Von Alpinkommunisten lernen: Es geht um den Boden!

31. Mai 2017

Am Wiener Wohnungsmarkt gibt es beunruhigende Zeichen. Die privaten Mieten steigen dramatisch – um 34 Prozent in sechs Jahren. Das ist zwar bei den Wohnungen im geförderten Bereich nicht so, dafür explodieren dort die Wartelisten. Bis zu 50 Vormerkungen auf eine Wohnung sind keine Seltenheit. Auch Kaufen ist kaum eine Alternative: Bei durchschnittlich 4000 Euro pro Quadratmeter ist das für die meisten Menschen mit legaler Arbeit nicht leistbar.

Es braucht mehr geförderten Wohnbau

Der Grund für die Situation ist relativ klar: Im Vergleich zum massiven Bevölkerungswachstum wird zu wenig gefördert und damit auch leistbar gebaut. Um den Wiener Wohnungsmarkt in sein altes soziales Gleichgewicht zu bringen, braucht es für ungefähr ein Drittel des Bevölkerungszuwachses geförderte Neubauwohnungen. Über ein paar Jahre hinweg betrachtet sind das mindestens 9000 leistbare Wohnungen pro Jahr. Davon sind wir weit entfernt.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Stadt Wien, BMF

Eine hohe Bauleistung bei geförderten (und damit im Mietpreis regulierten) Wohnungen hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass einerseits genügend Wohnraum vorhanden war, aber auch, dass die Preise im privaten Segment gedämpft wurden. Wenn der Altbautraum zu teuer wurde, gab es bei den Genossenschaften reichlich Alternativen.

Bodenpreise schießen in die Höhe

Derzeit entstehen zu wenig leistbare Wohnungen, obwohl die Voraussetzungen für das kostengünstige Bauen in vielen Bereichen ausgezeichnet sind. Die Baupreise sind schon seit geraumer Zeit stabil, die Zinsen zur Baufinanzierung kaum spürbar, Wohnbauförderung ist reichlich vorhanden und wird bisweilen gar nicht abgeholt. Zudem gibt eine Reihe hoch professioneller und erfahrener gemeinnütziger Bauträger zur Umsetzung der Vorhaben. Nur fehlt diesen leider der Boden zum Bauen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Sammelband Wien wächst Wien wohnt 2015

Die grundlegenden Probleme der Stadt sind die seit der Finanzkrise 2008 massiv gestiegenen Bodenpreise. Selbst in schlechter städtischer Lage kostet der Grund rund 600 Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche. Ganz zu schweigen davon, dass in städtischen Gunstlagen Spitzenpreise von bis zu 2000 Euro verlangt werden. Das preisliche Limit des sozialen Wohnbaus liegt jedoch bei 235 Euro. Die Finanzierung von Baugrund für den sozialen Wohnbau rückt damit in weite Ferne. Deshalb nimmt der Anteil der privaten Bauleistung am gesamten Wohnbausegment deutlich zu. Das bedeutet steigende Mieten, kleinere Wohnungsgrößen, mehr teure Eigentumswohnungen und mehr Wohnungen als Anlageobjekte.

Sollten hier keine Änderungen vorgenommen werden, so sieht die Wohnzukunft Wiens nach dem Verbrauch der städtischen Baulandreserven düster aus: Kleine teure befristete Wohnungen statt ausreichend Platz im unbefristeten geförderten Wohnbau

Vorzeigebeispiele aus den Alpen

Der Bodenmarkt ist außer Kontrolle und es braucht dringend Regulierungen. Diese Eingriffe in das ungezügelte Spiel der Marktkräfte werden gerne als unzulässiger Angriff auf Eigentumsrechte dargestellt und nicht selten als kommunistische Enteignungen verunglimpft. In einigen alpinen Gebieten gibt es schon länger massiven Druck auf den Bodenmarkt. Das hat auch zu politischen Reaktionen in der Bodenpolitik geführt. In den vermeintlich „kommunistischen Kerngebieten“ Tirol, Südtirol und Schweiz sind einige interessante Instrumente entwickelt worden:

Tirol

Es können Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau gewidmet werden. Falls diese nicht binnen zehn Jahren der Gemeinde, dem Tiroler Bodenfonds oder einem Bauträger, der geförderte Wohnbauten errichtet, zum Kauf angeboten werden, tritt die Widmung außer Kraft. Damit hat der Besitzer dann wieder das, was er vorher hatte: meist eine Wiese mit dem entsprechenden Wert. Die Vorbehaltsflächen dürfen nur nach Maßgabe des Bedarfs eingerichtet werden, was besonderes Augenmerk auf die Baulandbilanzen der Gemeinde erfordert.

Südtirol

In der autonomen Provinz Bozen in Südtirol benötigt die Ausstellung von Baukonzessionen in Erweiterungszonen einen Durchführungsplan. Im Rahmen dieses Plans sind 60 Prozent beziehungsweise 55 Prozent der Baumasse dem geförderten Wohnungsbau zu widmen. Auf Grundstücken im Besitz der Gemeinde oder einer öffentlichen Körperschaft, die in einer Erweiterungszone liegen, muss die gesamte Baumasse geförderter Wohnbau sein. Damit soll garantiert werden, dass auf neu ausgewiesenem Bauland ausreichend Flächen dem geförderten Wohnbau zugeführt werden, wohingegen die Errichtung profitabler Wohnungen eingeschränkt wird.

Schweiz

In der Schweiz werden Profite, die durch Umwidmungen oder zusätzliche Geschossflächen entstehen, an den Kanton bzw. die Gemeinde abgeführt. Diese Möglichkeit ist im Raumplanungsgesetz auf Bundesebene verankert. Die Umsetzung der Mehrwertabgabe ist in den Kantonen einzeln geregelt, wobei der Prozentsatz der Abgabe und die Ausgestaltung der Regelung von Kanton zu Kanton deutlich variiert. Im Kanton Basel beträgt die Mehrwertabgabe 50 Prozent des Bodenmehrwerts, wobei die Abgabe für öffentliche Grünräume in der Stadt zweckgebunden ist.

Wien hat lange Zeit mit gutem Erfolg Bodenbevorratung betrieben (Ankauf von Liegenschaften durch den Wohnfonds) und damit Flächen für den sozialen Wohnbau gesichert. Auch dieses Instrument stößt angesichts der aktuellen Bodenpreise an seine Grenzen. Die Einführung der „Widmungskategorie förderbarer Wohnraum“ in die Wiener Bauordnung hat sich als untauglicher Versuch erwiesen, Bauland für leistbares Wohnen zu beschaffen. Die Wiener Bodenpolitik ist so für die Zukunft nicht ausreichend gerüstet. Vielleicht können wir im Flachland mit ein bisschen Mut doch etwas von den Alpinkommunisten lernen.

Weiterführende Diskussion zum Thema Wohnen findet sich in der aktuellen Ausgabe der AK Stadt Wien wächst – Wien baut