Kinderbetreuung ist ein zentraler Faktor für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wie gut sie in einer Gemeinde ausgebaut ist, hängt stark von der lokalen Politik ab. Eine neue Analyse für Oberösterreich zeigt, dass die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung vom Mandatar:innen-Anteil einzelner Parteien beeinflusst wird – positiv von der SPÖ, negativ von der ÖVP (kein eindeutiger Einfluss von Grünen und FPÖ). Auch der Anteil von Frauen im Gemeinderat wirkt sich positiv aus – je mehr Frauen mitentscheiden, desto eher gibt es längere Öffnungszeiten, ganztägige Betreuung oder bessere Angebote für unter Dreijährige.
Der folgende Artikel basiert auf einer Publikation von Tobias Wiß und Thomas Pilgerstorfer in der „Österreichischen Zeitschrift für Politikwissenschaft“. Sämtliche Quellen finden sich in dieser Publikation.
In den allermeisten Staaten – wie auch in Österreich – wurde die Kinderbetreuung in den letzten Jahren ausgebaut. Trotzdem hinkt Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern noch weit hinterher. Innerhalb von Österreich weist besonders Oberösterreich geringe Betreuungsquoten auf: Während in Oberösterreich nur 22,3 Prozent der unter Dreijährigen in Betreuung sind, sind es in Wien über 46 Prozent. Markante Unterschiede in der Ausgestaltung von Kinderbetreuung gibt es auch zwischen den Gemeinden, wie der Kinderbetreuungsatlas der Arbeiterkammer Oberösterreich zeigt. Während es in manchen Gemeinden beispielsweise ganztägige Betreuung für unter Dreijährige und umfassende Nachmittagsbetreuung für Volksschulkinder gibt, schließt der Kindergarten in anderen Gemeinden um die Mittagszeit. Doch warum gibt es diese Unterschiede überhaupt? Warum ist die Kinderbetreuung in einer Gemeinde top und in einer anderen eher Flop?
Parteien und Frauen beeinflussen den Ausbau von Kinderbetreuung
Es gibt viele wissenschaftliche Studien, die sich mit dem Thema Kinderbetreuung auseinandersetzen. Einige dieser Arbeiten argumentieren, dass vor allem die Politik die Ausgestaltung und das Angebot von Kinderbetreuung beeinflusst. Je nachdem, welche Parteien das Sagen haben und im Parlament oder in der Regierung vertreten sind, wird Kinderbetreuung unterschiedlich geprägt und gestaltet. Zahlreiche Hinweise deuten darauf hin, dass „linke“ und sozialdemokratische Parteien den Ausbau von Kinderbetreuung stärker vorantreiben. „Rechte“ und konservative Parteien bremsen diesen Ausbau eher. Diese Parteien vertreten oft ein Gesellschafts- und Familienbild, in dem Kinderbetreuung zu Hause – von Frauen – erledigt werden sollte. Einen positiven Effekt auf das Angebot öffentlicher Kinderbetreuung haben Frauen in politischen Positionen. Einige Studien zeigen, dass Frauen ein höheres Bewusstsein für das Thema Kinderbetreuung mitbringen. Sitzen mehr Frauen in einem Parlament oder in einem anderen politischen Gremium, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinderbetreuung ausgebaut wird.
Gemeinden sind in bisherigen Analysen unterrepräsentiert
Die meisten der gerade beschriebenen Effekte beziehen sich auf die nationalstaatliche Ebene. Viele Studien untersuchten Parlamente und Bundesregierungen. Darunterliegende Ebenen, wie Bundesländer oder Gemeinden, wurden noch wenig erforscht. Dabei sind es in Österreich vor allem die Gemeinden, die für die Kinderbetreuung verantwortlich sind. In der aktuellen Untersuchung wird daher der Frage nachgegangen, ob und in welchem Ausmaß Parteien und Frauen die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung in Oberösterreichs Gemeinden beeinflussen. Dazu wird der AK Kinderbetreuungsatlas, der die Gemeinden in unterschiedliche Kategorien einteilt, verwendet. Je nachdem, wie umfassend die Öffnungszeiten pro Tag, über das ganze Jahr und andere Merkmale sind, bekommen Gemeinden ein Ranking. Die Analysen umfassen den Zeitraum von 2004 bis 2018. Neuere Daten des Kinderbetreuungsatlas sind daher nicht inkludiert.
Parteifarbe und Frauenanteil beeinflussen Kinderbetreuung
Die Analysen zeigen, dass ein höherer Anteil von SPÖ-Gemeinderät:innen die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung erhöht. Je mehr SPÖ-Gemeinderät:innen also in einem Gemeinderat vertreten sind, desto besser ist die Bewertung der Gemeinde laut Kinderbetreuungsatlas. Der gegenteilige Effekt kann für ÖVP-Gemeinderät:innen beobachtet werden. Je mehr ÖVP-Gemeinderät:innen in einem Gemeinderat sitzen, desto schlechter ist die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung. Einen positiven Effekt hat der Anteil von Frauen. Wird der Gemeinderat weiblicher, erhöht sich die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsangeboten. Diese Ergebnisse sind nicht überraschend und bestätigen ähnliche Studien.
Einfluss der Parteien besteht trotz unterschiedlicher Gemeindestrukturen
An dieser Stelle könnte kritisch angemerkt werden, dass Kinderbetreuung in Städten eher besser ausgebaut ist – dort, wo auch die SPÖ eher dominiert. In ländlichen Gemeinden, in denen es möglicherweise weniger finanzielle Mittel für Kinderbetreuung gibt, ist hingegen die ÖVP tendenziell stärker vertreten. Die Analyse zeigt, dass die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung in der Tat in urbaneren Gemeinden und in Gemeinden mit einer höheren Finanzkraft pro Kopf besser ist. Höhere Schulden senken hingegen die Verfügbarkeit. Diese Effekte treten aber zusätzlich zu jenen der Repräsentation von SPÖ und ÖVP auf. Wenn alle Gemeinden gleich urban oder ländlich und bezüglich Finanzkraft und Schulden gleich wären, würden trotzdem mehr SPÖ-Gemeinderät:innen zu einer besseren Verfügbarkeit von Kinderbetreuung führen und sich für ÖVP-Gemeinderät:innen der gegenteilige Effekt zeigen. Dies zeigt, dass beide Parteien bzw. ihre Gemeinderät:innen unterschiedliche (ideologische) Vorstellungen zum Thema Kinderbetreuung haben und diese Vorstellungen auch umsetzen.
Für die FPÖ und die Grünen zeigen sich keine klaren Ergebnisse. Das heißt, es kann nicht beurteilt werden, ob sich der Anteil dieser Parteien im Gemeinderat positiv oder negativ auf die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung auswirkt. Ein Grund dafür kann sein, dass die beiden Parteien, im Gegensatz zu SPÖ und ÖVP, in Gemeinderäten eher unterrepräsentiert sind. Dies würde vor allem für die Grünen zutreffen. Andere Studien kommen zum Ergebnis, dass „linke“ und auch grüne Parteien eher positive, hingegen „rechte“ eher negative Auswirkungen auf das Angebot von Kinderbetreuung haben.
Fazit
Es macht für Gemeinden einen Unterschied, welche Partei wie stark im Gemeinderat vertreten ist. Gemeindepolitik kann nicht als reine „Sachpolitik“ verstanden werden. Ideologische Unterschiede zwischen Parteien, wie in der Frage, ob öffentliche Kinderbetreuung ausgebaut oder Kinder zu Hause betreut werden sollen, treten auch auf Gemeindeebene auf. Außerdem macht es einen Unterschied, wie viele Frauen im Gemeinderat sitzen. Frauen haben beim Thema Kinderbetreuung offensichtlich andere Präferenzen als Männer und setzen sich eher für einen Ausbau ein. Warum es in der einen Gemeinde umfangreiche Betreuungsangebote für unter Dreijährige gibt, während in einer anderen nicht einmal angemessene Öffnungszeiten für Kindergartenkinder gewährleistet sind, lässt sich unter anderem durch den Anteil von SPÖ, ÖVP und Frauen im Gemeinderat erklären. Gemeinderät:innen machen deshalb einen Unterschied! Dessen sollten sie sich bewusst sein. Darauf zu drängen, dass Parteien mehr Frauen in die Gemeinderäte entsenden, könnte zudem eine gute Strategie sein, um die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung zu verbessern.