In Österreich sind derzeit rund 370.000 Menschen arbeitslos, und das Land durchlebt die längste Rezession seit 1945. Gleichzeitig stehen wir im Bereich des Klimaschutzes vor großen Herausforderungen. Der Ausbau im öffentlichen Verkehr ist daher ein Gebot der Stunde. Derzeit sind nur rund die Hälfte der Menschen in Österreich gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden. Höchste Zeit, ein Recht auf gute und nachhaltige Mobilität voranzutreiben. Dies ist gut fürs Klima und schafft zudem viele neue Arbeitsplätze.
Der Verkehr trägt mit seinen rund 30 Prozent der österreichischen Treibhausgasemissionen erheblich zur Klimakrise bei. Wie die neue AK-Studie zur „Daseinsvorsorge 2030 – Gute Grundversorgung für alle innerhalb der planetaren Grenzen“ darlegt, braucht es daher eine grundlegende ökologische Umstrukturierung und umfassende Investitionen in umweltverträgliche Infrastrukturen und den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs sowie die Förderung der aktiven Mobilität (Gehen und Radfahren). Hinderlich dabei ist das vorherrschende Liberalisierungsmantra der vorherrschenden EU-Gesetzgebung. Im Falle von Ausschreibungen erfolgt der Zuschlag meist nach dem Billigstbieterprinzip, wie die Studienautor:innen ausführen. Der Wettbewerb um den Markt erzeugt also Kostendruck und hat große Auswirkungen auf die Qualität der Mobilitätsdienstleistung und die Arbeitsbedingungen der Verkehrsbeschäftigten. Die Kritik von Gewerkschaften und der Arbeiterkammer an der Liberalisierung wird durch zahlreiche Studien – so auch diese – bestätigt.
Zugang zu Öffis – eine Frage der (Raum-)Ordnung
Die Versorgung der Menschen mit öffentlichem Verkehr (Öffi) zählt zu den Leistungen der Daseinsvorsorge. Gut ausgebaute Öffis sind notwendig, um die täglichen Wege von zu Hause in die Arbeit, zur Schule, in den Supermarkt etc. gut zurücklegen zu können. Viele Menschen legen diese Wege aber nach wie vor mit dem Auto zurück, was mit hohen Kosten verbunden ist. Besonders problematisch im Bereich der Öffis sind die großen regionalen Unterschiede, was Qualität und Verfügbarkeit betrifft. Derzeit finden 53 Prozent der Menschen in Österreich ein gutes Öffi-Angebot (= ÖV-Qualitätsklasse A–D) an ihrem Wohnort vor, während 13 Prozent und damit 1,16 Millionen Menschen außerhalb jeder ÖV-Güteklasse leben. Für sie bedeutet es, keinen Zugang zu einem Öffi-Angebot zu haben und in hohem Maße auf ihr privates Auto angewiesen zu sein. Es fehlt also noch immer an einer flächendeckenden Versorgung mit öffentlichem Verkehr (ÖV). Das liegt hauptsächlich an den Fehlentwicklungen in der Raumplanung. So macht starke Zersiedelung die Bereitstellung eines ÖV-Angebots besonders unwirtschaftlich und kompliziert. Dennoch wird bislang in den raumordnungsrechtlichen Vorschriften der Länder die Sicherstellung eines Mindestniveaus des ÖV-Angebots nicht zur Voraussetzung einer weiteren Siedlungsentwicklung gemacht. Die Raumordnung der Länder muss sicherstellen, dass ein verbessertes ÖV-Angebot nicht zur weiteren Zersiedelung führt. Eine gelungene Raumplanung sollte im Allgemeinen die Mobilitätsnotwendigkeiten reduzieren bzw. zu einem nachhaltigen Mobilitätsverhalten beitragen. Zudem könnte dort, wo es ein gutes ÖV-Angebot gibt, durch Einschränkungen des Autoverkehrs der Umstieg und die gute Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel gefördert werden.
Weiters empfehlen die Studienautor:innen, die gesetzliche Verankerung von betrieblichem Mobilitätsmanagement. Denn die Verantwortung der Unternehmen für die Arbeitswege ihrer Mitarbeiter:innen ist zu stärken. Steuerliche Privilegierungen für die Nutzung von individueller Mobilität durch die Beschäftigten (z. B. Dienstautos) sind im Gegenzug abzuschaffen. Zudem könnten Busse weitestgehend bestehende Straßen nutzen und sollten dort fallweise auch privilegiert werden (z. B. Busspuren auf Autobahnen). Für den Bahnverkehr ist die Schieneninfrastruktur weiter auszubauen und die bestehende Verkehrsinfrastruktur muss als Teil der Klimawandelanpassung resilient gegen Extremwettereignisse gemacht werden. Dieser Ausbau, wie auch der Umstieg auf E-Fahrzeuge bzw. Wasserstoff-Fahrzeuge – inklusive Ladeinfrastruktur – braucht eine ausreichende Finanzierung. Ein guter öffentlicher Verkehr ist ein wichtiger Baustein für den sozialen und ökologischen Umbau. Daher benötigt die öffentliche Hand eine abgesicherte Finanzierung auf allen Ebenen der Daseinsvorsorge. In der aktuellen Budgetsituation braucht es dringend neue Finanzquellen, wie beispielsweise eine Vermögenssteuer. Damit unterstreichen die Studienautor:innen wesentliche Forderungen der Arbeiterkammer.
Recht auf Mobilität schafft Chance auf Arbeitsplätze
Die Aufstockung von Personal im öffentlichen Verkehr ist auch im Status quo schon dringend notwendig, um die Beschäftigten zu entlasten und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wenn darüber hinaus das Recht auf gute und nachhaltige Mobilität umgesetzt werden soll, schafft dies zahlreiche neue Arbeitsplätze. Nimmt man die flächendeckenden Ausbauszenarien des Projektes FLADEMO, so werden bis zum Jahr 2030 für den Ersatz von Pensionierungen und die Ausweitung des Angebotes zusätzlich rund 39.000 Verkehrsbeschäftigte benötigt. Das ist fast die Hälfte aller 80.500 Menschen, die 2021 im öffentlichen Verkehr beschäftigt waren. Darüber hinaus wird es zu Beschäftigungsimpulsen durch den einmaligen Ausbau bzw. die Umrüstung der bestehenden physischen Infrastrukturen kommen. Die Autor:innen der neu erschienenen AK-Studie berechnen für die Jahre 2024 bis 2030 aufgrund von Investitionen in die Infrastrukturen des öffentlichen Verkehrs, die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte und Maßnahmen zur Förderung aktiver Mobilität einen Beschäftigungsimpuls von 28.100 bis 37.600 in der Baubranche und Industrie.