Der Zugang zum Arbeitsmarkt von AsylwerberInnen – eine rechtliche Bestandsaufnahme

01. April 2015

Beim Thema Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen gehen regelmäßig die Emotionen hoch. Verständlich wäre eine Aufregung aber eigentlich viel eher, wenn man diese Thematik rund um Existenzsicherung der Personen beleuchten würde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung suchen: Wer von den geschätzten LeserInnen  lebt von € 320 pro Monat? Das ist der Betrag, den ein/e erwachsene/r AsylwerberIn pro Monat (bei selbständigem Wohnen) als Grundversorgung (für Miete und Verpflegung) erhält, das liegt deutlich unter dem Mindestsicherungsrichtsatz und auch sonst sind AsylwerberInnen in der Regel von sozialen Leistungen ausgeschlossen. In diesem Beitrag sollen aber keine sozialpolitischen Argumente bzw. Argumente pro oder contra Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen vorgebracht werden, sondern es soll der rechtliche Status quo beleuchtet werden.

Nach dem Motto „Iudex non calculat“ verzichte ich auf nahezu alle Zahlen, nur so viel: Wenn alle AsylwerberInnen, die in Österreich leben, ein Fußballspiel im Wiener Ernst-Happel-Stadion besuchen würden, wäre dieses immer noch etwa halb leer. Allerdings werden die konkreten Zahlen über offene Anträge derzeit nicht publiziert; zwar gab es 2014 einen starken Anstieg an Asylanträgen, der aber zumindest teilweise auf Flüchtlinge aus Syrien zurückzuführen ist, deren Verfahren sehr oft nach kurzer Zeit – meist positiv – abgeschlossen werden (Link zu den wenigen verfügbaren Zahlen).

Wer ist ein/e Asylwerber/in?

AsylwerberInnen sind Personen, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, über den noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Nicht darunter fallen also Personen, deren Asylverfahren bereits (in allen Punkten) negativ abgeschlossen ist, die aber aus faktischen Gründen nicht abgeschoben werden können.

Eine Beschäftigung ist grundsätzlich möglich

Für AsylwerberInnen ist die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit nicht grundsätzlich verboten: Für sie darf nämlich eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden, wenn die/der AsylwerberIn „[…] seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und über einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht gemäß den §§ 12 oder 13 AsylG 2005 verfügt“ (§ 4 Abs 1 Z 1 AuslBG).

Ein Asylverfahren startet derzeit (diesbezüglich ist eine Novelle in Vorbereitung, BAK-Stellungnahme) mit dem Zulassungsverfahren, in dem bereits eine erste Abklärung der Fluchtgründe erfolgt, im Wesentlichen aber festgestellt werden soll, ob Österreich überhaupt zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist oder ob nach der sogenannten „Dublin III – Verordnung“ (VO (EU) 604/2013) ein anderer Mitgliedstaat das Verfahren führen muss. Das Zulassungsverfahren darf grundsätzlich bis zu 20 Tage dauern (bei „Dublin-Konsultationen“ aber auch länger). Nach der Zulassung des Verfahrens (AsylwerberInnen bekommen dann eine Aufenthaltsberechtigungskarte, vgl § 51 AsylG; „weiße Karte“) darf also noch drei Monate keine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt werden.

Liegt danach noch keine Entscheidung über den Asylantrag vor, kann theoretisch für AsylwerberInnen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden. Eine solche Beschäftigungsbewilligung ist per se eine für die Betroffenen sehr unvorteilhafte Berechtigung, weil sie der/dem ArbeitgeberIn erteilt wird, eine Arbeitsmarktprüfung durchgeführt wird und noch viele andere Kriterien erfüllt werden müssen (siehe Box unten). Da eine Beschäftigungsbewilligung mit Ende der Beschäftigung erlischt, sind ArbeitnehmerInnen oft kaum in der Lage, ihre Rechte faktisch geltend zu machen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Der „Bartenstein-Erlass“

Aufgrund eines Erlasses des Sozialministeriums aus dem Jahr 2004 (dieser hat als „Bartenstein-Erlass“ traurige Berühmtheit erlangt) dürfen Beschäftigungsbewilligungen an AsylwerberInnen aber nur im Bereich von Kontingenten für Saisonbeschäftigung ausgestellt werden: Jedes Jahr werden pro Bundesland für Land- und Forstwirtschaft bzw. für Sommer- und Wintertourismus Kontingente festgelegt (§ 5 AuslBG), wie viele Bewilligungen in diesen Branchen erteilt werden dürfen. Im Rahmen dieser Kontingente dürfen AsylwerberInnen also eine Bewilligung bekommen, sonst nicht.

Es ist (zumindest) sehr fraglich, ob dieser Erlass rechtskonform ist, da er nicht mit dem oben zitierten § 4 Abs 1 Z 1 AuslBG in Einklang zu bringen ist. Ein Erlass soll die Auslegung bzw. konkrete Anwendung des geltenden Rechts für Behörden regeln, keinesfalls aber darf er dem Gesetz widersprechen. Eine Einschränkung auf Beschäftigungsbewilligungen im Saisonbereich ist dem Gesetz aber mE nicht zu entnehmen.

AsylwerberInnen, die jünger als 25 Jahre sind, dürfen für eine Lehre eine Beschäftigungsbewilligung erhalten, wenn im konkret beantragten Beruf ein nachgewiesener Lehrlingsmangel besteht. Auch dies wurde mangels gesetzlicher Grundlage für die generelle Einschränkung durch einen Erlass geregelt.

Es existiert also eine Gesetzesbestimmung, nach der für AsylwerberInnen grundsätzlich eine Beschäftigungsbewilligung nicht ausgeschlossen ist, ein Erlass, mit dem diese Möglichkeit  stark eingeschränkt bis unmöglich gemacht wird und ein weiterer Erlass, mit dem diese Einschränkung für junge AsylwerberInnen wieder relativiert wird.

Heirat mit einer/m Österreicher/in schafft in der Regel keinen Arbeitsmarktzugang

Der Vollständigkeit halber möchte ich an dieser Stelle noch anführen, dass auch eine Heirat mit einer/einem ÖsterreicherIn meist keinen Zugang zum Arbeitsmarkt schafft: Sie dürfen nämlich nur dann bewilligungsfrei arbeiten, wenn sie zur „Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz“ berechtigt sind (§ 47 NAG iVm § 1 Abs 2 lit m AuslBG). Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung als AsylwerberIn erfüllt diese Voraussetzung nicht. Da in den meisten Fällen die Erlangung eines Aufenthaltstitels für Familienangehörige von ÖsterreicherInnen aufgrund notwendiger Auslandsantragstellung nicht möglich ist, schafft eine Heirat keinen Zugang zum Arbeitsmarkt.

Warum arbeiten nur wenig AsylwerberInnen im Saisonbereich?

AsylwerberInnen können sich nach Meinung des Arbeitsmarktservice nicht arbeitsuchend melden. Das AMS kann diese daher nicht (auch nicht in Saisonjobs) vermitteln, da es die betroffenen AsylwerberInnen in der Regel schlicht nicht kennt. Mit Blick auf die oben ausgeführte grundsätzliche Möglichkeit, eine Beschäftigungsbewilligung zu erhalten, ist auch dieser Ausschluss rechtlich fragwürdig. Da die Meldung als „arbeitsuchend“ aber abgesehen von Einzelfällen rechtlich nicht durchgesetzt werden kann, gibt es keine Möglichkeit, das zu erzwingen.

AsylwerberInnen verlieren zudem den Anspruch auf Grundversorgung oft weit über den Zeitraum hinaus, in dem sie arbeiten, sodass sie nach Ende der Saisontätigkeit nicht nur kein Einkommen mehr haben sondern möglicherweise auch ihr Quartier verloren haben. Obwohl das RegierungsprogrammVerbesserte Übergänge zwischen Grundversorgung und legaler (Sai­son-)Beschäftigung“ verspricht, ist zumindest bislang noch keine Änderung dieser Sachlage eingetreten.

Grundsätzlich ist auch eine selbständige Erwerbstätigkeit nach drei Monaten möglich

Innerhalb der ersten drei Monate nach Einbringung des Asylantrags ist AsylwerberInnen die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit untersagt (§ 7 Abs 2 GVG-B). Danach dürfen AsylwerberInnen grundsätzlich selbständig arbeiten, auch eine Gewerbeberechtigung kann erteilt werden.

Oft wird darauf verwiesen, dass AsylwerberInnen neben Saisontätigkeiten lediglich in der Sexarbeit tätig sein dürften. Diese Ansicht ist überholt, da sich die Rechtsansicht durchgesetzt hat, dass grundsätzlich eine Gewerbeberechtigung – nach den ersten drei Monaten nach Einbringung des Asylantrags – möglich ist. Faktisch scheitert aber oft eine Selbstständigkeit an gewerbe- und berufsrechtlichen Vorschriften. Außerdem ist eine Tätigkeit nicht nach der äußeren Erscheinungsform („Wir schließen einen Werkvertrag“), sondern nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt zu beurteilen – und bereits für eine arbeitnehmerInnenähnliche Tätigkeit ist wiederum eine Beschäftigungsbewilligung nötig.

Änderung durch EU-Recht?

Spätestens am 20. Juli 2015 muss die sogenannte „Aufnahmerichtlinie“ (RL 2013/33/EU) in österreichisches Recht umgesetzt werden. Nach dieser Richtlinie müssen AsylwerberInnen spätestens neun Monate nach Antragstellung einen „effektiven“ Arbeitsmarktzugang erhalten. Die Einschränkung auf Saisonarbeit ist daher mE (spätestens) dann nicht mehr zu halten. Eine Arbeitsmarktprüfung wird aber auch nach Juli 2015 europarechtlich möglich sein.

Konklusio

Für AsylwerberInnen besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit, eine Beschäftigungsbewilligung zu erhalten. Aufgrund der Einschränkung auf Saisonarbeit kann man allerdings weitgehend von einem „De facto Arbeitsverbot“ sprechen. Diese Einschränkung wird zwar ab Juli 2015 europarechtlich nicht mehr haltbar sein; sollten aber (wie so oft bei Umsetzung von migrationsrechtlichen Richtlinien) nur die erforderlichen minimalen Schritte gesetzt werden, werden die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt kaum merkbar sein.

Das Thema wird auch im Artikel “Asylsuchende: Bitte warten” in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Arbeit & Wirtschaft aufgegriffen.