Richtungswechsel beim Gender Pay Gap? Was dahinter­steckt

31. Oktober 2025

Am 2. November ist der letzte Ferientag. Wenn Österreichs Frauen danach wieder arbeiten gehen, dann machen sie dies bis zum Ende des Jahres statistisch gesehen „gratis“. Denn Geschlechtergleichheit beim Einkommen ist in Österreich noch immer nicht erreicht. Während sich die Einkommenslücke in Österreich insgesamt leicht verringert hat, zeigt sich in der Bundeshauptstadt ein entgegengesetzter Trend. Was steckt dahinter?

Am 2. November ist Equal Pay Day!

16,3 Prozent beträgt der Gender Pay Gap 2025 (berechnet auf Basis der letztverfügbaren Lohnsteuerstatistik 2023) in Österreich. Das heißt, dass Frauen im Schnitt um 10.323 Euro weniger verdienen als Männer – und das trotz Vollzeit! Aufs Jahr umgelegt bedeutet diese Differenz, dass rein rechnerisch Frauen in Österreich ab dem 2. November die restlichen 60 Tage des Jahres „gratis“ arbeiten gehen. An diesem Tag wird daher der Equal Pay Day (EPD) begangen. Verkleinert hat sich der Gender Pay Gap gegenüber dem Vorjahr um nur 0,3 Prozentpunkte. Auf Ebene der Bundesländer fallen die Equal Pay Days aufgrund der stark variierenden Einkommensdifferenzen höchst unterschiedlich aus, wobei ein klares Ost-West-Gefälle ersichtlich wird: Im westlichsten Bundesland Vorarlberg ist der EPD bereits am 10. Oktober, mit einem Abstand bei den Frauen- und Männereinkommen von 22,7 Prozent. Und im östlichen Bundesland Wien, mit seiner geringeren Differenz von elf Prozent, datiert der EPD erst am 22. November.

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Wien: Gap hat sich vergrößert

Im Vorjahresvergleich hat sich der EPD überall geringfügig verkleinert – außer in der Bundeshauptstadt. Dort hat sich der Gender Pay Gap marginal um 0,16 Prozentpunkte ausgeweitet (Einkommensvergleich basiert auf den Lohnsteuerstatistiken 2022 und 2023 von Statistik Austria). In den restlichen Bundesländern hat er sich verringert: von gerade mal 0,16 Prozentpunkten in Salzburg bis zu 0,96 Prozentpunkten in Tirol.

Ursachen für Veränderungen

Hintergrund der Verringerung des Gender Pay Gaps insgesamt ist vor allem ein kräftiger Beschäftigungszuwachs bei den Frauen in gut bezahlten „Männerbranchen“: Bei der gut bezahlten Herstellung von Waren wuchs in Österreich die Frauenbeschäftigung (+2,2%) insgesamt doppelt so stark wie bei den Männern (+1,1%). Im Bereich der Energieversorgung, mit besonders hohen Verdienstmöglichkeiten, stieg die Frauenbeschäftigung sogar um 10,3 Prozent an, während Männer nur ein Plus von 3,7 Prozent verzeichneten. Anders verhielt es sich in Wien, wo das Beschäftigungsplus bei den Frauen (+1,7%) in der Herstellung von Waren geringer ausfiel als bei den Männern (+2,2%).

Und in der niedrig bezahlten, „frauenassoziierten“ Gastronomie und Beherbergung gibt es für das gesamte Bundesgebiet einen stärkeren Zuwachs der Männerbeschäftigung (+4,6%) im Vergleich zur Frauenbeschäftigung (+2,3%). Anders verhielt es sich in Wien, wo die Beschäftigung in der Gastronomie relativ stärker bei den Frauen anstieg (+7%) als bei den Männern (+6%).

Wichtig ist festzuhalten, dass durch diese Beschäftigungseffekte der Gender Pay Gap in Wien lediglich minimalst anstieg (nämlich um nur 0,16 Prozentpunkte) und der Gender Pay Gap in Wien mit „nur“ 11 Prozent mit sehr großem Abstand der niedrigste in Österreich bleibt.


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Die Branche macht den Unterschied

Ein genauerer Blick in zwei Beispielbranchen verdeutlicht die oben dargestellten Effekte:

  • Im Wirtschaftsbereich Herstellung von Waren sind drei Viertel der Beschäftigten Männer. Rechnet man die Teilzeitbeschäftigten heraus, so sind laut Lohnsteuerstatistik im Jahr 2023 sogar nur 19 Prozent der Beschäftigten Frauen. Das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen liegt hier bei rund 57.053 Euro.

  • Der Wirtschaftsbereich Beherbergung und Gastronomie beschäftigt zu 55 Prozent Frauen. Rechnet man die Teilzeitbeschäftigten heraus, so ist der Frauenanteil mit knapp 47 Prozent im Jahre 2023 immer noch deutlich höher als bei der Warenherstellung. Mit einem durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen von rund 32.673 Euro für ganzjährig Vollzeitbeschäftigte ist diese Branche jene mit dem niedrigsten Einkommen. Gleichzeitig ist der Gender Pay Gap in dieser niedrig bezahlten Branche mit knapp 11 Prozent deutlich geringer als in der Warenherstellung.

Die niedrigere Bezahlung in Branchen mit höherem Frauenanteil unter den Beschäftigten im Vergleich zu männerdominierten Branchen schlägt sich im gesamten Gender Pay Gap nieder, da Frauen deutlich häufiger für Vollzeitarbeit niedrigere Entgelte erhalten als Männer.

Branchenunterschiede

ganzjährige Vollzeit 2023Frauenanteil an BranchenbeschäftigungDurchschnittliche Bruttojahreseinkommen
MännerFrauenGender Pay Gap
Herstellung von Waren18,9%63.52250.01521,3%
Beherbergung und Gastronomie46,7%36.98933.10710,5%

Quelle: Statistik Austria, Lohnsteuerstatistik 2023, StatCub, Beschäftigungsausmaß und Geschlecht nach Wirtschaftsbereich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Berechnung AK Wien auf Basis der durchschnittlichen Bruttojahresbezüge der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer:innen in den Wirtschaftsbereichen Herstellung von Waren sowie Beherbergung und Gastronomie

Die Auswirkungen der unterschiedlichen Beschäftigungsentwicklungen in den beiden Branchen in Wien und dem restlichen Bundesgebiet auf den Gender Pay Gap machen deutlich, wie wichtig eine umfassende Betrachtung frauen- und männerdominierter Branchen hinsichtlich einer den Anforderungen und der gesellschaftlichen Relevanz entsprechenden Bezahlung ist.

Laut Statistik Austria „erklärt“ der Faktor Branche im Übrigen rund 17,5 Prozent des Gender Pay Gaps und ist somit der größte „erklärbare“ Faktor. Der größte Teil des Gender Pay Gaps ist mit zwei Drittel aber nicht erklärbar und dürfte auf den Faktor Geschlecht zurückzuführen sein, was auf eine weite Verbreitung der verbotenen Diskriminierung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts hindeutet. Erfreulich: Durch die bevorstehende Umsetzung der Lohntransparenz NEU durch Österreich bis Mitte 2026 gibt es Hoffnung, dass mehr Transparenz künftig zu mehr Fairness und Gerechtigkeit beim Einkommen führt.

Equal Pay jetzt!

Um gleichen Lohn für gleiche Arbeit – eine Forderung, die Frauen in Österreich bereits über 100 Jahre auf die Straßen tragen – umzusetzen, braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel:

  • Allem voran braucht es die Umsetzung der Lohntransparenz NEU, um Betroffenen von Einkommensdiskriminierung überhaupt zu ermöglichen, Kenntnis davon zu bekommen und sich in der Folge auch wehren zu können.
  • Umfassende Aufwertung von frauendominierten Branchen durch faire Bewertung von Arbeit durch mehr gewerkschaftliche Mitbestimmung.
  • Die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt bekämpfen durch gezielte Förderung von Gleichstellung und Diversität: Wir brauchen mehr Frauen in der Technik und mehr Männer in Care-Berufen!
  • Gerechte FAIRteilung der Elternkarenz – damit Frauen nicht alleine die beruflichen Nachteile von langen Erwerbsunterbrechungen in ihren Einkommensverläufen tragen müssen!
  • Vollzeit für beide Elternteile ermöglichen: Eltern brauchen Rahmenbedingungen bei der Kinderbildung und -betreuung, die ihnen ermöglichen, uneingeschränkt Vollzeit arbeiten zu gehen. Dazu brauchen wir auch endlich einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungs- und -betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag, aber auch ein flächendeckendes Angebot leistbarer, mobiler und stationärer Pflegeangebote.
  •  „Gesunde Vollzeit“ – eine verkürzte, gesunde Vollzeitnorm kann dazu beitragen, bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen den Geschlechtern zu FAIRteilen.
  • Bessere Daten helfen Licht ins Dunkel zu bringen – durch Erhebungen auf Stundenbasis wie bei der Verdienststrukturerhebung in kürzeren Abständen. Bessere Daten verspricht auch die Umsetzung der Lohntransparenz NEU.
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