Equal Pay Day 2015: 82 Tage Gratisarbeit

09. Oktober 2015

Würden Frauen und Männer pro Jahr gleich viel verdienen, gäbe es also im Durschnitt keinen Unterschied in der Höhe der Frauen und Männern ausbezahlten Bruttolöhne, dann hätten wir „Equal Pay“. Mit Ende des Jahres hätten die Lohnabhängigen, egal ob Frau oder Mann, im Schnitt gleich hohe Beträge am Jahres-Lohnzettel stehen. Der „Equal Pay Day“ wäre der 31.Dezember. Da es aber wesentliche Entgeltdifferenzen zwischen den Geschlechtern gibt, ist dieses Datum bei Vollzeitbeschäftigten 2015 bereits am 11. Oktober erreicht, um gerade mal einen Tag besser als im Vorjahr: mit Beginn dieses Tages müssen die Frauen bis zum Jahresende 82 Tage quasi „gratis“ arbeiten, um auf das Jahres-Einkommen der Männer zu kommen. Bezogen auf den Stundenlohn weist Österreich im internationalen Vergleich das zweithöchste Lohngefälle auf.

Bundesweit haben Männer im Schnitt bereits im Herbst jenes Lohnarbeitseinkommen ausbezahlt erhalten, wofür Frauen ein ganzes Jahr arbeiten müssen. Durch die saloppe Umrechnung des prozentuellen Einkommensunterschieds auf den Jahreskalender wird die „Lücke“(der „Gap“) in Tagen gemessen. Zielwert ist das höhere Männereinkommen, Frauen sollen im Schnitt so wie Männer entlohnt werden.

Bundesländer-Equal Pay Days: 10 September bis 27. Oktober 2015

Am längsten „gratis“, weil prozentuell der höchste Unterschied besteht, müssen die Voralbergerinnen arbeiten, nämlich 113 Tage, um das durchschnittliche Männerjahresentgelt zu kriegen, immerhin um zwei Tage weniger als noch 2014. Es folgen Oberösterreich (99 Tage, gleich wie im Vorjahr), Tirol (92 Tage, Verbesserung um 2 Tage) und Salzburg (90 Tage, um 2 Tage besser). In der Steiermark (86 Tage, gleich wie 2014) und in Niederösterreich (85 Tage, 2 Tage besser) ist die Bilanz auch schlechter als im Bundesschnitt. In den restlichen drei Bundesländern datiert der Equal Pay Day später als am 11. Oktober: Burgenland und Kärnten mit jeweils 80 Tagen (das ist je um 2 Tage weniger als im Vorjahr) sowie Wien, wo mit 66 Tagen (plus 2) am kürzesten „gratis“ gearbeitet wird:

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Ein geringer prozentueller Unterschied kann in relativ hohen Frauenstundenlöhnen begründet sein, was etwa in Wien zutreffen wird, weil hier viele gut qualifizierte Frauen in der öffentlichen Verwaltung gute Positionen innehaben. Ursache für einen geringen prozentuellen Unterschied können auch relativ niedrige Männer-Stundenlöhnen sein, was wohl im Vergleich der Bundesländer in Kärnten der Fall sein dürfte.

Arbeitszeit-, Brancheneffekt und Geschlechterdiskriminierung

Verdienstunterschiede haben viele Ursachen (siehe dazu auch Geisberger). Die Einkommensverhältnisse insgesamt (nicht nur Vollzeit wie beim Equal Pay Day) resultieren insbesondere aus der „Teilung“ des Arbeitsmarktes in Produktions-, bzw. produktionsnahe Branchen mit höherer Entlohnung, in denen überwiegend Männer arbeiten und in niedriger entlohnte Dienstleistungsbranchen (etwa der Handel, Gesundheits- und Sozialberufe, Gastgewerbe), wo mehrheitlich Frauen arbeiten. Zudem bzw. damit zusammenhängend spielt das im Schnitt geringere Erwerbsarbeitszeitausmaß der Frauen – in Verbindung mit der mehrheitlich von Frauen geleisteten Versorgungsarbeit – eine Rolle. So ist etwa jede zweite erwerbstätige Frau in einem Teilzeitjob. Der „rein“ auf Geschlechterdiskriminierung basierende Verdienstunterschied dürfte sehr hoch sein – denn mehr als 60 Prozent des „Gender Pay Gaps“ auf Stundelohnbasis (siehe dazu auch EU-Graphik weiter unten) können laut Statistik Austria nicht durch beobachtbare Faktoren, also nicht durch geringere Arbeitszeit oder die Branchenkonzentration etc., erklärt werden:

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Diese Graphik stammt aus dem aktuellen Frauenmonitor der AK Oö, der viele weitere Aspekte zur Lage der Frauen enthält.

Österreich bleibt Vorletzter

Auch im internationalen Vergleich rangiert Österreich seit Jahren an den hinteren Rängen. Mit einem Unterschied von 23 Prozent zwischen den Stundenlöhnen von Männern und Frauen gibt es hierzulande, nach Estland, das EU-weit zweithöchste Gefälle. Im EU-Schnitt werden Frauen in der Stunde durchschnittlich um rund 16 Prozent niedriger bezahlt als Männer. Am geringsten ist der Unterschied in Slowenien, wo der „Gender Pay Gap“ nur drei Prozent ausmacht (was nichts darüber aussagt, ob Frauen besonders viel, oder Männer besonders niedrig verdienen):

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Gleichstellung gewünscht und auch von ökonomischem Vorteil

Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein wichtiges politisches Ziel, das auch für die BürgerInnen in der EU einen hohen Stellenwert hat (Eurobarometer). Demnach sollten die Lohnunterschiede für gleiche Arbeit bekämpft werden, was etwa die Hälfte der Männer (in Ö und der EU) befürwortet und deutlich mehr als die Hälfte der Frauen in der EU bzw. fast zwei Drittel der Österreicherinnen. Konkrete arbeitsmarktbezogene Maßnahmen, die gleiche Bezahlung sicherstellen, wird von je rund der Hälfte der Frauen und Männer (54 bzw. 50 Prozent) in Österreich (EU 44 bzw. 40 Prozent) gefordert.

Einen besonderen Fokus legen die Gewerkschaften in Österreich auf Gleichstellungsmaßnahmen auf kollektivvertraglicher Ebene, wo in vielen Branchen Fortschritte erzielt wurden. Ziel ist die volle Anrechnung von Karenzzeiten für die Einkommens- und Laufbahnentwicklung. „Wir werden so lange dranbleiben, bis es in allen unseren Kollektivverträgen eine Selbstverständlichkeit ist, dass jede Frau während ihrer Karenz sämtliche Vorrückungen mitmacht“, stellt etwa Ilse Fetik, Frauenvorsitzende der GPA-djp fest. Die Anhebung der Mindestlöhne – und gehälter in allen Branchen auf 1700 Euro, wie von der Gewerkschaft als aktuelle Zielmarke gefordert, würde insbesondere für Frauen, die den Großteil der Niedrigentlohnten ausmachen, deutliche Einkommensverbesserungen und ein Kleinerwerden der Einkommensschere mit sich bringen.

Nicht zuletzt sollen auch die ökonomischen Vorteile einer vollen Gleichstellung nicht verschwiegen werden. Der Unternehmensberater McKinsey hat im Rahmen einer Studie festgestellt, dass durch die sozio-ökonomische Benachteiligung von Frauen viel ökonomisches Potenzial verloren geht und die globale Wirtschaftsleistung durch Gleichheit insbesondere am Arbeitsmarkt („the power of parity“) in einem Jahrzehnt um ein Viertel gesteigert werden könnte. Eine Angleichung der von Frauen und Männern geleisteten Arbeitsstunden wird als besonders wichtig erachtet.