Recht auf gute und nach­haltige Mobili­tät schafft viele Arbeits­plätze – Daseins­vorsorge aus­bauen jetzt!

28. November 2024

In Österreich sind derzeit rund 370.000 Menschen arbeitslos, und das Land durchlebt die längste Rezession seit 1945. Gleichzeitig stehen wir im Bereich des Klimaschutzes vor großen Herausforderungen. Der Ausbau im öffentlichen Verkehr ist daher ein Gebot der Stunde. Derzeit sind nur rund die Hälfte der Menschen in Österreich gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden. Höchste Zeit, ein Recht auf gute und nachhaltige Mobilität voranzutreiben. Dies ist gut fürs Klima und schafft zudem viele neue Arbeitsplätze.

Der Verkehr trägt mit seinen rund 30 Prozent der österreichischen Treibhausgasemissionen erheblich zur Klimakrise bei. Wie die neue AK-Studie zur „Daseinsvorsorge 2030 – Gute Grundversorgung für alle innerhalb der planetaren Grenzen“ darlegt, braucht es daher eine grundlegende ökologische Umstrukturierung und umfassende Investitionen in umweltverträgliche Infrastrukturen und den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs sowie die Förderung der aktiven Mobilität (Gehen und Radfahren). Hinderlich dabei ist das vorherrschende Liberalisierungsmantra der vorherrschenden EU-Gesetzgebung. Im Falle von Ausschreibungen erfolgt der Zuschlag meist nach dem Billigstbieterprinzip, wie die Studienautor:innen ausführen. Der Wettbewerb um den Markt erzeugt also Kostendruck und hat große Auswirkungen auf die Qualität der Mobilitätsdienstleistung und die Arbeitsbedingungen der Verkehrsbeschäftigten. Die Kritik von Gewerkschaften und der Arbeiterkammer an der Liberalisierung wird durch zahlreiche Studien – so auch diese – bestätigt. 

Zugang zu Öffis – eine Frage der (Raum-)Ordnung 

Die Versorgung der Menschen mit öffentlichem Verkehr (Öffi) zählt zu den Leistungen der Daseinsvorsorge. Gut ausgebaute Öffis sind notwendig, um die täglichen Wege von zu Hause in die Arbeit, zur Schule, in den Supermarkt etc. gut zurücklegen zu können. Viele Menschen legen diese Wege aber nach wie vor mit dem Auto zurück, was mit hohen Kosten verbunden ist. Besonders problematisch im Bereich der Öffis sind die großen regionalen Unterschiede, was Qualität und Verfügbarkeit betrifft. Derzeit finden 53 Prozent der Menschen in Österreich ein gutes Öffi-Angebot (= ÖV-Qualitätsklasse A–D) an ihrem Wohnort vor, während 13 Prozent und damit 1,16 Millionen Menschen außerhalb jeder ÖV-Güteklasse leben. Für sie bedeutet es, keinen Zugang zu einem Öffi-Angebot zu haben und in hohem Maße auf ihr privates Auto angewiesen zu sein. Es fehlt also noch immer an einer flächendeckenden Versorgung mit öffentlichem Verkehr (ÖV). Das liegt hauptsächlich an den Fehlentwicklungen in der Raumplanung. So macht starke Zersiedelung die Bereitstellung eines ÖV-Angebots besonders unwirtschaftlich und kompliziert. Dennoch wird bislang in den raumordnungsrechtlichen Vorschriften der Länder die Sicherstellung eines Mindestniveaus des ÖV-Angebots nicht zur Voraussetzung einer weiteren Siedlungsentwicklung gemacht. Die Raumordnung der Länder muss sicherstellen, dass ein verbessertes ÖV-Angebot nicht zur weiteren Zersiedelung führt. Eine gelungene Raumplanung sollte im Allgemeinen die Mobilitätsnotwendigkeiten reduzieren bzw. zu einem nachhaltigen Mobilitätsverhalten beitragen. Zudem könnte dort, wo es ein gutes ÖV-Angebot gibt, durch Einschränkungen des Autoverkehrs der Umstieg und die gute Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel gefördert werden. 

Weiters empfehlen die Studienautor:innen, die gesetzliche Verankerung von betrieblichem Mobilitätsmanagement. Denn die Verantwortung der Unternehmen für die Arbeitswege ihrer Mitarbeiter:innen ist zu stärken. Steuerliche Privilegierungen für die Nutzung von individueller Mobilität durch die Beschäftigten (z. B. Dienstautos) sind im Gegenzug abzuschaffen. Zudem könnten Busse weitestgehend bestehende Straßen nutzen und sollten dort fallweise auch privilegiert werden (z. B. Busspuren auf Autobahnen). Für den Bahnverkehr ist die Schieneninfrastruktur weiter auszubauen und die bestehende Verkehrsinfrastruktur muss als Teil der Klimawandelanpassung resilient gegen Extremwettereignisse gemacht werden. Dieser Ausbau, wie auch der Umstieg auf E-Fahrzeuge bzw. Wasserstoff-Fahrzeuge – inklusive Ladeinfrastruktur – braucht eine ausreichende Finanzierung. Ein guter öffentlicher Verkehr ist ein wichtiger Baustein für den sozialen und ökologischen Umbau. Daher benötigt die öffentliche Hand eine abgesicherte Finanzierung auf allen Ebenen der Daseinsvorsorge. In der aktuellen Budgetsituation braucht es dringend neue Finanzquellen, wie beispielsweise eine Vermögenssteuer. Damit unterstreichen die Studienautor:innen wesentliche Forderungen der Arbeiterkammer.

Recht auf Mobilität schafft Chance auf Arbeitsplätze

Die Aufstockung von Personal im öffentlichen Verkehr ist auch im Status quo schon dringend notwendig, um die Beschäftigten zu entlasten und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wenn darüber hinaus das Recht auf gute und nachhaltige Mobilität umgesetzt werden soll, schafft dies zahlreiche neue Arbeitsplätze. Nimmt man die flächendeckenden Ausbauszenarien des Projektes FLADEMO, so werden bis zum Jahr 2030 für den Ersatz von Pensionierungen und die Ausweitung des Angebotes zusätzlich rund 39.000 Verkehrsbeschäftigte benötigt. Das ist fast die Hälfte aller 80.500 Menschen, die 2021 im öffentlichen Verkehr beschäftigt waren. Darüber hinaus wird es zu Beschäftigungsimpulsen durch den einmaligen Ausbau bzw. die Umrüstung der bestehenden physischen Infrastrukturen kommen. Die Autor:innen der neu erschienenen AK-Studie berechnen für die Jahre 2024 bis 2030 aufgrund von Investitionen in die Infrastrukturen des öffentlichen Verkehrs, die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte und Maßnahmen zur Förderung aktiver Mobilität einen Beschäftigungsimpuls von 28.100 bis 37.600 in der Baubranche und Industrie. 


© A&W Blog


Das arbeitsmarktpolitische Ziel muss sein, die Arbeitnehmer:innen mit den Kompetenzen für die Mobilitätswende auszustatten. Der Schlüssel dazu ist eine Aus- und Weiterbildungsoffensive. Alle arbeitssuchenden Menschen und Beschäftigten brauchen ein Recht auf Weiterbildung mit der Gewährleistung einer guten und langfristigen Existenzsicherung. Gerade für Arbeitnehmer:innen in Niedriglohnsektoren bietet Qualifizierung Chancen auf bessere Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig muss das AMS Qualifizierung mit Vermittlung gleichsetzen, sodass sich Menschen, die beim AMS arbeitslos gemeldet sind, auf ihre Weiterbildung fokussieren können. Weiters muss das AMS als zentraler Weiterbildungsakteur in der Mobilitätswende langfristig mit entsprechendem Personal und Budget ausgestattet werden. Nicht zuletzt müssen auch Unternehmen ihren Beitrag leisten und verpflichtet werden, in die Aus- und Weiterbildung ihrer (neuen) Mitarbeiter:innen zu investieren. 

Der Öffi-Ausbau ist also nicht nur zentral für das Erreichen von Klimaschutzzielen, sondern bietet eine realistische Chance auf die Verbesserung der Lebenssituation der Vielen. Das ist ein immer drängenderes Thema – gerade auch deshalb, weil Arbeitnehmer:innen in der Automotiv- bzw. Zulieferindustrie immer mehr in Bedrängnis geraten, Stichwort Kündigungen bei M.A.N. Steyr Automotive (ehemaliges MAN-Werk) oder TCG Unitech, wo diesen Monat 882 der insgesamt 960 Beschäftigten beim AMS zur Kündigung angemeldet wurden. Auch die großen Werksschließungen von VW in Deutschland werden sich weiter stark auf österreichische Unternehmen auswirken. Der Öffi-Ausbau im Sinne einer guten Daseinsvorsorge für alle darf Beschäftigte in betroffenen Betrieben nicht zurücklassen, sondern muss ihnen Alternativen bieten. 

Was braucht es konkret?

  1. Ein Recht auf gute und nachhaltige Mobilität! Ein gutes Angebot an Bahn- und Busverbindungen ermöglicht und erleichtert den Menschen den Umstieg auf Öffis.
  2. Effektive Planung durch die öffentliche Hand! Damit die Menschen künftig besser mit öffentlichem Verkehr versorgt sind, braucht es dringend einen Ausbau. Eine effiziente Planung durch die öffentliche Hand ist entscheidend, um dies umzusetzen und den Bedarf der dringend benötigten Arbeitskräfte zu decken.
  3. Faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten bei Bahn und Bus! Für eine langfristige Sicherung der qualitativ hochwertigen Daseinsvorsorge brauchen die Beschäftigten eine dringende Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
  4. Gemeinwohlorientierung stärken! Die Liberalisierung führte für die Beschäftigten im Mobilitätsbereich zu schlechteren Arbeitsbedingungen. Weitere Liberalisierungen sind daher abzulehnen.
  5. Aufweichen der strengen EU-Fiskalregeln! Damit die Städte und Gemeinden die notwendigen Investitionen in Milliardenhöhe in den Ausbau der Öffis leisten können, müssen diese Investitionen von den strengen EU-Schuldenregeln ausgenommen werden. 
  6. Recht auf Weiterbildung! Die Arbeitnehmer:innen müssen für die Zeit der Qualifizierung eine ausreichende und langfristige Existenzsicherung erhalten.
  7. Abstimmung der Raumplanung mit dem ÖV-Angebot und Reduktion der Mobilitätszwänge: Die Raumordnung der Länder muss sicherstellen, dass ein verbessertes ÖV-Angebot nicht zur weiteren Zersiedelung führt.
  8. Gesetzliche Verankerung von betrieblichem Mobilitätsmanagement: Die Verantwortung der Unternehmen für die Arbeitswege ihrer Mitarbeiter:innen ist zu stärken.

Fazit

Auch im Mobilitätsbereich führt ein Ausbau der Daseinsvorsorge – in diesem Fall des öffentlichen Verkehrs – zu einer Win-win-Situation: Ein Recht auf gute und nachhaltige Mobilität kann die Benachteiligung von Einwohner:innen in ländlichen Regionen senken. Fällt der Zwang zum Auto weg, kommt dies einer großen Kosteneinsparung gleich. Zusätzlich ist der Ausbau der Öffis – wie schon gezeigt – eine Jobmaschine. Wechseln viele Menschen vom Pkw zu den Öffis oder auf das Fahrrad, so senkt das die Treibhausgas-Emissionen enorm. Und auch bei der Finanzierung gibt es eine gute Nachricht: Die Einsparungen beim nicht benötigten Autoverkehr sind weit höher, als der ÖV-Ausbau kosten würde. 

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