Unternehmen verursachen jährlich 600 bis 700 Millionen Euro Kosten in der Arbeitslosenversicherung durch „Zwischenparken“ von Beschäftigten. Betroffene müssen sich beim Arbeitsmarktservice (AMS) melden, verlieren einen großen Teil ihres Einkommens und in der Folge „gute“ Versicherungszeiten für die Pension. Diese Praxis hebt die Arbeitslosenquote um rund einen Prozentpunkt. Höchste Zeit, dass hier die Arbeitsmarktpolitik aktiv eingreift.
Aktuelle Studie zeigt große Dimension des Themas
Eine aktuelle Studie des WIFO im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich unter dem Titel „Wenn Beschäftigung pausiert – Temporäre Layoffs in Österreich“ zeigt das Ausmaß und die großen Folgen dieser Praxis vieler Unternehmen, quer durch alle Branchen:
- Wiedereinstellungen nach vorübergehender Arbeitslosigkeit betreffen in Österreich mehr als 10 Prozent – also über 200.000 – aller Beschäftigungsaufnahmen.
- Bei jeder achten „Neueinstellung“ handelt es sich tatsächlich um eine Rückkehr der Arbeitnehmer:innen zum selben Betrieb nach spätestens einem Jahr.
- Diese „Zwischenpark“-Praxis nutzen alle Branchen, auch abseits von Saisoneffekten.
- Diese temporären Layoffs verursachen rund einen Prozentpunkt der Arbeitslosenquote in Österreich.
- Die verursachten Kosten belaufen sich auf 600 bis 700 Millionen Euro in der Arbeitslosenversicherung.
- Unternehmen müssen keinerlei Kompensationskosten übernehmen, ersparen sich vielmehr in der Zeit der Nichtbeschäftigung sämtliche Einkommenskosten – also noch deutlich mehr als die 700 Millionen Euro.
- Die Betroffenen erleiden hohe Einkommensverluste durch die niedrige Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld und verlassen diese Wiedereinstellungsschleifen selten; Vermittlung auf stabilere Arbeitsplätze erfolgt kaum, wodurch Betriebe auch nicht fürchten müssen, diese Arbeitskräfte zu verlieren.
- Während der „Zwischenparkphase“ wird seitens des AMS sehr wenig in die Betroffenen investiert, Schulungen und Weiterbildungen finden kaum statt.
Hohe Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit
Ein Zitat aus der Studie, das die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Thema nochmals unterstreicht: „Obwohl temporäre Layoffs wesentlich zur Arbeitslosigkeit beitragen, sind sie bisher ein blinder Fleck im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs.“ Dabei machen auch kurze Unterbrechungen (bis zu maximal 3 Monate), die also vielfach nicht auf Saisoneffekte geschoben werden können oder gut innerbetrieblich überbrückt werden könnten, bereits mehr als die Hälfte aller Layoffs aus. Sie heben die Arbeitslosenquote um einen halben Prozentpunkt an.
Unternehmen aus allen Branchen betreiben dieses „Fire and Hire“
Arbeitsverhältnisse „zwischenparken“ – also vorübergehend auflösen mit Wiedereinstellungszusage – finden in der Bauwirtschaft und im Tourismus besonders oft statt – dort ist sicherlich ein Teil auf Saisonunterbrechungen zurückzuführen. Hier wäre es an der Zeit, vermehrt Modelle zu entwickeln, wie diese anders überbrückt werden können. Gerade im Bauwesen gibt es auf Druck der Gewerkschaft auch Bemühungen dazu. Trotzdem gibt es auch in diesen Branchen zahlreiche kurze – saisonunabhängige – Unterbrechungen, die ein Abwälzen des Unternehmensrisikos auf Kosten der Beschäftigten und der Allgemeinheit darstellen. Andere Betriebe, die diese Vorgehensweise nicht wählen, erleiden dadurch einen Wettbewerbsnachteil und müssen obendrein mit ihrem korrekten Vorgehen diese Betriebe auch noch querfinanzieren.
In der Arbeitskräfteüberlassung wird noch offensichtlicher, dass diese Praxis ein Geschäftsmodell darstellt – hier ist der Anteil der kurzen Unterbrechungen verhältnismäßig höher. Dieses Vorgehen entspricht absolut nicht der Idee der rechtlichen Konstruktion der Arbeitskräfteüberlassung und den kollektiven Regelungen dazu. Hier wird die Abhängigkeit der Betroffenen bewusst ausgenutzt.
Diese Hire&Fire-Kosten werden vergesellschaftet – also in die Arbeitslosenversicherung verschoben. Die Profite aber bleiben in den Unternehmen und werden sogar noch maximiert. In allen Branchen sind Unternehmen zu finden, die diese für Beschäftigte und die Allgemeinheit kostspielige Praxis wählen.
Statt wegzuschauen Verursacherprinzip einführen
Um die Versichertengemeinschaft von dieser Kostenabwälzung mancher Betriebe zu entlasten, gibt es schon lange eine Diskussion über ein sogenanntes „Experience Rating“ (siehe dazu u. a. auch WIFO). Ziel dieser verschiedenen Ansätze ist, die Verursacher hoher Kosten durch Abwälzen des Unternehmensrisikos in der Arbeitslosenversicherung an diesen Kosten wirksam zu beteiligen. Dadurch gäbe es einerseits mehr Einnahmen in der Arbeitslosenversicherung – Geld, das in Zeiten knapper Kassen dringend für aktive Arbeitsmarktpolitik gebraucht wird. Andererseits würden v. a. kurze Unterbrechungen deutlich weniger lukrativ, weil sie sich nicht mehr rentieren und somit eine durchgängige Beschäftigung wahrscheinlicher wird.
Und schlussendlich käme es zu mehr Gerechtigkeit im System: Beschäftigte, die ein Arbeitsverhältnis kündigen oder eine einvernehmliche Auflösung initiieren, müssen gemäß dem Arbeitslosenversicherungsgesetz mit einer vierwöchigen Sperre ihres Arbeitslosengeldanspruchs rechnen, bekommen also die ersten 4 Wochen nach Ende des Arbeitsverhältnisses kein Einkommen. Umgekehrt aber muss der Betrieb bei Kündigung oder veranlasster einvernehmlicher Auflösung keinen Cent an Kosten für die Arbeitslosenversicherung übernehmen. Ein gerechter Beitrag wäre hier, beispielsweise die Unternehmen zu verpflichten, ebenso die Kosten für die ersten 4 Wochen Arbeitslosengeld zu übernehmen.
Aktive Arbeitsmarktpolitik ist notwendig
Betriebe müssen ab einem bestimmten Ausmaß an Kündigungsvorhaben – aber auch angestrebten einvernehmliche Auflösungen – beim AMS melden. Im Arbeitsmarktfördergesetz (§ 45a AMFG) sind die konkreten Voraussetzungen und Konsequenzen formuliert. Werden diese Anzeigen unterlassen, führt dies zu einer Rechtsunwirksamkeit der Kündigung. Bei einvernehmlichen Auflösungen wird diese Vorgabe äußerst selten eingehalten, da offensichtlich das Bewusstsein dafür fehlt. Ziel dieser Bestimmung ist es, frühzeitig dem AMS die Möglichkeit zu geben, zu intervenieren und Auflösungen möglichst zu verhindern. Stattdessen ist es inzwischen zum reinen Formalakt verkümmert, löst keine Reaktionen seitens des AMS aus – wohl auch aufgrund fehlender Ressourcen und Vorgaben dazu. Es werden daher viele Auflösungen mit Wiedereinstellungszusage gar nicht erfasst, obwohl es gesetzlich vorgegeben wäre.
Das aktuell absolut passive Verhalten des AMS den Unternehmen gegenüber ist nicht akzeptabel. Es wäre dringend notwendig, dass die Bewegungen am Arbeitsmarkt mit dem Fokus der Zwischenparkpraxis erfasst und sichtbar werden, sodass AMS-Berater:innen entsprechend aktiv werden können. Dies gilt für beide Servicebereiche des AMS – ganz besonders für das Unternehmensservice, aber auch für die Beratung von Arbeitssuchenden. Unternehmen, die Auflösungen anstreben, müssen aktiv beraten werden, welche Alternativen es dazu gibt. Betriebliche Weiterbildung, die u.a. auch gefördert werden kann, Sabbaticals, Stiftungslösungen bis hin zu eventuell passender Kurzarbeit müssen diskutiert und als ernsthafte Alternative zum Zwischenparken besprochen werden. Würde stattdessen eine Kompensationszahlung drohen, dann wäre wohl die Bereitschaft der Unternehmen deutlich höher.
Gleichzeitig muss auf Arbeitssuchende aktiv zugegangen und versucht werden, die „Zwischenparkspiralen“ zu durchbrechen und neue Perspektiven aufzuzeigen. Von Vermittlung auf attraktivere, stabilere und nachhaltigere Arbeitsplätze bis hin zur Nutzung der Zeit für Aus- und Weiterbildung, um einen ersten Schritt zu setzen, besser am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Somit steigt auch der Druck im Betrieb, auf eine Auflösung zu verzichten, weil die Gefahr hoch ist, dass mit einer Rückkehr der zwischengeparkten Beschäftigten nicht mehr zu rechnen ist, wenn man sie dann wieder bräuchte – neue Beschäftigte anzuwerben und einzuschulen ist kostspielig. 700 Millionen Euro an durch die temporären Layoffs verursachten Kosten – Geld, das wir sinnvoller und zukunftsträchtiger investieren sollten. Gelingt es, auch nur einen Teil davon in aktive Arbeitsmarktpolitik umzulenken, dann ist vielen geholfen, die Unterstützung dringend brauchen.