EU-Parlaments­wahl: Europa vor entscheidender Weichen­stellung für die nächsten fünf Jahre

06. Juni 2024

Rund 373 Millionen Menschen in 27 Ländern stimmen von 6. bis 9. Juni 2024 darüber ab, wer sie in den nächsten fünf Jahren im EU-Parlament vertritt. Die 720 Parlamentarier:innen werden gleich zu Beginn über zentrale Personalia (unter anderem EU-Kommissionspräsident:in, EU-Kommissar:innen, EU-Parlamentspräsident:in) abstimmen. In weiterer Folge werden erste inhaltliche Weichenstellungen getroffen. Im A&W Blog haben Expert:innen von Gewerkschaften und Arbeiterkammer in den letzten Wochen eine Bestandsaufnahme zu zentralen Themen der auslaufenden Legislaturperiode gemacht: ein Überblick!

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Europas Arbeitslosigkeitskrise: eine Arbeitsplatzgarantie für ein soziales Europa

Hohe, anhaltende Langzeitarbeitslosigkeit zeigt die Grenzen der derzeitigen Arbeitsmarktpolitik auf. Eine europäische Arbeitsplatzgarantie würde beitragen, die Langzeitarbeitslosigkeit zu beseitigen und das europäische Projekt und den Green Deal stärken. Die fiskalischen Kosten einer europäischen Arbeitsplatzgarantie dürften langfristig neutral sein, denn damit reduzieren sich öffentliche Ausgaben für Arbeitslosigkeit und die Steuerrückflüsse und Sozialabgaben steigen ebenso wie die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.
A&W-Blog | Europas Arbeitslosigkeitskrise: wie eine Arbeitsplatzgarantie zu einem sozialen Europa beitragen kann

Stärkung von Europäischen Betriebsräten

Unternehmensentscheidungen werden kaum noch lokal, sondern in den Konzernzentralen getroffen. Damit steigt die Bedeutung von grenzüberschreitenden Gremien für Arbeitnehmer:innen in multinationalen Konzernen. Um länderübergreifende Information und Konsultation zu ermöglichen, gibt es die EU-Richtlinie über Europäische Betriebsräte. Seit Jahren fordern die Gewerkschaften eine Verbesserung dieser Rechte. Die Business-Lobby lehnt eine Änderung der EBR-Richtlinie kategorisch ab. Sowohl über das Europäische Parlament als auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten versuchen die Arbeitgeber nun, den Vorschlag maßgeblich abzuschwächen oder sogar gänzlich zu begraben.
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Die Zukunft des Grünen Deals

Das EU-Klimaschutzgesetz sieht vor, dass die Kommission einen Gesetzesvorschlag für ein Klimaziel 2040 vorlegt. Als ersten Schritt veröffentlichte sie eine Empfehlung für das Klimaziel 2040 mit einer Senkung der Treibhausgasemissionen um 90 Prozent gegenüber 1990. Damit will die Kommission den Grundpfeiler des Grünen Deals sichern. Rat und Parlament müssen sich in der nächsten Legislaturperiode auf ein Gesetz einigen, um dann das Klimaziel rechtlich verbindlich zu machen.

Leider sticht Österreich in Sachen Klimaschutz besonders heraus – es ist das einzige Land, das seit über 1.250 Tagen kein Klimaschutzgesetz vorgelegt hat. Aber das ist nicht das einzige Thema bei dem Österreich negativ auffällt …
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Österreichische Regierung als Bremser auf Ratsebene

Die österreichische Bundesregierung steht insbesondere bei Themen, die für Arbeitnehmer:innen entscheidend sind, auf der Bremse. Unilaterale Alleingänge mögen sich vielleicht in der eigenen Anhänger:innenschaft verwerten lassen. Für große Teile der Gesellschaft, wie Arbeitnehmer:innen oder Konsument:innen, bedeutet das jedoch allzu oft Nachteile und eine Schwächung beim Ziel hin zu einer sozial gerechten und nachhaltigen EU. Ein Resümee der österreichischen EU-Politik angesichts des bereits angelaufenen Wahljahres ist unter folgendem Link zu finden:
A&W-Blog | Österreichs EU-Politik auf Ratsebene: Quo vadis Austria?

EU-Gleichstellungspolitik – fortschrittliche Inputs für konservative Länder?

Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist in den EU-Verträgen tief verankert. Gerade für konservative Länder wie Österreich erfolgen damit regelmäßig fortschrittliche Inputs – etwa die Kinderbetreuungsziele, die Richtlinien zur Vereinbarkeit oder aktuell zur Lohntransparenz. Ob es weiterhin die nötigen positiven Impulse von der EU-Ebene geben wird, ist von den politischen Kräfteverhältnissen nach der Wahl am 9. Juni abhängig.
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Plattformarbeit: EU-Gesetz auf nationaler Ebene nachschärfen

In Österreich arbeiten rund 360.000 Personen über Plattformen, EU-weit sind es 43 Millionen Personen. Die lang erwartete Richtlinie wird zweifelsfrei zu (rechtlichen) Verbesserungen für die Beschäftigten in der Plattformarbeit führen. Eine positive Rolle spielte das Europäische Parlament mit progressiven Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Plattformbeschäftigten. Die Kompromisse für eine notwendige Zustimmung im Rat haben den Rechtstext jedoch erheblich verwässert und die wichtige Entscheidung über die Art des Dienstverhältnisses auf die nationale Ebene verlagert.
A&W-Blog | Plattformarbeit: Neues EU-Gesetz muss auf nationaler Ebene noch dringend nachgeschärft werden

Die Europäische Union als treibende Kraft im Verbraucher:innenschutz

Eines kann man mit Sicherheit sagen: Ohne EU würde es in Österreich viele Gesetze, die die Rechte der Verbraucher:innen stärken, nicht geben. Zu Recht kann man daher die Europäische Union in diesem Bereich als Motor bezeichnen. Nach der EU-Logik ist dies aber nur konsequent, denn EU-weit geltende Regelungen und Rechte für Verbraucher:innen sind wichtig für das Funktionieren des Binnenmarktes.
A&W-Blog | Die Europäische Union als treibende Kraft im Verbraucher:innenschutz

EU-Schuldenregeln: Revival der Sparpakete für den Euroraum?

Nach jahrelangen Debatten einigten sich Kommission, Rat und Parlament noch auf den letzten Drücker vor den EU-Wahlen auf eine Reform der sogenannten Fiskalregeln. Diese legen fest, wie stark sich die Mitgliedstaaten verschulden dürfen – und folglich, wie radikal sie Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen müssen. Aufgrund der nun geltenden Regeln ist bis 2028 mit einer Serie an milliardenschweren Konsolidierungspaketen zu rechnen, die sehr wahrscheinlich Wirtschaft, Sozialstaat und Klimaschutz bremsen werden. Damit wurde eine Chance verpasst, eine ausgewogene wohlstandsorientierte Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene zu verankern.

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A&W-Blog | EU-Schuldenregeln: Kürzungswelle rollt auf den Euroraum zu

Globale Mindeststeuer zeigt Notwendigkeit einer europäischen Steuerpolitik

Die Einführung der globalen Mindestbesteuerung für Konzerne führt zu einem echten Umbruch im internationalen Steuerrecht. Große Konzerne werden ab 2024 für ihre Gewinne zumindest 15 Prozent Steuern zahlen. Die Initiative dazu ist zwar von der OECD im Auftrag der G7 im Rahmen des BEPS-Projektes ausgegangen. An der tatsächlichen Umsetzung der globalen Mindeststeuer hat letztlich aber auch die Europäische Union einen maßgeblichen Einfluss gehabt.
A&W-Blog | Die Einführung der globalen Mindeststeuer als Beispiel für die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Steuerpolitik

Umkämpfte EU-Handelspolitik

Die jüngsten geopolitischen Spannungen haben zu einer Neuausrichtung der EU-Handelspolitik geführt. Statt von offenem Handel ist neuerdings in der EU immer öfter vom Schutz der europäischen Wirtschaft die Rede – vor China, Russland und anderen Rivalen. Unter dem Deckmantel des freien Handels versucht die EU sich in neokolonialer Manier über Handelsabkommen Zugang zu Rohstoffen in Ländern des Globalen Südens zu sichern. Gleichzeitig zeigt das EU-Lieferkettengesetz, dass auch Verbesserungen möglich sind. Gerade jetzt müssen multinationale Unternehmen umfassend und wirksam in die Pflicht genommen werden.
A&W-Blog | Umkämpfte EU-Handelspolitik: Von offenem Handel zu Strafzöllen, Rohstoffsicherung und Lieferkettengesetz

Demokratien in Gefahr – Europa braucht Entschlossenheit

Angriffe auf die Grundprinzipien der europäischen Demokratie häufen sich. Gerade deswegen ist es wichtig, den Versuchen zur Destabilisierung der Demokratien ganz entschieden entgegenzutreten. Die EU-Kommission hat eine Reihe von demokratiepolitischen Maßnahmen vorgeschlagen. Besonders mit Blick auf Ungarn ist aber die Entschiedenheit von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu hinterfragen. Umso wichtiger ist daher die Rolle des Europäischen Parlaments als Garant für eine stabile Demokratie.
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Letta-Bericht wirft seine Schatten voraus

Bereits vor den EU-Wahlen laufen die Vorbereitungen für die kommende EU-Gesetzgebungsperiode auf Hochtouren: Im Fokus steht die Zukunft des EU-Binnenmarkts. Schon lange kritisieren Arbeitnehmer:innenvertretungen den Binnenmarkt als sehr krisenanfällig, Maßnahmen für einen stabilen krisenresistenten Binnenmarkt sind daher dringend notwendig. Die Umsetzung des sozial-ökologischen Umbaus und eine Stärkung der sozialen Standards und des Wohlstands sollten im Zentrum stehen. Tatsächlich macht es jedoch den Eindruck, dass sich der Letta-Bericht auf die Erfüllung von Unternehmenswünschen fokussiert.
A&W-Blog | EU-Binnenmarkt in der nächsten EU-Legislaturperiode: Analyse zum Letta-Bericht  

Der Überblick zeigt, wie facettenreich die Arbeit auf EU-Ebene ist. Bei allen vorgestellten Themen ist das Europäische Parlament in die Gesetzgebung eingebunden. Daher ist es umso wichtiger, von seinen demokratiepolitischen Rechten Gebrauch zu machen und am 9. Juni wählen zu gehen!

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