Die öffentliche Beschaffung als Vorbild im Klimaschutz?

11. August 2023

Um in der Klimapolitik qualifizierte Entscheidungen treffen zu können, braucht es Informationen über die Emissionen in Zusammenhang mit verschiedenen Produkten entlang ihrer Wertschöpfungsketten. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts macht hier einen wichtigen Schritt und berechnet den CO2-Fußabdruck der öffentlichen Beschaffung. Es wird ersichtlich, dass das Bundesvergabegesetz nachgeschärft werden muss, um die öffentliche Beschaffung nachhaltig(er) zu gestalten.

Im Zuge seiner vielfältigen Aufgaben tätigt der Staat Beschaffungen, die einen erheblichen Teil des Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Dieser öffentlichen Beschaffung wurde im Zusammenhang mit der Erreichung der Klimaziele bisher zu wenig Beachtung geschenkt. Daher hat sich das Wirtschaftsforschungsinstitut im Zuge einer Studie, die bereits in zwei vorhergegangenen Blogbeiträgen vorgestellt wurde, mit genau dieser Thematik befasst. Ziel war es einerseits die mit der öffentlichen Beschaffung verbundenen Emissionen zu quantifizieren und andererseits rechtliche Spielräume in Hinblick auf eine ökosoziale Beschaffungspraxis zu erheben.

Die Studienergebnisse zeigen, dass der Staat im Zusammenhang mit der Erreichung der Klimaziele ein wichtiger Akteur ist. Im Zeitraum 2015 bis 2020 wurden durch die öffentliche Beschaffung, die ca.18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachte, im Jahresdurchschnitt weltweite CO2-Emissionen in Höhe von 19,5 Mio. Tonnen ausgelöst. Die errechneten Emissionen wurden im Zuge der Studie nach unterschiedlichen Gesichtspunkten getrennt betrachtet.

Große Unterschiede in Emissionsintensität und Beschaffungsvolumen zwischen den Branchen

Die Studienergebnisse erlauben auch eine Zuordnung der Emissionen durch die öffentliche Beschaffung zu den unterschiedlichen Branchen. Die folgende Abbildung zeigt eine Auswertung auf Ebene der Branchen (NACE 1-Steller). Hier sind zwei Faktoren zu berücksichtigen:

  1. Wie emissionsintensiv ist eine Branche? Um diese Frage zu beantworten, berechnet das WIFO die Emissionen in kg CO2 je 100€ öffentlicher Beschaffung. Als besonders emissionsintensiv zeigen sich die Energieversorgung, der Bergbau sowie Verkehr und Lagerei, gefolgt von Herstellung von Waren und dem Bau.
  2. Wie hoch ist das Beschaffungsvolumen in den jeweiligen Branchen? Hier zeigt sich, dass besonders viele Mittel der öffentlichen Beschaffung in die Branchen Herstellung von Waren, Bau, Gesundheits- und Sozialwesen, Information und Kommunikation sowie Verkehr und Lagerei fließen.
Dekoratives Bild © A&W Blog
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Prioritätensetzung hinsichtlich Zukunftsinvestitionen

Die größten Hebelwirkungen zur Ökologisierung der öffentlichen Beschaffung sind in jenen Branchen zu verorten, die ein hohes Emissionsniveau verursachen. Dies trifft vor allem auf die Branchen Herstellung von Waren, Bau und Verkehr zu.

Um die öffentliche Beschaffung in Einklang mit der Erreichung der Pariser Klimaziele zu bringen, lohnt sich jedoch ein genauerer Blick auf die Branchen, da innerhalb einer Branche unterschiedliche Produkte beziehungsweise Dienstleistungen zusammengefasst werden. Neben der Reduktion von Emissionen, bedarf es auch einer Prioritätensetzung hinsichtlich notwendiger Zukunftsinvestitionen oder sozialer und gesundheitlicher Infrastruktur unter Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Gesichtspunkte.

Innerhalb der Branche Herstellung von Waren verursacht die Beschaffung in nachfolgenden Bereichen besonders hohe CO2-Emissionen: medizinische und zahnmedizinische Apparate und Materialien, Schienenfahrzeuge und pharmazeutische Erzeugnisse. Hier sind die Einsparungspotenziale unterschiedlich einzuschätzen. Während sich bei medizinischen und zahnmedizinischen Apparaten sowie pharmazeutischen Erzeugnissen relevante Einsparungspotentiale durch Gesundheitsförderung, qualitativ bessere Diagnosen und gezieltere Behandlungen (z. B. keine Verschreibung wirkstoffüberlappender Medikamente) ergeben können, werden im Bereich Schienenfahrzeuge Investitionen für die Verkehrswende notwendig sein.

Die Baubranche nimmt hier eine besondere Stellung ein. Einerseits können Emissionen durch die Verringerung, Anpassung oder Einstellung von Bautätigkeit selbst (Anzahl und Größe der Gebäude, Schnellstraßen oder Autobahnen) oder die Verwendung klimafreundlicher(er) Baumaterialien verringert werden. Andererseits können sich Tätigkeiten im Zuge der Baubranche auch emissionsreduzierend auf andere Bereiche auswirken. Beispielsweise verringern Investitionen in einen klimaneutralen Gebäudebestand die Emissionen für Raumwärme, der Ausbau von Bahninfrastruktur hilft beim großen Problembereich Verkehr die Emissionen zu verringern.

Ökologische und soziale Kriterien im Bundesvergabegesetz vereinen

Um die öffentliche Beschaffung verpflichtenden ökologischen Kriterien zu unterwerfen, bedarf es Nachschärfungen im Bundesvergabegesetz. Nicht nur ökologische, sondern auch soziale Kriterien müssen in Zukunft bei der öffentlichen Auftragsvergabe verpflichtend Anwendung finden.

  • Daher sollte die verpflichtende Aufnahme ökologischer Kriterien auf der Ebene der Eignungskriterien eingeführt werden. Damit würden nur Unternehmen für die Auftragsvergabe in Betracht gezogen, die hier gute Werte vorweisen können.
  • Es soll nicht nur das Endprodukt in Bezug auf diese Kriterien analysiert werden, sondern auch die jeweiligen Lieferketten berücksichtigt werden.
  • Auf Seite der sozialen Kriterien muss die Auftraggeberhaftung bei Subunternehmen verpflichtend im Vergabegesetz verankert werden.
  • Zudem sollen weitere soziale und ökologische Kriterien auf Ebene der Zuschlagskriterien im Bundesvergabegesetz verankert werden. So soll sichergestellt werden, dass öffentliche Aufträge an jene Unternehmen vergeben werden, die sich bestmöglich um die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards bemühen.
  • Um Unternehmen und öffentliche Auftraggeber:innen zu unterstützen soll eine Beratungsstelle eingerichtet werden.
  • Zudem soll die öffentliche Vergabepraxis jährlich in Bezug auf soziale und ökologische Kriterien evaluiert werden und es müssen sofort, also auch vor Beschluss von Nachschärfungen im Bundesvergabegesetz, die gesetzlichen Spielräume ausgenutzt werden, um die öffentliche Beschaffung nachhaltig zu gestalten.

Change by design, not by disaster!

Je länger wir abwarten, desto weniger Zeit bleibt uns, um die Klimaziele zu erreichen bzw. desto drastischer müssten die Einschnitte sein, damit uns die sozial-ökologische Wende doch noch gelingt. Daher gilt es, einfache und notwendige Lösungen umgehend umzusetzen, um uns für kompliziertere Probleme mehr Zeit zu erkaufen. Die öffentliche Beschaffung nach sozialen und ökologischen Kriterien auszurichten ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, aber es braucht noch viele weitere. Um diese weiteren Schritte gezielt zu setzen, braucht es eine datenbasierte Entscheidungsgrundlage, zu der die vorliegende WIFO-Studie einen wichtigen Beitrag leistet.