Wir haben ein leistungsdefiniertes Pensionssystem - und dabei soll es bleiben!

02. Dezember 2014

Mit dem leistungsdefinierten Pensionskonto hat sich Österreich für eine lebensstandardsichernde gesetzliche Altersvorsorge entschieden und eine Teilprivatisierung abgelehnt. Dem Bundesbeitrag zur Finanzierung der Pensionen kommt dabei eine wesentliche Systemfunktion zu. Die aktuelle Kampagne gegen das gesetzliche Pensionssystem stellt mit den Forderungen nach einem beitragsdefinierten Pensionssystem und einer Pensionsautomatik den Bundesbeitrag in Frage. Informationen über die Kontoerstgutschrift und die erwartbare Pension stellen den besten Schutz vor willkürlichen Pensionskürzungen dar.

 

Das „leistungsdefinierte Pensionskonto“ ist ein Erfolg von AK und ÖGB

„Ein faires, gerechtes und finanzierbares Pensionsmodell für alle“ – mit diesem Ziel sind AK und ÖGB im Herbst 2003 in die Verhandlungen über eine Harmonisierung der Pensionssysteme mit der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung eingetreten. In den Verhandlungen konnte erreicht werden, dass die Bundesregierung von ihrem ursprünglichen Konzept eines „beitragsorientierten Pensionskontos“ abgerückt ist, das völlige Unsicherheit der Pensionshöhe für die heute jungen Menschen gebracht hätte, und das „leistungsorientierte Pensionskonto“ in seinen Grundzügen übernommen hat. Das heißt, dass gemäß dem Prinzip der Lebensstandardsicherung nicht nur die eingezahlten Beiträge, sondern bereits die damit erworbenen Pensionsansprüche auf dem Konto gutgeschrieben und fair (mit der Lohnentwicklung) aufgewertet werden. Mit der Kontoerstgutschrift wurde mit 1. Jänner 2014 das komplizierte Nebeneinander von altem und neuem Pensionsrecht abgelöst und die Umstellung auf das Pensionskonto abgeschlossen.

Historisch betrachtet, war es ein langer Weg zu einem für alle Berufsgruppen einheitlichen gesetzlichen Pensionssystem, an dessen Anfang das sogenannte Pensionsnormale vom 26. März 1781 stand, mit dem Josef II. ein prototypisches Pensionsrecht geschaffen hatte, das der Maßstab sein sollte, an dem andere Berufsgruppen die Qualität ihrer Versorgung maßen. Erst 1906 gelang es auch den Privatbeamten (einer eingeschränkten Gruppe von Angestellten) eine gesetzliche Pensionsversicherung durchzusetzen, die jedoch streng beitragsdefiniert war, weil die Regierung keinesfalls bereit war, aus dem „Staatsschatze“ einen Zuschuss zu gewähren. Die Arbeiter waren, wiewohl es einen ausgearbeiteten Gesetzesentwurf zu einer Pensionsversicherung seit den 1890er Jahren gab, überhaupt bis 1938 auf die Armenfürsorge angewiesen, weil der Entwurf wegen einer Wirtschaftsklausel nicht in Kraft trat. Erst 1956 mit dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), wohl im Klima der parteiübergreifenden Euphorie nach dem Staatsvertrag, war man bereit, erhebliche Bundesmittel zur Verfügung zu stellen, um lebensstandardsichernde Pensionen für alle unselbstständig Beschäftigten in Annäherung an die Beamtenversorgung zu gewährleisten. Nach einer diskontinuierlichen Entwicklung wurde schließlich erst mit dem Pensionsharmonisierungsgesetz 2004 ein für alle Berufsgruppen grundsätzlich gleiches Beitragsrecht (mit Ausnahme der Beitragsprivilegien der Selbstständigen und Bauern) und gleiches Leistungsrecht (mit Ausnahme der Beamten der Länder) erreicht.

Die Finanzmarktkrise zeigt: Mit dem „leistungsdefinierten Pensionskonto“ hat Österreich den richtigen Weg beschritten.

Entgegen dem Trend der meisten OECD-Länder ist Österreich mit dem leistungsdefinierten Pensionskonto nicht auf den Privatisierungszug der Alterssicherung aufgesprungen, der seit den 90er und Nullerjahren Fahrt aufgenommen hatte. Der Ausbau der kapitalgedeckten Systeme folgte dem Zeitgeist, der davon ausging, dass auf Finanzmärkten dauerhaft ein höherer Ertrag erzielt werden kann als in der Realwirtschaft und der überdies der Meinung war, dass soziale Risiken unter dem Stichwort „Eigenverantwortung“ zunehmend individualisiert werden sollten. Mit der Finanzmarktkrise hat sich auch die Hoffnung aufgelöst, mit Hilfe kapitalgedeckter Systeme eine gute Alterssicherung bei gleichzeitiger Entlastung der öffentlichen Haushalte zu erreichen. Studien zeigen, dass durch die Einführung kapitalgedeckter Systeme keinerlei Kosten gespart, sondern im Gegenteil die öffentlichen Haushalte durch die Übernahme von Ausfallshaftungen belastet wurden. Die Individualisierung der Risiken Alter, Invalidität und Tod unter dem Titel „Eigenverantwortung“ hat erwiesener Maßen die Altersarmut erhöht, nicht nur in den USA, sondern beispielsweise auch in Deutschland im Zusammenhang mit der Riester-Rente (vgl Studie von Agnes Streissler http://media.arbeiterkammer.at/PDF/Kapitalgedeckte_Pensionen.pdf ).

OECD, EU und Wirtschaftslobbyisten stellen unser leistungsdefiniertes System in Frage

Von der OECD, der EU, von nationalen und zuletzt einem deutschen Experten wird erheblicher Druck ausgeübt vom „leistungsorientiertem Pensionskonto“ abzugehen, indem es unter den Dauerverdacht der Unfinanzierbarkeit gestellt wird. Ungeachtet beschlossener Pensionsreformen und Gutachten der Pensionskommission über deren Wirksamkeit fordern „völlig unabhängige“, wirtschaftsnahe Institute wie Agenda Austria und ECO Austria die Einführung eines beitragsdefinierten Pensionskontos a la Schweden. Die Österreichische Volkspartei wiederum will einen Leistungskürzungsmechanismus durch eine Pensionsautomatik einführen, obwohl im Regierungsprogramm andere Maßnahmen und Ziele vereinbart wurden. Das angebliche hehre Motiv, mit Leistungskürzungen die Pensionen der Jungen zu sichern, entlarvt sich selbst im Widerspruch von „Sichern“ und „Kürzen“. Es geht nicht um die Jungen, sondern um Ideologie und Lobbying, es geht um den Rückbau der öffentlichen Verantwortung für die Alterssicherung, die der Ideologie der liberal-konservativen Parteien zuwiderläuft. Es geht um den mühsam errungenen Beitrag aus dem „Staatsschatze“, der nicht mehr geleistet werden soll.

All den negativen Erfahrungen und Krisen der kapitalgedeckten Systeme zum Trotz sollen die Risiken Alter, Invalidität und Tod teilprivatisiert werden. Die sogenannte Versicherungsdurchdringung (Prämien in Prozent des BIP) im Bereich Leben liegt in Österreich mit 2,1 % deutlich unter dem Durchschnitt der OECD von 4,6 % und weit entfernt von Großbritannien mit 8,4 % (siehe auch: http://www.vvo.at/jahresbericht/index.php). Der Nutzung dieses viele milliardenschweren Marktpotenzials steht das leistungsdefinierte Pensionssystem, das die ÖsterreicherInnen in den Augen der Versicherungswirtschaft zu „Vorsorgemuffeln“ macht, im Weg. So versucht man beharrlich das Vertrauen in das gesetzliche Pensionssystem zu schwächen.

Information ist der beste Schutz vor willkürlichen Eingriffen

In der breiten Verankerung des „leistungsorientierten Pensionskontos“ im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist eine gewisse Bestandsgarantie zu sehen: Zum einen wird der mitgeteilte Betrag rechtskräftig, zum anderen werden Pensionskürzungen erstmals im hohen Ausmaß für jeden einzelnen sichtbar, woraus eine gesteigerte Eingriffshemmung für die Politik resultiert. 5,4 Millionen ArbeitnehmerInnen, BeamtInnen, Selbstständige, FreiberuflerInnen und Bauern/Bäuerinnen haben oder werden eine Mitteilung über ihren bisher erworbenen Pensionsanspruch erhalten. Mit dem Pensionsrechner der AK (http://pensionsrechner.arbeiterkammer.at/) und der PVA (http://www.pensionskontorechner.at/) kann man ohne weiteres jetzt schon seinen künftigen Pensionsanspruch abschätzen. Diese Informationsmöglichkeiten werden im Jahr 2015 von der AK und der PVA ausgebaut und verbessert. Das Ziel ist es, den Herolden der Pensionskürzungen und den Verunsicherungskampagnen der Banken und Versicherungen individuelle objektive und transparente Informationen entgegenzusetzen, um das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit des gesetzlichen Pensionssystems zu stärken.