Gute Arbeit ist zumutbar!

18. März 2016

Monat für Monat wird im Zusammenhang mit den Berichten über die Arbeitslosenzahlen die Forderung nach strengeren Zumutbarkeitsregeln in der Arbeitslosenversicherung laut. Damit würden Arbeitslose aus der Arbeitslosigkeit geholt und in Beschäftigung gebracht – so lautet die zweifelhafte Begründung.

In Erinnerung ist noch der Sager des WKÖ-Präsidenten Christoph Leitl, der meinte: „Wäre ich arbeitslos, würde ich gern was annehmen, allein wegen des Sinnerlebnisses in meinem Leben.“

Lohndruck verhindern

Nun ist es allerdings so, dass viele ArbeitnehmerInnen dazu gezwungen sind, arbeiten zu gehen – und zwar nicht wegen des Sinnerlebnisses, sondern zu ihrer Existenzsicherung. Genau aus diesem Grund gibt es die gesetzliche Arbeitslosenversicherung mit dem Ziel, einerseits die Existenz in der Arbeitslosigkeit zu sichern. Andererseits soll so Lohndruck verhindert werden, damit Arbeitslose ihre Arbeit nicht aus wirtschaftlicher Not zu allen beliebigen Bedingungen verkaufen müssen.
Die geltenden Regeln sollen eine Einzelfallgerechtigkeit gewährleisten sowie den Druck auf Arbeitsrechtsstandards und Löhne verhindern. Zugleich muten diese Regeln den Arbeitslosen schon jetzt Eigenanstrengungen zur möglichst raschen Wiedererlangung einer Arbeit zu, um die Versicherungsgemeinschaft (BeitragszahlerInnen) nicht mehr als erforderlich zu beanspruchen. Wer Vollzeit arbeitet, soll auch davon leben können: Dieser wichtige Grundsatz wird offenbar zunehmend ignoriert.

Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit

Die immer wieder ins Spiel gebrachten Zumutbarkeitsdebatten verfolgen den Zweck, von den wahren Ursachen der Arbeitslosigkeit abzulenken, um Sozialleistungskürzungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen zu befördern. Die ExpertInnen sind sich einig: Strengere Zumutbarkeitsregeln und Leistungskürzungen würden die Arbeitslosenzahlen nicht verringern. Vielmehr braucht es dringend (wirtschaftspolitische) Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit – nicht gegen die Arbeitslosen. Denn die Hauptursache von Arbeitslosigkeit liegt im schwachen Wirtschaftswachstum. Im Februar 2016 gab es 35.800 offene Stellen – diesen standen 405.722 Arbeitssuchende gegenüber. Anders ausgedrückt ergibt das 11,3 Arbeitssuchende auf eine offene Stelle.
Ein Beispiel, um zu illustrieren, wie wenig die hohen Arbeitslosenzahlen am mangelnden Willen der Arbeitslosen liegen: Das AMS in Ostösterreich hat große Probleme, neue Stellen zu akquirieren, weil viele Betriebe lieber die PendlerInnen aus den Nachbarländern einstellen, die sich direkt im Betrieb melden. Die Forderung nach einer Verschärfung der Zumutbarkeit ist also nichts anderes als eine Zumutung für jene Menschen, die sich ehrlich darum bemühen, einen neuen Job zu finden.

Jenen wiederum, die solches fordern, kann zugemutet werden, Vorschläge vorzulegen, wie die Konjunktur weiter angekurbelt und damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. In der Hinsicht sind sie allerdings erstaunlich still. Auch ist es zumutbar, dass man sich auf europäischer Ebene Gedanken macht, wie die Freizügigkeit der ArbeitnehmerInnen nicht länger dazu missbraucht wird, um Lohn- und Sozialdumping zu betreiben und somit die Wettbewerbsgleichheit auszuhebeln.

Mindestlöhne erhöhen

Zugleich sollte man auch einen Blick auf jene Zumutungen werfen, denen ArbeitnehmerInnen im Arbeitsleben ausgesetzt sind. So ist es eine Zumutung, wenn der Druck auf die ArbeitnehmerInnen immer mehr steigt – und sie dafür noch einmal bestraft werden sollen, indem man bei den Pensionen die Schraube ansetzt.
Finanzminister Hans-Jörg Schelling meinte im Sommer 2015: „Es ist manchmal schwer, Leute zu vermitteln, weil das Arbeitseinkommen gegenüber dem Arbeitsloseneinkommen zu gering ist.“
Ja, da hat er recht: Es braucht eine Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne. Denn gute Arbeit ist zumutbar!

Dieser Beitrag ist als Kommentar zur aktuellen Debatte über die Zumutbarkeit von Kürzungen der Sozialleistungen in Arbeit&Wirtschaft 2/2016 erschienen.
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