Die globale Mindeststeuer – Revolution bei der Konzernbesteuerung oder einfach nur eine Mogelpackung?

22. Dezember 2023

Die Einführung der globalen Mindestbesteuerung für Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro jährlich führt zu einem echten Umbruch im internationalen Steuerrecht. Künftig sollen die Gewinne multinationaler Konzerne nämlich mit mindestens 15 Prozent besteuert werden. Das soll weltweit jährlich zusätzliche Steuereinnahmen von bis zu 220 Milliarden US-Dollar bringen. In Österreich werden diese Maßnahmen mit dem Mindestbesteuerungsreformgesetz, das ab 1.1.2024 in Kraft treten soll, umgesetzt. Die jährlichen Mehreinnahmen werden hierzulande allerdings lediglich mit 100 Millionen Euro angesetzt, das ist deutlich weniger als ursprünglich prognostiziert. Das zeigt deutlich, dass bei der Mindestbesteuerung weiterhin Handlungsbedarf besteht.

Warum die globale Mindeststeuer notwendig ist

Die Grundlagen der internationalen Konzernbesteuerung sind mittlerweile mehr als 100 Jahre alt und nicht mehr zeitgemäß. Die Probleme sind hinlänglich bekannt. Die aggressiven Steuervermeidungsstrategien multinationaler Konzerne und der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten führen weltweit zu jährlichen Steuerausfällen bei der Körperschaftsteuer von bis zu 240 Milliarden US-Dollar, das sind fast 10 Prozent des gesamten Körperschaftsteueraufkommens. Globalisierung und Digitalisierung haben dazu beigetragen, dass multinationale Konzerne die Gewinne, losgelöst von den tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivitäten, problemlos dorthin verschieben können, wo sie gar nicht oder nur sehr niedrig besteuert werden. Diese Tatsachen wurden lange Zeit ignoriert. Die OECD hat im Auftrag der G20 aber letztlich doch im Rahmen des BEPS-Projektes („Base Erosion and Profit Shifting“) ein Zwei-Säulen-Modell vorgestellt. Mit der ersten Säule („Pillar 1“) sollen die Besteuerungsrechte (teilweise) neu verteilt werden und die zweite Säule („Pillar 2“) regelt die globale Mindeststeuer. Die politische Einigung von knapp 140 Staaten im Oktober 2021, die globalen Gewinne multinationaler Konzerne mit zumindest 15 Prozent zu besteuern („Pillar 2“), war jedenfalls ein wichtiger Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit. Die OECD hat mit den GloBE Model Rules im Dezember 2021 die dazugehörigen technischen Grundlagen präsentiert. Ebenfalls im Dezember 2021 legte die EU-Kommission – in Abstimmung mit den OECD-Regeln – einen Richtlinienvorschlag vor, um eine einheitliche Anwendung der Mindestbesteuerung innerhalb der EU zu gewährleisten. Der ursprüngliche Plan sah vor, die Vorschriften zur Mindestbesteuerung mit 1.1.2023 umzusetzen. Dieses ambitionierte Ziel wurde zwar nicht erreicht, letztlich gab es aber eine Einigung, die Vorschriften zur Mindestbesteuerung mit 1.1.2024 in Kraft treten zu lassen.

Die globale Mindeststeuer in Österreich

Der Entwurf zum Mindestbesteuerungsgesetz (MinBestG), mit dem die Mindestbesteuerungsrichtlinie und die OECD-Vorgaben zur globalen Mindestbesteuerung in Österreich ab 1.1.2024 umgesetzt werden sollen, ist trotzdem fast unbemerkt von der Öffentlichkeit erst im Oktober 2023 zur Begutachtung verschickt worden, und die Begutachtungsfrist war mit lediglich 17 Tagen für diese neue und sehr komplexe Gesetzesmaterie äußerst kurz bemessen. Am 14.12.2023 wurde das Mindestbesteuerungsreformgesetz schließlich vom Plenum des Nationalrates einstimmig beschlossen. Die endgültige Gesetzwerdung bleibt noch abzuwarten, vom geplanten Inkrafttreten mit Anfang 2024 wird man aber ausgehen können.

Wie funktioniert die globale Mindeststeuer

Die Grundprinzipien sind denkbar einfach. Betroffen sind alle Konzerne mit einem weltweiten Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro. Das Ziel der Mindestbesteuerung soll durch die Festsetzung und Einhebung von sogenannten Ergänzungssteuern erreicht werden. Kernstück ist die Primäre Ergänzungssteuer, die bei der Konzernmutter immer dann anfällt, wenn Teile des Konzerns in einzelnen Staaten mit einem effektiven Steuersatz von weniger als 15 Prozent besteuert werden. Dann wird bei der österreichischen Muttergesellschaft die Differenz zwischen dem Mindeststeuersatz von 15 Prozent und der tatsächlich bezahlten Steuer nachverrechnet. Als Auffangregel dazu kommt die sogenannte Sekundäre Ergänzungssteuer dann zur Anwendung, wenn die Muttergesellschaft in einem Staat mit einer effektiven Steuerbelastung von weniger als 15 Prozent ansässig ist. In diesem Fall wird wieder ein Ergänzungssteuerbetrag ermittelt, der sicherstellen soll, dass der Konzerngewinn mit 15 Prozent besteuert wird. Diese Ergänzungssteuer wird mittels einer formelbasierten Aufteilung (Umsatz, Personal, Sachanlagevermögen) an die Länder verteilt, in denen sich die Tochtergesellschaften befinden. Das stellt sicher, dass auch durch eine Verlegung des Unternehmenssitzes in eine Steueroase die Mindestbesteuerung nicht umgangen werden kann. Zusätzlich dazu – und diese Regelung ist kritischer zu sehen – können auch die Staaten selbst, in denen die Gewinne der einzelnen Konzerngesellschaften einer effektiven Steuerbelastung von weniger als 15 Prozent unterliegen, mittels einer sogenannten Nationalen Ergänzungssteuer die Differenz nachversteuern. Das kommt den Niedrigsteuerländern und Steueroasen zugute, weil diese so ihre Gewinnsteuersätze nicht anheben müssen.

Grafik: Ermittlung der Primären Ergänzungssteuer © A&W Blog
© A&W Blog


In der Praxis ist die Umsetzung dann allerdings sehr komplex. Das Mindestbesteuerungsgesetz ist ein eigenständiges Gesetz, hat insgesamt 84 Paragrafen und ist damit deutlich umfangreicher als das eigentliche Körperschaftsteuergesetz.

Um den Konzernen und auch den Steuerverwaltungen einen übermäßigen Verwaltungsaufwand zu ersparen, spielen die sogenannten Safe-Harbour-Regelungen eine wesentliche Rolle. Mit diesen wird festgelegt, wann für bestimmte Länder jedenfalls keine Ergänzungssteuer anfällt, weil a priori davon auszugehen ist, dass die effektive Besteuerung von 15 Prozent erreicht wird bzw. weil die wirtschaftlichen Aktivitäten des Konzerns in bestimmten Ländern von derart untergeordneter Bedeutung sind, dass es zu keinen relevanten Gewinnverschiebungen kommen kann. Alle Staaten, beispielsweise jene, die anerkannte Nationale Ergänzungssteuersysteme einführen, fallen unter die Safe-Harbour-Bestimmungen, weil man jedenfalls davon ausgehen kann, dass die 15-prozentige Effektivbesteuerung erreicht wird.

Problematischer ist die sogenannte Substanzbegünstigung (Carve-out-Regelung), die es den Konzernen ermöglicht, auf eine effektive Steuerbelastung von unter 15 Prozent zu gelangen. Bei der Ermittlung der Ergänzungssteuer dürfen nämlich Abschläge für die wirtschaftliche Substanz in Höhe von 5 Prozent der Lohnsumme und des materiellen Anlagevermögens vorgenommen werden. Dadurch kann die effektive Steuerbelastung auf unter 15 Prozent sinken und es wird ein gewisser Anreiz für Steuerdumping geschaffen.

Die globale Mindeststeuer soll grundsätzlich mit 1.1.2024 in Kraft treten. Die Vorschriften zur Sekundären Ergänzungssteuer gelten allerdings erst ab 1.1.2025.

Was bringt die globale Mindeststeuer

Die Liste der Kritikpunkte ist lang. Ein Mindeststeuersatz von 15 Prozent ist eigentlich zu niedrig. Die Umsatzgrenze von 750 Millionen Euro ist wiederum zu hoch. Die Möglichkeit der Einführung der nationalen Ergänzungssteuersysteme hilft letztendlich Steueroasen und Niedrigsteuerländern. Die Carve-out-Regelung ermöglicht es, die Konzernsteuerbelastung auf unter 15 Prozent zu drücken, und in Verbindung mit der Nationalen Ergänzungssteuer droht hier zudem eine neue Form des schädlichen Steuerwettbewerbes.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass von den ursprünglich prognostizierten Mehreinnahmen für Österreich von rund 600 Millionen Euro wenig übriggeblieben ist. Im Begutachtungsentwurf werden die Mehreinnahmen (ab 2026) nur mehr mit 100 Millionen Euro angesetzt. Inwieweit die weltweiten Mehreinnahmen von bis zu 220 Milliarden US-Dollar tatsächlich erreicht werden können, wenn alle Maßnahmen umgesetzt sind, bleibt daher ebenfalls noch abzuwarten.

Trotz der vorhandenen Schwächen muss die Einführung der globalen Mindeststeuer als großer Erfolg bewertet werden. Vor einigen Jahren noch schien eine Einigung auf eine weltweite globale Mindeststeuer als völlig illusorisch. Immerhin wollen fast 140 Staaten, die mehr als 95 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung darstellen, die globale Mindeststeuer einführen. Bei aller Kritik am niedrigen Mindeststeuersatz darf man nicht vergessen, dass es sich hier um einen effektiven Steuersatz handelt, daher werden die Anreize für Gewinnverlagerungen in Steueroasen und Niedrigsteuerländer insgesamt weniger werden. Das ändert aber nichts an der Forderung, den Mindeststeuersatz auf 25 Prozent anzuheben.

Wie soll es weitergehen

Um sicherzustellen, dass die globale Mindestbesteuerung wirklich ein Erfolg wird, sind begleitende Maßnahmen notwendig. Neben der globalen Mindeststeuer („Pillar 2“), müssen auch die Arbeiten zur weltweiten Neuregelung der Besteuerungsrechte („Pillar 1“) umgesetzt werden.

Die Initiativen, zumindest innerhalb der EU ein einheitliches Regelwerk bei der Unternehmensbesteuerung zu implementieren („BEFIT“), müssen ebenfalls vorangetrieben werden, und es muss sichergestellt werden, dass die schon jetzt bestehenden Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung im österreichischen Körperschaftsteuerrecht (Passiveinkünfte niedrig besteuerter Körperschaften, Zinsschranke, Abzugsverbot für Zinsen oder Lizenzgebühren) jedenfalls beibehalten und in einigen Punkten auch noch nachgeschärft werden. Die im Zuge der Steuerreform 2022 beschlossene schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer auf 23 Prozent, welche im Kontext der globalen Mindestbesteuerung ein völlig falsches Signal ist, stellt eine nicht gerechtfertigte und auch nicht notwendige Begünstigung für Großbetriebe dar (zwei Drittel der Senkung kommen dem gewinnstärksten 1 Prozent der Unternehmen zugute). Die budgetären Mittel wären in anderen Bereichen (Bildung, Pflege, Armutsbekämpfung etc.) deutlich besser investiert.

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