Offliner: Wie lebt man ohne Internet?

09. April 2018

Der Internetanschluss als Draht zu einer schnelllebigen Welt ist aus dem Alltag vieler nicht mehr wegzudenken. Im aktuellen Rummel um die einschneidenden Folgen des digitalen Wandels wird leicht übersehen, dass zumindest jede/r Siebte in Österreich kein Internet hat, in der Altersgruppe ab 55 Jahren sogar zumindest jede/r Vierte. Eine neue Studie untersucht die Gründe und Folgen der Internetabstinenz.

Wie lebt man ohne Internet?

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Offliner aus, die digitale Services – selbstgewählt oder unfreiwillig – nicht nutzen wollen oder können? Und: Welche Bedürfnisse haben digitale AussteigerInnen, die bewusst wieder offline gehen? Diesen beiden Fragen ist eine gemeinsame Studie von AK und dem österreichischen Institut für angewandte Technik nachgegangen.

Um wie viele Menschen geht es?

Immerhin 14 Prozent der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren sind laut Austrian Internet Monitor völlige Offliner. Daneben gibt es viele, die das Internet selten nutzen. Skepsis und fehlendes Know-how in Bezug auf das Internet sind tendenziell am größten bei Frauen höheren Alters mit formal niedriger Bildung und beschränkten finanziellen Mitteln. Dabei lässt sich der Alltag internetunterstützt – von der WhatsApp-Gruppe mit Familie und Freunden bis hin zu Online-Routenplanern – oft schneller bzw. komfortabler schaukeln.

Alltag ohne Internet

Gemeinhin nimmt man an, es bleibt jedem/jeder selbst überlassen, ob er/sie ein Medium nutzt oder nicht. In der Praxis trifft das allerdings immer seltener zu. Der Druck auf KonsumentInnen ohne Internetzugang ist spürbar und wird weiterwachsen. Bank- und Postfilialen werden rar, gedruckte Fahrpläne ausgedünnt. So manches Carsharing-Angebot setzt die Buchung über Apps voraus. Auch günstigere Onlinetarife oder kostensparende Vergleichsmöglichkeiten im Internet entfallen für Offliner. Durch die Digitalisierung vieler Lebensbereiche laufen KonsumentInnen, die an der Internetentwicklung nicht teilhaben können oder wollen, immer öfter Gefahr, bei ihrer Alltagsbewältigung benachteiligt zu werden.

Offliner verzichten auf den raschen Zugang zu Infos und zunehmend auch auf kostengünstige Onlineservices – etwa Diskontbanken, die nur E-Banking anbieten, billigeren elektronischen Zugtickets, Diensten der Sharing Economy, Kleinanzeigenplattformen usw. Zum Beispiel: Ein Onlinepreisvergleich von Stromanbietern ergab eine Jahresersparnis von rund 200 Euro pro Haushalt. Und auch bei Online-Direktbanken lassen sich je nach Vergleichsprodukt jährliche Kosten bis zu dieser Größenordnung einsparen.

Warum bleiben Menschen offline und verzichten auf Vorteile?

Hinter dem Urteil „Brauche ich alles nicht!“ stecken oft Informationsdefizite über den konkreten Nutzen und die mangelnde Unterstützung beim Einstieg in die digitale Welt sowie die Sorge vor Sicherheitsrisiken (wie Datenschutzdefiziten, Betrugspraktiken). Wer bei der Annäherung an die Onlinewelt nicht unterstützt wird, kann oft auch keine informierte Entscheidung treffen, ob sich dieser Schritt lohnt oder nicht. Dazu braucht es Unterstützungsangebote, etwa den Ausbau leistbarer Beratungs- und Weiterbildungsangebote, aber auch unternehmerischer Kundenservices speziell für technikferne Menschen.

Ein rechtlich verankertes Mindestmaß an analog erbrachten Leistungen ist ebenso abzusichern. Dazu zählen u. a. Papierrechnungen, gedruckte Formulare bzw. Informationen sowie persönliche Kontaktangebote für zentrale Lebensbereiche, wie Mobilität, Energie, Telefonie, Kontoführung, Gesundheit usw. Temporäre Offliner: Achtzugeben ist auch auf jene, die im digitalen Zeitalter zwar längst angekommen, aber wieder – teilweise oder temporär – ausgestiegen sind. Sie reagieren bereits auf den Eindruck, dass das Netz unser Leben überall zu beherrschen beginnt („Für die Lokalwahl ist nicht mehr die Qualität des Essens, sondern der WLAN-Verbindung entscheidend!“). Findige Dienstleister bieten dieser Gegenkultur bereits digitale „Fastenkuren“ an („Schalten Sie mal ab in unserer Urlaubsregion“). Im Arbeitsalltag aber auch im Privatleben wächst das Bedürfnis nach digitalen Ruhepausen.

Fazit

Die Zahl der Offliner mag weiter sinken. Angesichts immer rascherer Innovationszyklen bleibt es aber eine zeitlose Aufgabe, Menschen vor Ausschlusseffekten zu schützen. Stellen heute die Bedienung von Smartphone und Tablet die entscheidenden Hürden für EinsteigerInnen dar, sind es morgen Virtual-Reality-Anwendungen oder Trends, die wir noch gar nicht absehen können. Als Leitmotiv gilt es den digitalen Wandel so zu gestalten, dass es möglichst wenig VerliererInnen gibt. Konkret heißt das etwa, technikbedingte Alltagshürden und Benachteiligungen kontinuierlich zu untersuchen und Unterstützung, die sich an technikferne Menschen richtet, weiter auszubauen. Außerdem muss ein Mindestmaß an analogen Services für wichtige Lebensbereiche rechtlich abgesichert werden.