Kurz vor der Sommerpause hat die EU-Kommission ihre Pläne für die EU-Budgets von 2028 bis 2034 präsentiert. Die Mittel für Wettbewerbsaspekte und die Verteidigung sollen erheblich erhöht werden. Im Bereich der Sozial- und Beschäftigungspolitik drohen hingegen starke Kürzungen. Bis zum Abschluss der Verhandlungen 2027 sind noch wesentliche Verbesserungen vor allem für jene notwendig, die am meisten zum EU-Budget beitragen: die europäischen Arbeitnehmer:innen.
Die Grundlagen des EU-Budgets
Das EU-Budget ist mit einem künftigen Volumen von bis zu 1,26 Prozent des EU-BIPs zwar nur ein kleiner, aber relevanter werdender Teil der öffentlichen Haushalte. Momentan ist der europäische Haushalt ein fast reiner Transferhaushalt, der eng mit den öffentlichen Haushalten der Mitgliedstaaten verschränkt ist. Die beiden Schwerpunkte mit je circa einem Drittel der Ausgaben stellen bislang erstens die Förderungen für die Landwirtschaft und zweitens jene für die Stärkung schwacher Regionen und europäische Zusammenarbeit dar.
Die Grundzüge des EU-Budgets werden immer für sieben Jahre beschlossen, zuletzt mitten in der Pandemie für die Jahre 2021–2027. Dieser Beschluss brachte die wesentliche Neuerung, dass zusätzlich ein eigener, auf diese Periode befristeter Krisenfonds mit Investitionsfokus – die sogenannte Recovery and Resilience Facility (RRF) – eingerichtet wurde, der das Volumen markant erhöhte.
So weitgehend erfolgreich der Fonds auch war, erschwert er nun die Verhandlungen: Zum einen fehlen die Mittel für weitere Zukunftsinvestitionen, zum anderen schmälern die Rückzahlungen das effektive Volumen des neuen Rahmenplans 2028–2034. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts nach wie vor großer Herausforderungen der grünen und digitalen Transformation ist auch in dieser Finanzperiode eine Form von RRF unerlässlich. So wäre es auch möglich, die leidige „Nettozahler“-Debatte zu entschärfen, weil dann alle Länder zusätzliche Mittel von der europäischen Ebene bekämen.
Mögliche Eckpunkte des mittelfristigen Finanzrahmens 2028–2034
Diese führt direkt zur ersten Weiche, die mit dem neuen Finanzrahmen gestellt werden sollte: Einnahmenseitig sollte der die letzten Jahrzehnte stetig gewachsene Anteil nationaler Beiträge aus dem allgemeinen Steueraufkommen wieder reduziert werden. Das wäre ein wesentliches Interesse der europäischen Arbeitnehmer:innen, die aufgrund der hohen Besteuerung des Faktors Arbeit in praktisch allen Mitgliedstaaten am meisten dazu beitragen und praktisch immer „Nettozahler:innen“ sind. Das kann gelingen, wenn gezielt Beiträge direkt von der EU eingehoben werden, beispielsweise eine CO2-Steuer auf Importe in die EU, eine Finanztransaktionssteuer oder ein EU-Anteil an der Körperschaftsteuer, um den primär EU-internen Steuerwettbewerb nach unten einzudämmen.
Ausgabenseitig gilt es langfristig den europäischen Mehrwert zu stärken, indem die Mittel in EU-Schwerpunkte (wie den sozial-ökologischen Umbau), Investitionen in europäische öffentliche Güter (wie die wichtigsten grenzüberschreitenden Bahnverbindungen oder Energienetze) sowie die soziale und wirtschaftliche Stabilisierung (wie zuletzt die RRF) fließen. Gleichzeitig gilt es bestehende Förderungen nicht automatisch fortzuschreiben, sondern auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen und zu priorisieren – allen voran die historisch gewachsenen Agrarförderungen, die dann in Ländern mit relativ hohen Rückzahlungen auch die nationalen Förderregime versteinern lassen (man will ja „kein Geld in Brüssel liegen lassen“).
Kommissionsvorschlag: starker Fokus auf Wettbewerb und Sicherheit
Demgegenüber fokussiert die EU-Kommission in ihrer Planung der EU-Haushalte für die nächsten sieben Jahre ab 2028, für die gesamt 2 Billionen Euro vorgesehen sind, besonders auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Verteidigung. Bei einem näheren Blick auf das Budget zeigt sich jedoch schnell, dass eine Reihe altbekannter Fördertöpfe unter dem Motto „Wettbewerbsfähigkeit“ wiederzufinden ist: das Forschungsprogramm Horizont Europa (175 Mrd. Euro), Mittel für die Digitalisierung (55 Mrd. Euro) und den Übergang auf saubere Energie und Dekarbonisierung inkl. Innovationsfonds (67 Mrd. Euro). Auch das Bildungsprogramm Erasmus+ (40 Mrd. Euro) sowie das EU-Verkehrs- und Energieprogramm Connecting Europe (81 Mrd. Euro) werden fortgesetzt. Neben den bekannten Förderprogrammen gibt es jedoch auch eine neue Initiative zur Förderung von Schlüsseltechnologien im Gesundheits-, Landwirtschafts-, Bioökonomie und Biotechnologiebereich, die mit mehr als 22 Mrd. Euro dotiert ist.
Bei den meisten dieser Programme schlägt die Kommission deutliche Mittelerhöhungen im Vergleich zum laufenden EU-Haushaltsrahmen vor. So beispielsweise eine rund 50-prozentige Erhöhung bei Erasmus+, 2,4-mal so viel Geld für Connecting Europe oder eine 75-prozentige Erhöhung für das Forschungsprogramm Horizon Europe. Die angekündigten Mittel haben vor allem einen positiven Effekt auf Investitionen in die Infrastruktur und bei Maßnahmen gegen die Klimakrise, was grundsätzlich zu begrüßen ist.
Mittel für Verteidigung sollen mehr als verfünffacht werden
Was in der neuen Haushaltskategorie zur Wettbewerbsfähigkeit aber besonders hervorsticht, ist eine massive Aufstockung der Mittel für Verteidigung: 131 Mrd. Euro sind direkt für die Sicherheit, die Rüstungsindustrie und Weltraumtechnologie vorgesehen. Das Militärbudget wurde damit verfünffacht. Zu diesen Geldern kommen insbesondere noch weitere Mittel aus der Connecting-Europe-Fazilität hinzu: Mehr als 17 Mrd. des 81 Mrd. Euro umfassenden Budgets sollen für militärische Mobilität reserviert werden, wobei die Abgrenzung zu ziviler Mobilität noch offen ist. Eine Verzehnfachung der bisher für diesen Zweck geplanten Gelder. Ergänzend werden auch noch Mittel für Forschung im Rüstungsbereich kommen, die aber noch nicht näher benannt werden.
Diese massive Mittelerhöhung für das Verteidigungsbudget ist ein kritischer Punkt. Wenn sie so kommt, wird das zwangsläufig zu relativen Kürzungen für soziale und ökologische Ziele führen – sofern das Gesamtbudgetvolumen nicht wesentlich erweitert wird.
Bleibt die Sozialpolitik auf der Strecke?
So gibt es im Kommissionsvorschlag erhebliche Änderungen bei den bisher gewichtigsten Fonds, dem Kohäsions- und Regionalpolitikfonds, damit verbunden auch beim Europäischen Sozialfonds, im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Entwicklung des ländlichen Raums.
Diese Politikbereiche sollen künftig gemeinsam in einem nationalen und regionalen Partnerschaftsplan (NRPP) abgehandelt werden. Dieser Plan hat ein Volumen von 865 Mrd. Euro, was unter Berücksichtigung der Inflation in etwa dem Stand des aktuellen EU-Finanzrahmens entspricht. Bei der Aufteilung der Mittel auf die einzelnen Politikfelder zeigt sich die EU-Kommission vordergründig flexibel: Die EU-Mitgliedsländer könnten selbst über die Aufteilung der Gelder in den einzelnen Bereichen entscheiden. Tatsächlich legt die EU-Behörde aber von vornherein fest, dass mindestens 300 Mrd. Euro für Direktzahlungen an Landwirtschaftsbetriebe, 450 Mrd. Euro für die Kohäsions- und Regionalpolitik (davon für die am wenigsten entwickelten Regionen 218 Mrd. Euro) und für das „Europäische Sozialmodell“ zumindest 100 Mrd. Euro zur Verfügung stehen müssen. Hinzu kommen noch 34 Mrd. Euro für das EU-Grenzmanagement und 50 Mrd. Euro für den Klimasozialfonds. Zur freien Verteilung bleibt mit diesen Vorgaben der EU-Kommission jedoch so gut wie nichts übrig.
Trotz wachsender Herausforderungen bei der Aus- und Weiterbildung, der Deckung des Fachkräftebedarfs, leistbarem städtischem Wohnraum und der erfolglosen Versuche, die anhaltend große Zahl an armutsbedrohten Menschen sowie die Defizite bei der Gleichstellung der Geschlechter zu reduzieren, werden EU-Mittel zur Stärkung des Europäischen Sozialmodells deutlich gekürzt. Der Europäische Sozialfonds Plus (ESF+) soll als eigenständiger Fonds abgeschafft werden. Stattdessen sollen 14 Prozent des NRPP – also 100 Mrd. Euro – in soziale Investitionen fließen. Allerdings enthält diese Summe nicht nur Zuschüsse, sondern auch Kredite, sodass effektiv sogar nur 72 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Das wäre selbst nominell eine massive Kürzung gegenüber dem bisherigen ESF+, der in der derzeit laufenden Finanzperiode mit 96 Mrd. Euro (zu Preisen von 2024) dotiert war, die angesichts der angespannten Wirtschafts- und Haushaltssituation in vielen EU-Ländern wohl kaum national kompensiert werden dürfte.
EU-Gelder nur bei der Umsetzung von „Reformen“
Schlicht sinnbefreit ist der Vorschlag der Kommission, die Freigabe von EU-Geldern an EU-Mitgliedsstaaten an die Erfüllung von Meilensteinen zu knüpfen, die mit den Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters verbunden sind. Damit werden die „Empfehlungen“ zu einem zwanghaften Instrument, das möglicherweise nicht im Interesse der Mitgliedsländer steht, beziehungsweise sogar kontraproduktiv ist. Reformen beispielsweise im Gesundheitssektor oder bei Pensionen könnten eingefordert werden, die jedoch die Lebenssituation der Bevölkerung verschlechtern könnten. Obwohl die Kommission seit einiger Zeit beteuert, gegen Bürokratie vorgehen zu wollen, wäre gerade diese Maßnahme ein reines Bürokratiemonster: Bei den Geldern aus dem EU-Konjunkturprogramm NextGenerationEU hat Österreich erst jetzt Förderungen über 1,6 Mrd. Euro erhalten, obwohl bereits vor mehr als einem Jahr ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Vorher mussten neben Maßnahmen zur Erreichung von Klimazielen auch Zusagen zu Reformen bei Pensionen gemacht werden. Es ist daher sehr zu hoffen, dass sich diese Idee der EU-Kommission in den Verhandlungen nicht durchsetzt und von den Staatschef:innen und Finanzminister:innen gestrichen wird.
Krisenmechanismus für unvorhergesehene Notfälle
Komplettiert wird der EU-Budgetvorschlag mit rund 215 Mrd. Euro für die EU-Außenpolitik (Global Europe), in der EU-Vorbeitrittshilfen genauso wiederzufinden sind wie Förderprogramme für Drittstaaten und rund 118 Mrd. Euro für die EU-Verwaltung.
Die Europäische Kommission möchte sich auch noch eine Tür für Krisenfälle offenhalten: Bis zu 395 Mrd. Euro sollen im Rahmen eines Krisenmechanismus außerhalb des normalen EU-Budgetrahmens zur Verfügung stehen.
Welche Auswirkungen wären für Österreich zu erwarten?
Die EU-Kommission hat für den NRPP Angaben gemacht, wie viel Gelder die einzelnen EU-Länder erwarten können. Für Österreich sind 10,7 Mrd. Euro an Förderungen aus diesem Partnerschaftsplan vorgesehen. In dieser Finanzperiode sind es 9,8 Mrd. Euro aus ähnlichen Positionen. Damit blieben die Rückflüsse aus dem EU-Budget relativ konstant – sofern sich die EU-Staaten nicht noch auf ein niedrigeres Budgetvolumen einigen werden, womit allerdings zu rechnen ist. Rabatte auf EU-Mitgliedsbeiträge sieht die Kommission im Gegensatz zum laufenden EU-Finanzrahmen nicht vor.
In welchem Umfang österreichische Organisationen und Unternehmen Gelder aus der neuen Wettbewerbs-Haushaltsrubrik abrufen können, lässt sich noch nicht beziffern. In Bereichen wie der Gesundheitspolitik, der Bioökonomie und der Satellitentechnologie könnten angesichts der heimischen Branchenstruktur überdurchschnittlich viel Geld fließen.
Ausblick
Die Verhandlungen zum Rahmen für die EU-Budgets bis 2034 stehen noch am Anfang. Für die europäischen Arbeitnehmer:innen ist der bisherige Entwurf ernüchternd.
Einnahmenseitig sind neue EU-Eigenmittel wie eine EU-Finanztransaktionssteuer, eine Kerosinsteuer oder eine Steuer für große Digitalkonzerne zwar in Diskussion, aber eine Einigung darauf dürfte fast noch schwieriger sein, als sich auf den neuen EU-Finanzrahmen ab 2028 zu verständigen.
Ausgabenseitig ist wenig Spezifisches in den Vorschlägen enthalten, beschäftigungs- und sozialpolitische Kürzungen drohen. Zusätzliche Investitionen in die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen fehlen. Für erheblichen weiteren Gesprächsbedarf auf europäischer Ebene ist also gesorgt.