Menschenrechte: UN-Verhandlungen sollen weltweit verbindliche Regeln für Konzerne bringen

28. November 2017

Zwischenstaatliche Investitionsabkommen erleichtern Konzernen den Zugang zu Märkten und Rohstoffen und schützen deren Interessen mit einklagbaren Rechten. Für den Schutz der Menschenrechte bei weltweiten Unternehmensaktivitäten gibt es jedoch bloß freiwillige Leitprinzipien. Diese werden den Staaten und global agierenden Unternehmen nur „empfohlen“. Sie sind nicht bindend und zeigen deshalb kaum Wirkung.

Daher können sich Unternehmensgewinne auch systematisch aus menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und niedrigen Umweltstandards in ihren Wertschöpfungsketten speisen. Insbesondere am Anfang und am Ende der Zulieferketten sind die Arbeitsbedingungen besonders prekär. Immer wieder sind gravierende Menschenrechtsverletzungen zu beobachten.

Die Opfer wiederum haben bei Verstößen der Wirtschaft gegen menschenwürdige Arbeit praktisch keine Chance auf Entschädigung und Wiedergutmachung. Damit bleiben die Unternehmen straflos. Beim Versuch zu klagen, scheitern die Betroffenen an den unterschiedlichsten nationalen Standards, effektiven Durchsetzungsmechanismen und den nötigen Ressourcen, internationale Rechtsverfahren zu führen. Transnationale Unternehmen können sich somit ihrer Verantwortung in der Wertschöpfungskette entziehen. Menschenrechtsverletzungen sind zu einem strukturellen Bestandteil der globalisierten Wirtschaft geworden.

UN-Arbeitsgruppe trotz Widerstand des globalen Nordens

Auf Initiative von Ecuador und Südafrika sprach sich der UN-Menschenrechtsrat 2014 mehrheitlich für die Erarbeitung eines verbindlichen Menschenrechtsabkommens aus. Dieses soll die Verantwortungslücke schließen. Im Fokus des sog. „UN-Treaty“ steht der Opferschutz als Voraussetzung für eine faire Globalisierung. Seitdem fanden in Genf drei Sitzungen einer dafür eingesetzten zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe statt.

Der globale Norden sprach sich gegen das Verhandlungsmandat aus. Österreich und die meisten Länder des globalen Nordens boykottierten anfänglich die Arbeitsgruppensitzungen. An der letzten Sitzung im Oktober dieses Jahres nahmen Österreich sowie andere Mitgliedstaaten zumindest teil. Doch haben sie sich nicht konstruktiv eingebracht. Damit vertreten sie unverhohlen ausschließlich die Interessen multinationaler Konzerne.

Der globale Süden, unter Führung von Ecuador und Südafrika, wird wiederum von einer breiten Zivilgesellschaft tatkräftig unterstützt. Bei der letzten Sitzung nahmen mehr als 200 VertreterInnen der Zivilgesellschaft sowie von Gewerkschaften aus Nord und Süd teil. Sie haben auch im Vorfeld der Verhandlungen eine breite Allianz gegründet und mit Kampagnen ein öffentliches Bewusstsein geschaffen, um politischen Druck aufzubauen. Nur so ist es gelungen, dass die meisten UN-Mitglieder an der Debatte schlussendlich Ende Oktober teilnahmen.

UN-Menschenrechtsabkommen für transnationale Unternehmen

Vor der diesjährigen Sitzung hat Ecuador die Elemente und Prinzipien des „UN-Treaty“ vorgelegt. Die Staaten sollen mit Gesetzen die multinationalen Konzerne an ihrem Stammsitz zur Einhaltung der Menschenrechte bei ihren Auslandsgeschäften, in ihren Tochterunternehmen sowie in der Lieferkette verpflichten. Verletzungen von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten sind verwaltungs- und/oder strafrechtlich zu ahnden.

Im Fokus des Papiers aber steht der Schutz der Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die Wirtschaft! Ein effektiver Zugang zu Rechtsmitteln ist für Betroffene zu schaffen, damit diese im Schadensfall ihre Rechte auch einklagen können. Menschenrechtsklagen sollen nicht nur vor Ort möglich sein, sondern auch im Staat, in dem der Konzern seinen Stammsitz hat. Unbedingte Voraussetzung ist auch, dass die Länder bei grenzüberschreitenden Fällen zusammenarbeiten. Für die Betroffenen scheitert meist die Wiedergutmachung aus unterschiedlichen Gründen. Neben mangelnden oder schwachen rechtsstaatlichen Strukturen vor Ort entziehen sich die wirtschaftlich Verantwortlichen und Profiteure des Systems der Haftung. Diese Verantwortungslücke ist zu überwinden. Hierzu wird auch ein internationaler Gerichtshof für Menschenrechte angedacht.

Das Abkommen soll auch festschreiben, dass die Menschenrechte Vorrang vor Handels- und Investitionsabkommen haben. Darüber hinaus hat ein internationaler Mechanismus die Einhaltung des Abkommens zu überwachen.

Positionen liegen weit auseinander

Die EU hat sich in der bisherigen Diskussion wenig konstruktiv gezeigt. Und Mitgliedstaaten wie Österreich konnten sich bequem hinter der EU-Position verstecken. Nur Frankreich brachte sich inhaltlich ein. Denn in Frankreich ist ein Gesetz für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Großunternehmen in Kraft.

Für die EU ist die Fortführung des 2011 eingeleiteten sogenannten Ruggy-Prozesses, der Aktivitäten in den drei Säulen „Protect-Respect-Remedy“ vorsieht, Voraussetzung für etwaige UN-Treaty-Verhandlungen. Nationale Aktionspläne (NAP) für Wirtschaft und Menschenrechte sollen mit einem Policy-Mix von Bewusstseinsschaffung, Selbstverpflichtungen, Empfehlungen mehr globale Gerechtigkeit bringen. Dass die NAPs wenig nachhaltig sind, zeigt sich in Österreich, das bis heute keinerlei Maßnahmen gesetzt hat.

Das UN-Treaty setzt explizit am sog. Ruggy-Prozess an und führt diesen weiter aus, indem konsequent die Säule „Opferschutz und Wiedergutmachung“ ausgebaut wird. Die Kommission muss aber sehr wohl zugeben, dass es eklatante Mängel beim Opferschutz gibt und hier Handlungsbedarf besteht. Derzeit will sie sich aber nicht auf eine konstruktive Diskussion einlassen. Ein internationaler Menschenrechtsgerichtshof für die Wirtschaft wird aber dezidiert abgelehnt. Gerade bei diesem Thema werden die politischen Interessen, nämlich Profite vor Menschenrechten, wieder einmal offensichtlich! Denn die EU und ihre Mitgliedstaaten setzen gerade jetzt enorme Ressourcen dafür ein, im Rahmen der UN-Tochter UNCITRAL ein multilaterales Investor-Staat-Schiedsgericht zu verhandeln.

Weiters unterstellt die EU den UN-Treaty-Initiatoren Ecuador und Südafrika, dass der globale Süden Wettbewerbsvorteile lukrieren will. Für die eigenen Unternehmen würde nämlich das UN-Treaty nicht gelten. Doch dieses Missverständnis wurde in langen Diskussionen aus der Welt geräumt. Aus den vorgelegten Prinzipien geht klar hervor, dass alle transnationalen Geschäftstätigkeiten unter das UN-Treaty fallen sollen. Für den Kleinbauern, der seine Bananen auf dem lokalen Markt verkauft, gilt es nicht, sehr wohl aber für den Bananenplantagenbesitzer, der Bananen an Quiquita liefert.

Der UN-Treaty-Prozess braucht breite Unterstützung

Der Prozess tritt jetzt in eine heikle Phase, da formale Hindernisse vorgebracht werden. Die UN-Mitglieder des globalen Nordens vertreten die Auffassung, für die weiteren Verhandlungen im April 2018 bedürfe es eines neuen Mandats. Dies ungeachtet der Tatsache, dass die Arbeitsgruppe dezidiert „open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights“ heißt. Ecuador, welches den Vorsitz der Arbeitsgruppe innehat, will den Diskussionsprozess auf jeden Fall fortführen und wird voraussichtlich eine prozedurale UN-Resolution einbringen. Diese ist erforderlich, damit die UN die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt. Doch die EU und ihre Verbündeten wie Norwegen und die Schweiz wollen Verhandlungen verhindern und üben politischen Druck auf die Entwicklungsländer aus. Mexiko, das mit der EU ein Handelsabkommen verhandelt, hat bereits das Lager gewechselt!

Wenn der globale Süden wieder gegen den Widerstand der Wirtschaftslobby ein neues Mandat durchsetzen muss, kostet das nicht nur viel Zeit, sondern die mühsam erzielte Gesprächsbasis wird aufs Spiel gesetzt. Daher brauchen Ecuador und Südafrika noch mehr Unterstützung von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen, um den Prozess aufrechtzuerhalten. Jetzt gilt es noch mehr, nationale Regierungen und die Kommission unter öffentlichen Druck zu setzen und wie vorgesehen, inhaltliche Kommentare zu den vorliegenden Vorschlägen einzubringen. Hierzu ist eine breite Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und sind politische Entscheidungsträger zu mobilisieren. Das Europäische Parlament sowie Belgien und Frankreich haben sich bereits dafür ausgesprochen, den UN-Treaty-Prozess zu unterstützen.

Für viele von Menschenrechtsverletzungen Betroffene aus dem globalen Südens ist der UN-Prozess ein wichtiges Forum, die Aufmerksamkeit auf die globalen Ungerechtigkeiten und die Machtverhältnisse und Machenschaften multinationaler Konzerne zu lenken. Aus allen Weltregionen des Südens sind die NGOs im Oktober nach Genf gekommen, um auf die Missstände vor Ort hinzuweisen. Auch deswegen dürfen die Verhandlungen jetzt nicht ergebnislos im Sand verlaufen.