Öffentliche Investitionen für den Klimaschutz: Die ungehobenen Potenziale des öffentlichen Vermögens sind enorm

13. Juni 2023

Öffentliche Investitionen sind eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen sozial-ökologischen Umbau. Sie sind für eine weitgehende Dekarbonisierung des öffentlichen Kapitalstocks – also im Wesentlichen die Summe des Sachanlage- und Grundvermögens – zentral. Zudem muss die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle übernehmen und vorleben, wie die Klimaschutzziele eingehalten werden können. Wichtig sind hierbei die Städte und Gemeinden, da sie den sozial-ökologischen Ausbau in die Breite bringen können. Ernst genommener Klimaschutz geht mit weiteren positiven volkswirtschaftlichen Nutzeffekten einher.

Die Dekarbonisierung des öffentlichen Kapitalstocks

Schulen und Spitäler, der staatliche Fuhrpark, Solaranlagen auf Amtsgebäuden, Wälder – um nur einige Beispiele zu nennen – können einen wesentlichen Beitrag zur Klimaneutralität leisten. So wichtig private Investitionen auch sind, sie können die öffentlichen Investitionen nicht ersetzen, die für eine weitgehende Dekarbonisierung des öffentlichen Kapitalstocks notwendig sind. In einer aktuellen, von der Arbeiterkammer beauftragten Studie haben wir (Johanna Bürger, Maria Niedertscheider, Hannah Lucia Müller, Michael Miess, Leonhard Plank) mit weiteren Kolleg:innen der TU Wien und des Umweltbundesamtes den öffentlichen Kapitalstock untersucht und die für seinen klimaneutralen Umbau notwendigen öffentlichen Investitionen in den Bereichen Energie, Verkehr, Gebäude und Grund und Boden quantifiziert. Der Kapitalstock des öffentlichen Sektors umfasst dabei das produzierte Sachanlagevermögen sowie Grund und Boden des Staates (Gebietskörperschaften und sonstige Einheiten des Sektors Staat) und der öffentlichen Unternehmen. Ausgehend von einem berechneten öffentlichen Kapitalstock von mindestens 500 Mrd. Euro (2021), werden die Investitionspotenziale anhand zweier Szenarien geschätzt:

Szenario 1 (Umrüstung): Hier werden die notwendigen Investitionen zur Umrüstung des bestehenden klimakontraproduktiven öffentlichen Kapitalstocks, wie etwa die Umstellung des fossilen Kraftwerk- oder Fuhrparks, betrachtet.

Szenario 2 (Ausbau): Berechnet wie viel die öffentliche Hand darüber hinaus in den Ausbau ihres Kapitalstocks investieren könnte, um den Weg zur Klimaneutralität 2040 maßgeblich voranzutreiben, indem etwa zusätzliche Windräder errichtet oder der ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr) gestärkt werden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Umrüstung und Ausbau des öffentlichen Kapitalstocks: Gesamt- und Mehrinvestitionen

Die Studie kommt zum Ergebnis, dass allein die für eine weitgehende Dekarbonisierung des bestehenden öffentlichen Kapitalstocks notwendige Umrüstung öffentliche Investitionen von rund 68 Mrd. Euro erfordert. Dies betrifft z. B. fossile Wärme- und Stromerzeugung, diesel- und benzinbetriebene Kraftfahrzeuge, unsanierte und fossil beheizte Gebäude oder den noch nicht elektrifizierten Teil des ÖBB-Schienennetzes.

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Ein Teil davon ist bereits in den öffentlichen Budgets eingeplant, sodass sich die darüber hinausgehenden Mehrinvestitionen „nur“ auf etwa 37 Mrd. Euro belaufen. Die Mehrinvestitionen sind im Sektor Gebäude mit 17 Mrd. Euro am höchsten, gefolgt von 12 Mrd. Euro im Bereich Energie und 8,3 Mrd. Euro im Verkehrsbereich sowie 0,2 Mrd. Euro für die Sanierung von Wäldern.

In Szenario 2 wird abgeschätzt, wie viel die öffentliche Hand darüber hinaus bis zum Jahr 2030 in den Ausbau ihres Kapitalstocks investieren könnte, um eine Vorreiterrolle in der Energie-, Mobilitäts- und Klimawende einzunehmen. Darunter fallen u. a. der Ausbau des ÖPNV, die Redimensionierung von Straßen oder der Ausbau erneuerbarer Energieanlagen, -netze und -speicher (z. B. PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden). Die Studie kommt zum Ergebnis, dass bis 2030 rund 50 Mrd. Euro an weiteren Mehrinvestitionen vor allem in den Bereichen Energie und Verkehr einzuplanen sind, um dieses Potenzial zu heben.

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Volkswirtschaftliche Nutzeffekte öffentlicher Investitionen für Klimaschutz

Den Klimaschutz ernst zu nehmen, kann somit ein Mehrinvestitionsvolumen von jährlich bis zu ca. 2,4 Prozent gemessen am BIP bedeuten (Summe Umrüstung und Ausbau). Dabei wird jedoch ein erheblicher Teil statistisch nicht dem Sektor Staat zugerechnet, weshalb sich dies – auf Basis der bestehenden Fiskalregeln – nicht unmittelbar auf das gesamtstaatliche Defizit auswirkt. Ein großer Teil dieser Investitionen ist betriebswirtschaftlich rentabel: z. B. Einsparung von Energiekosten, verringerte Straf- und Kompensationszahlungen bei Nichterreichen der Reduktionsziele. Nachdem mit diesen Investitionen auch entsprechende gesamtwirtschaftliche Wertschöpfungseffekte verknüpft sind, die auf Basis vergleichbarer Untersuchungen mindestens 2 Prozent des BIPs pro Jahr betragen, dürften die langfristigen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte unterm Strich sogar positiv sein.

Öffentliche Bereitstellung sozial-ökologischer Infrastrukturen

Der Staat hat es in der Hand: Die für die Transformation notwendigen Mehrinvestitionen in den Sektoren Energie, Verkehr, Gebäude sowie Grund und Boden können basierend auf gesamtwirtschaftlichen Studien des Umweltbundesamts zu mehr als der Hälfte von der öffentlichen Hand selbst durchgeführt werden. Wichtige Hebel liegen dabei auf kommunaler Ebene, da Städte und Gemeinden für etwa die Hälfte des im Rahmen der Studie erhobenen Kapitalstocks verantwortlich sind.

Mit diesen Investitionen wird öffentliches Vermögen für die Zukunft aufgebaut und gesichert, um langfristig ein nachhaltiges Wirtschaften und eine hohe Lebensqualität in Österreich gewährleisten zu können. Beispielsweise kann eine dekarbonisierte und öffentlich bereitgestellte Energieversorgung für österreichische Verbraucher:innen große Vorteile auch über den Klimaschutz hinaus haben. Dies setzt voraus, dass die aktuell zwar öffentlichen, aber primär gewinnorientierten Energieversorger wieder im Sinne des Gemeinwohls und der öffentlichen Daseinsvorsorge handeln.

Die Vorreiterrolle des Staates in der Dekarbonisierung des eigenen Kapitalstocks kann eine weitere Verschiebung hin zur Wahrnehmung bewirken, dass Klimaschutz von höchster Dringlichkeit ist. Investitionen des Staates in dekarbonisierte öffentliche Infrastrukturen sind Voraussetzungen für eine breitere Definition von Wohlstand und die klimaneutrale Bereitstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Umrüstung und der Ausbau des öffentlichen Kapitalstocks sind dabei zwar notwendig, aber nicht hinreichend als öffentliche Maßnahmen, um eine für den Klimaschutz erforderliche Reduktion des Ressourcen- und Energieverbrauchs bei sozial gerechter Bedürfnisorientierung zu erzielen. Dies kann am Beispiel des öffentlichen Personennahverkehrs veranschaulicht werden: Einerseits braucht es Maßnahmen, um öffentliche Verkehrsmittel zu dekarbonisieren und energieeffizienter zu machen. Um zudem eine Reduktion klimakontraproduktiver Mobilitätsformen zu erzielen, können öffentliche Förderungen und Regulierungen das Nutzen klimaneutraler öffentlicher Verkehrsmittel z. B. im Vergleich zum ressourcenintensiven motorisierten Individualverkehr attraktiver machen. Je mehr die öffentliche Hand direkt Verantwortung für den Klimaschutz übernimmt, desto eher sind die Grundlagen für ein gutes Leben für alle innerhalb planetarer Grenzen geschaffen.

Den vorhandenen Instrumentenkasten der öffentlichen Hand nutzen

Die skizzierte Vorreiterrolle des öffentlichen Sektors beim Ausbau des klimafreundlichen öffentlichen Kapitalstocks ist ein wichtiger Schritt zur Eindämmung der Klimakrise. Darüber hinaus verfügt der Staat über eine Vielzahl an Instrumenten, um die Wirkung der öffentlichen Investitionen auf den Klimaschutz und die Reduktion des Ressourcen- und Energieverbrauchs sicherzustellen und zu verstärken. Dazu zählen beispielsweise ordnungspolitische Rahmenbedingungen, technologische Standards, ökonomische Anreize oder Kommunikations- und Kooperationsinstrumente. Um die klimapolitischen Zielsetzungen erreichen zu können, ist ein umfassender Einsatz dieser Instrumente notwendig. Zusätzlich sind die Abstimmungs- und Steuerungsprozesse zwischen den Ebenen der Gebietskörperschaften sowie eine rasche Anpassung der fiskalpolitischen Rahmenbedingungen essenziell, um die Zielerreichung auf allen staatlichen Ebenen zu unterstützen und die Investitionen in den öffentlichen Kapitalstock tatsächlich zu gewährleisten.

Dieser Beitrag stellt eine Zusammenfassung zentraler Ergebnisse der von der Arbeiterkammer beauftragten Studie „Investitionspotenziale für einen klimafitten öffentlichen Kapitalstock: Potenziale des öffentlichen Vermögens“ der TU Wien in Kooperation mit dem Umweltbundesamt dar.

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