Ohne Migration geht es nicht: Geflüch­tete auf dem Arbeits­markt fördern

21. Mai 2025

Aktuell treffen demografischer Wandel sowie Arbeits- und Fachkräfteknappheit auf hohe Arbeitslosigkeit. Studien zeigen, dass Migrant:innen Schlüsselfunktionen am Arbeitsmarkt einnehmen. Um das nachhaltig zu gewährleisten, braucht es ein gutes Zusammenspiel aus Integrations- und Arbeitsmarktpolitik, das auf die Menschen eingeht. Ein gelungener Baustein einer solchen Strategie ist das Jugendcollege des AMS und der Stadt Wien. Teilnehmende bekommen Deutschunterricht, Basisbildung und modulare Weiterbildung. Die AK Wien fordert einen Ausbau und eine nachhaltige Absicherung dieser Maßnahme.

Integration gerecht gestalten, Geflüchtete unterstützen und Beschäftigung steigern

Im April 2025 waren österreichweit rund 400.000 Menschen arbeitslos oder in Schulungen des AMS. Das sind gesamt 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Grund dafür ist die langanhaltende Rezession. Während gegen Immigration politisch Stimmung gemacht wird, ist wissenschaftlich bewiesen, dass Migrant:innen die Lücke am Arbeitsmarkt in einer alternden Bevölkerung schließen können und dies in Deutschland bereits tun. In Österreich gibt es Probleme, ausländische Arbeitskräfte zu halten. Es zeigt sich, dass Personen aus Einwanderungsregionen, wie der Türkei oder Osteuropa, im Gegensatz zu EU- und EWR-Bürger:innen kommen, um zu bleiben. Das ist – auch im Kontext neuerer Migrationsbewegungen – eine Chance für den österreichischen Arbeitsmarkt. Ein Hebel ist, die Integrationspolitik gerechter zu gestalten und dauerhafte Aufenthalte zu vereinfachen. Österreich steht hier bereits seit Längerem in der Kritik und ist eines der restriktivsten Länder weltweit, wenn es um den Zugang zur Staatsbürgerschaft geht. Integrations- und Arbeitsmarktpolitik müssen auch zusammen gedacht werden, um Geflüchtete bei der Ankunft und beim Fußfassen in einer neuen Gesellschaft zu unterstützen.

Geflüchtete qualifizieren: Gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen und Arbeitsmarktbedarf begegnen

Geflüchtete haben oft einen langen und beschwerlichen Weg, bevor sie in einer Gesellschaft Fuß fassen können. Nach Flucht vor Krieg und Verfolgung muss zunächst für das Bleiberecht gekämpft werden. Darüber hinaus sind Geflüchtete oft mit großen Hürden bei Einbürgerung, Integration sowie Zugang zum Arbeitsmarkt konfrontiert. Es ist notwendig, ihnen die Teilhabe an Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu ermöglichen, um ihnen zu ermöglichen, sich einen Platz in der Gesellschaft zu sichern. Studien belegen außerdem, dass Österreich ohne Migration am Arbeitsmarkt mittelfristig Probleme bekommen wird. Das bedeutet: Migration und Integration in Österreich weniger restriktiv zu gestalten ist nicht nur im Sinne Geflüchteter, sondern auch wichtig, um zentrale Branchen, die für das gesellschaftliche Funktionieren notwendig sind, zu stabilisieren.

Es ist ein weiter Weg von der Ankunft in einem neuen Land bis zur formal berechtigten Teilnahme an AMS-Schulungen, zum Erwerb der Sprache und formal in Österreich anerkannten Qualifikationen. Die Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen will die neue Bundesregierung vereinfachen – eine begrüßenswerte Initiative, die rasch und klug umgesetzt werden muss. Allerdings muss eine Strategie entwickelt werden, wie mit nicht-formalisierten Arbeitsmarkterfahrungen umgegangen wird. Aktuell können teilweise langjährige einschlägige Berufserfahrungen nicht anerkannt werden. Expert:innen weisen seit Längerem darauf hin, dass Qualifizierung die Beschäftigung formal Geringqualifizierter steigern kann.

Aktuell sind Personen mit geringem formalem Qualifikationsniveau auf dem Arbeitsmarkt mit diversen Problemen konfrontiert. Zunächst ist das Risiko, arbeitslos zu werden, bei Personen mit maximal Pflichtschulabschluss dreimal so hoch wie im Durchschnitt. Außerdem führt der Vorrang der Arbeitsvermittlung vor Qualifizierung im AMS dazu, dass formalGeringqualifizierte meist in Jobs ohne qualifikatorische Voraussetzungen vermittelt werden, obwohl sie zum Teil gesuchte Erfahrungen haben. Diese Jobs sind häufig unsicher, gering entlohnt und es gibt weniger Aufstiegsmöglichkeiten. Man spricht von prekärer Beschäftigung. Diverse Studien zeigen, Migrant:innen finden – nach oft jahrelangen Wartezeiten auf den Arbeitsmarktzugang – vorwiegend solche Beschäftigung. Prekäre Arbeit hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitenden, wodurch auch Arbeitslosigkeit häufiger wird. Arbeitslosigkeit macht zudem nachgewiesenermaßen krank – ein Teufelskreis, der öffentliche Mittel stark belastet. Darüber hinaus stehen Arbeitsrechtsverletzungen für migrantische Arbeitende auf der Tagesordnung.

Wird aber eine Integrations- und Qualifikationsphase für Geflüchtete entwickelt, die sich den spezifischen Themen der Zielgruppe annimmt – wie der Überführung von Qualifikationen in den österreichischen Kontext –, kann qualifikationsadäquate Anstellung und nachhaltige Arbeit in höherem Ausmaß erreicht werden. Das ist im Sinne einer nachhaltigen Teilhabe immigrierter Personen an der Gesellschaft und zudem im Sinne einer Arbeitsmarktpolitik, die den demografischen Wandel und die Knappheit von Arbeits- und Fachkräften im Auge hat.

Beschäftigungspotenzial steigern und Integration vereinfachen: Beispiel AMS-Jugendcollege

Damit die Höherqualifizierung von formal geringqualifizierten Personen gelingt, braucht es ein stufenweises Vorgehen: von zunächst Basisbildung und Deutschangebot und daran anschließend eine modulare Ausbildung, die bei den Erfahrungen der Teilnehmenden ansetzt. Eine mit der zweiten Stufe vereinbare Erweiterung wäre eine Abwechslung von Praxis- sowie Aus- und Weiterbildungsphasen. So können (formal) bildungsferne Personen in ein System eingeführt werden, das sehr stark auf formale Ausbildungen setzt.

Das Jugendcollege des AMS und der Stadt Wien ist eine Maßnahme, die die erste und zum Teil auch die zweite Stufe dieses Plans abdeckt. Sie ist auf migrierte und geflüchtete Jugendliche zugeschnitten und bietet wienweit für rund 4.000 Teilnehmer:innen zwischen 15 und 25 Jahren sowie ca. 1.000 über 25-Jährige Basisbildung, arbeitsmarktrelevante Schulungen und Deutschunterricht an. Die Teilnehmenden werden je nach ihren Wünschen und Kompetenzen – zum Teil bereits während der Laufzeit – in Lehr- und Arbeitsverhältnisse oder in geringem Ausmaß auch an Schulen vermittelt. Das AMS Wien bemüht sich in dieser Schulungsmaßnahme darum, die Wünsche und Bedürfnisse der Teilnehmenden ernst zu nehmen, und bringt Teilnehmenden auch die Vorteile von Fachausbildungen nahe, so das AMS. Zahlen aus den Vorprojekten und dem aktuell laufenden zeigen, dass 45 Prozent der Teilnehmer:innen in einen Folgekurs kommen. Das ist ein guter Indikator, um zu evaluieren, ob eine solche arbeitsmarkpolitische Maßnahme im Sinne einer nachhaltigen Integrations- und Qualifikationsstrategie steht. Weitere 25 Prozent kommen aktuell in Beschäftigungsverhältnisse. Üblicherweise würde man in der Arbeitsmarktpolitik daher von einem arbeitsmarktpolitischen Erfolg von 70 Prozent und damit von einem guten Erfolg insbesondere bei der Zielgruppe sprechen, die aktuell geringe formelle Qualifikationen mitbringt. Der politische Wille, mehr für die Zielgruppe zu machen, die Maßnahme bedarfsgerecht auszubauen und somit auch Chancen für den Arbeitsmarkt zu nutzen, ist ein Gebot der Stunde.

AK und ÖGB halten Workshops in Jugendcolleges

In der aktuellen Lage stecken Migrant:innen allerdings oft in besonders instabilen und gering entlohnten Arbeitsmarktsegmenten fest. In Branchen wie Logistik, Arbeitskräfteüberlassung, Zustellung, Reinigung, Hilfsjobs in Hotellerie und Gastronomie werden Arbeitsrechte überdurchschnittlich oft verletzt. AK Wien und ÖGB halten daher Workshops in den Jugendcolleges, um Geflüchtete zu den Themen Arbeitsrecht, Kollektivvertrag und Interessenvertretung zu informieren. So soll dafür gesorgt werden, dass migrierte Arbeitnehmer:innen wichtige Informationen zu ihren Rechten und Pflichten rund um das Arbeitsverhältnis erhalten, Arbeitsverträge sorgfältig prüfen und wissen, dass sie sich im Notfall und bei Unklarheiten an AK und die Gewerkschaften wenden können. Im Fokus der Workshops steht, an die Erfahrungen der Geflüchteten in der Arbeitswelt anzuknüpfen – wie es gute Praxis in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit ist – und sie zu empowern, ihre Rechte aktiv einzufordern. Neben Workshops für Jugendcollege-Teilnehmer:innen wurde in Kooperation mit dem AMS Wien auch eine Schulung der Trainer:innen des Projekts durchgeführt. Diese können nun als Multiplikator:innen die Informationen an die Teilnehmenden weitergeben.

Probleme angehen: Langfristig soziale Teilhabe ermöglichen und den Arbeitsmarkt stabilisieren

Die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt ist angespannt, dazu kommen die Dauerthemen demografischer Wandel sowie Arbeits- und Fachkräfteknappheit. Diese Herausforderungen sollten für die Politik ein zusätzlicher Anreiz sein, die Integration für Geflüchtete zu vereinfachen, ihnen einen langfristigen Aufenthalt und eine Perspektive zu ermöglichen. Zur Umsetzung einer Integrationsphase, die spezifische Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt, braucht es eine Strategie, die Qualifizierungen leichter anerkennt, aber auch eine anschließende Qualifizierungs- und Deutschlernphase, in der Kenntnisse und Fähigkeiten schrittweise in das formalisierte nationale System überführt werden können. Eine mehrstufige Qualifizierungsstrategie – wie hier skizziert – für formal geringqualifizierte Geflüchtete, ist ein wichtiger Baustein in einer solchen. Einen ersten Schritt in diese Richtung stellt das Jugendcollege des AMS und der Stadt Wien dar. Um die Integration von Geflüchteten in nachhaltige Beschäftigung weiter voranzutreiben, braucht es darüber hinaus:

  • Nachhaltige Arbeitsmarktintegration als Ziel: Die Integrationsphase mit mehreren Phasen des Lernens und der Praxis muss verbessert werden.
  • Vereinfachung von Anerkennung und Vergleichbarkeit im Ausland erworbener Qualifikationen.
  • Gleichstellung von Qualifizierung und Vermittlung im AMS.
  • Ausweitung des AMS-Budgets, damit die Höherqualifizierung formal Geringqualifizierter durch mehr Plätze in Projekten wie dem Jugendcollege und eine angemessene Personalausstattung für gezielte und individuelle Betreuung ermöglicht wird.
Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung