwegverkehre durch Tirol reduzieren.

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