Das Gemeinnützigkeitspaket 2023: eine kritische Betrachtung

25. Oktober 2023

Anfang Juli 2023 wurden im Rahmen eines Ministerratsvortrags umfassende Neuerungen in Form eines „Gemeinnützigkeitspakets“ im Zusammenhang mit der Ausweitung der steuerlichen Spendenbegünstigung in Österreich beschlossen. Mittlerweile wurde auch der entsprechende Begutachtungsentwurf für ein Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 veröffentlicht. Durch das Gesetz werden steuerliche Spendenbegünstigungen deutlich erweitert und die Verwaltung wird vereinfacht. Obwohl Verwaltungsvereinfachungen prinzipiell zu begrüßen sind, können durch die geplante Reform unerwünschte Nebeneffekte und ein erhöhtes Missbrauchsrisiko nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Eine kritische Betrachtung der wesentlichen Änderungen.

Status quo

Bisher wurde die Liste von abzugsfähigen Spenden im § 4a Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt. Es sind daher lediglich Spenden absetzbar, die unter die engen Bedingungen des genannten Paragrafen fallen. Für Vereine, die mildtätige Zwecke, Katastrophenhilfe oder den Umweltschutz verfolgen, war eine Spendenbegünstigung nur nach dreijährigem Bestehen und nach Prüfung durch eine:n unabhängige:n Wirtschaftsprüfer:in möglich.

Die geplante Änderung sieht nun vor, die Spendenabsetzbarkeit pauschal an die viel breiter gefasste Gemeinnützigkeit nach §§ 34 ff Bundesabgabenordnung (BAO) zu knüpfen. Dies kommt einer massiven Ausweitung gegenüber der taxativen Aufzählung des § 4a EStG gleich. Dies bestätigt auch die Wirkungsfolgenabschätzung des BMF, in welcher mit deutlichen Einnahmenausfällen (100 Mio. Euro pro Jahr) gerechnet wird. Welche Neuerungen mit dem vorgeschlagenen Gesetz verbunden sind und welche Folgen sich daraus ergeben, zeigen wir in der Folge auf.

Erweiterung der Liste abzugsfähiger Spenden

Durch die Anknüpfung an die §§ 34 ff BAO werden einige Bereiche in die Spendenbegünstigung einbezogen, welche vorher nicht abzugsfähig waren. Zuallererst ist der Bildungsbereich zu nennen. Insbesondere Spenden an Einrichtungen der Elementarpädagogik, der Schulbildung und der Erwachsenenbildung sind hierbei erwähnenswert. Auch der Sportbereich kann in Zukunft als begünstigter Zweck angesehen werden. Zusätzlich soll die Absetzbarkeit von Spenden im Bereich Kunst und Kultur deutlich erleichtert werden. Durch die allgemeine Ausrichtung auf gemeinnützige Zwecke im Sinne der §§ 34 f BAO sollen auch andere Ziele, wie Kinder-, Jugend- und Familienfürsorge, Menschenrechte, Frauenförderung sowie Konsumentenschutz, unter die Spendenbegünstigung fallen. Für die betroffenen Einrichtungen bringt die Ausweitung massive Vorteile: Ihre Spenden werden vom einen auf den anderen Tag deutlich begünstigt, wodurch der Anreiz stark steigt. Es ist daher zu erwarten, dass die Änderung auch zu einer deutlichen Verlagerung innerhalb der Spendenlandschaft führen wird.

Vereinfachung und Maßnahmen gegen Missbrauch

Für die Aufnahme in die Spendenliste war bisher eine dreijährige Tätigkeit im begünstigten Bereich sowie eine Prüfung der Vereinsfinanzen durch eine unabhängige Wirtschaftsprüfung erforderlich. Bei dieser wurde sowohl die grundlegende Begünstigungsfähigkeit im Sinne des § 4a sowie die satzungsgemäße Mittelverwendung überprüft. Erst nach dieser erstmaligen Prüfung konnte die Aufnahme in die Liste der spendenbegünstigten Empfänger:innen beim Finanzamt beantragt werden.

Künftig soll bereits eine einjährige Tätigkeit im gemeinnützigen Bereich ausreichen. Statt der bisherigen Bestätigung durch Wirtschaftsprüfer:innen (die den Rechnungs- oder Jahresabschluss prüfen), wird ein vereinfachtes Meldeverfahren mittels Formular (oder FinanzOnline) über Steuerberater:innen eingeführt. Dies soll vor allem kleinen Vereinen finanzielle Erleichterungen bringen. Die Verlängerung, die bisher beantragt werden musste, soll automatisch über eine Meldung durch eine:n Wirtschaftstreuhänder:in (in der Regel die bzw. der Steuerberater:in) erfolgen. Diese Umstellung ist kritisch zu sehen.

Zwar haften auch Steuerberater:innen für missbräuchliche Angaben im Bereich der Gemeinnützigkeit und der Finanzgebarung von Vereinen. Das Naheverhältnis von Steuerberatung zu Steuerpflichtigen birgt jedoch ein gewisses Risiko, besonders im Vergleich zu einer unabhängigen Wirtschaftsprüfung.

Um den Missbrauch von Spendenbegünstigungen zu verhindern, sind zugleich rechtliche Konsequenzen und Haftungsbestimmungen für unrichtige Spendendaten und Spendenbestätigungen vorgesehen. Diese Haftung wird jedoch erst schlagend, wenn die entgangene Steuer bei der bzw. dem Steuerpflichtigen uneinbringlich ist.

Die geplanten Vereinfachungen werfen Bedenken hinsichtlich der Transparenz auf. Wenn die Aufnahme in die Spendenliste erleichtert wird und die Überprüfung der Spendenempfänger weniger streng ist, steigt die Gefahr, dass künftig auch Organisationen, welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Steuerbegünstigung profitieren könnten. Für die bislang erforderliche Kontrolle durch eine unabhängige Stelle (Wirtschaftsprüfer:in) gibt es somit gute Argumente.

Fraglich ist außerdem, ob eine einjährige Zeitspanne ausreicht, um die Integrität und das langfristige Engagement einer Organisation bewerten zu können. Eine erhöhte Missbrauchsgefahr ist nicht auszuschließen. Der Anreiz, eine spendenbegünstigte Organisation nur dafür zu errichten, um von Steuervorteilen zu profitieren und nur in untergeordnetem Ausmaß gemeinnützige Ziele zu verfolgen, könnte durch die Reform gestärkt werden. Eine Verkürzung der Dauer der erforderlichen gemeinnützigen Tätigkeit könnte somit dazu führen, dass vermehrt kurzfristige Projekte oder Organisationen geschaffen und gefördert werden, anstatt langfristige gemeinnützige Arbeit zu unterstützen.

Bringt die Erweiterung nur Vorteile?

Die Anknüpfung an die §§ 34 ff BAO birgt Risiken: Die Gemeinnützigkeit nach BAO ist deutlich breiter gefasst als jene des § 4a EStG. Die Optionen, begünstigte Vereine zu gründen, steigen dadurch deutlich an.

Die Absetzbarkeit von Spenden im Bereich der Bildung birgt zudem die Gefahr, einzelnen Kindern ungerechtfertigte Vorteile verschaffen zu können, da die Spendenbereitschaft deren Eltern höher ist als anderer. Es besteht außerdem die Sorge, einen gewissen Anreiz zu schaffen, das System auszunützen und Eltern eine Spende „nahezulegen“, um damit die nicht absetzbaren Kosten für begünstigte Schulen, davon umfasst sind auch kirchliche Schulen, möglichst niedrig zu halten. Es wird zwar in den Erläuternden Bemerkungen des Begutachtungsentwurfes erwähnt, dass Schulgelder und im Rahmen der Bildungsleistung anfallende Aufwendungen nicht als Sonderausgabe abzugsfähig sein sollen, offen bleibt allerdings, wie dies in der Praxis überprüft werden soll. Und auch in verteilungspolitischer Hinsicht besteht die Problematik, dass wohl eher Privatschulen, die bereits jetzt finanziell deutlich besser ausgestattet sind, profitieren werden. Die Neuregelung droht daher bildungspolitische Ungleichgewichte zu verschärfen, indem sie einen steuerlichen Anreiz setzt, Spenden an Privatschulen zu leisten.

Durch die Erweiterung der Spendenbegünstigung auf den Sportbereich könnten wiederum soziale und karitative Zwecke künftig vernachlässigt werden. Sportvereine, insbesondere in ländlichen Regionen, profitieren in der Regel bereits jetzt von beträchtlicher Unterstützung: Sowohl in Form von finanziellen Zuwendungen von Gemeinden als auch Sponsoring durch lokale Unternehmen.

Reform der steuerbegünstigten Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen

Die bisherige jährliche „Sunset Clause“ für abziehbare Zuwendungen zur Vermögensausstattung gemeinnütziger Stiftungen, die spendenbegünstigte Zwecke verfolgen, soll zu Dauerrecht werden. Weiters soll die Höchstbetragsgrenze von 500.000 Euro angehoben werden, und es soll eine Vortragsmöglichkeit geben, um die Gründung gemeinnütziger Stiftungen attraktiver und die Mittelverwendung flexibler zu gestalten. Außerdem besteht für gemeinnützige Stiftungen nicht mehr die Verpflichtung, Vermögenserträge binnen drei Jahren dem begünstigten Zweck zuzuführen, sondern es erfolgt eine Verlängerung der Frist auf sieben Jahre. Bei Nichteinhaltung der Frist soll zudem der Zuschlag zur Körperschaftsteuer entfallen. Insgesamt zielen die Maßnahmen darauf ab, Anreize zu setzen, die Erträge nicht sofort und unmittelbar für den gemeinnützigen Zweck zu verwenden.

Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts und Rechtssicherheit

Ein „großes“ und „kleines“ Freiwilligenpauschale für Ehrenamtliche soll im Einkommensteuergesetz verankert werden. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, steuerpflichtige Einkünfte, z. B. aus einem Dienstverhältnis, in steuerfreie Aufwandsentschädigungen umzuwandeln. Insbesondere das große Freiwilligenpauschale könnte einen Anreiz darstellen, Tätigkeiten für spendenbegünstigte Organisationen nicht mehr in Form eines echten Dienstverhältnisses auszuüben, sondern auf „freiwilliger Basis“, um so die identen Zahlungen als steuerfreie Aufwandsentschädigungen zu erhalten.

Zudem ist vorgesehen, dass formale Satzungsmängel bei tatsächlicher gemeinnütziger Geschäftsführung rückwirkend saniert werden können. Ausnahmegenehmigungen für begünstigungsschädliche wirtschaftliche Geschäftsbetriebe und Gewerbebetriebe sollen zukünftig auch rückwirkend erteilt werden können. Sogar Kooperationen zwischen gemeinnützigen und nicht gemeinnützigen Organisationen sollen unter bestimmten Bedingungen zulässig sein.

Zusätzlich ist geplant, die Umsatzgrenze für die automatische Ausnahmegenehmigung für begünstigungsschädliche Nebenbetriebe von 40.000 Euro auf 100.000 Euro anzuheben. Schließlich ist vorgesehen, dass im Falle der Auflösung oder des Wegfalls des begünstigten Zwecks bis zu zehn Jahre lang eine Nachversteuerung erfolgen kann, falls die Mittel nicht für begünstigte Zwecke verwendet wurden.

Die Regel für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe betrifft derzeit oft etwa Vereinskantinen, große Vereinsfeste oder Vereinslokale mit Speisen und/oder Getränkeangebot. Die Anhebung auf 100.000 Euro stellt somit eine deutliche Vereinfachung dar.

Fazit

Es ist grundsätzlich zu hinterfragen, ob die Finanzierung gemeinnütziger Zwecke verstärkt in den privaten Sektor verlagert werden sollte. Vielmehr ist es Aufgabe einer Gesellschaft bzw. des Staates zu definieren, was gefördert und entsprechend finanziert werden soll.

Entscheiden einzelne Personen, was ihnen wie viel wert ist, kann es letztlich auch dazu kommen, dass einzelne Bereiche unter- und andere übermäßig finanziert werden. Zudem steigt das Spendenvolumen mit der Größe der Organisation, da hier mehr Mittel für die Eigenwerbung vorhanden sind.

Ein weiterer problematischer Punkt der geplanten Änderungen besteht darin, dass dadurch zunehmend die Gefahr entsteht, dass sich Großspender:innen ein wohlwollendes Verhalten einer bestimmen Organisation „erkaufen“. Im Bildungsbereich ist zu befürchten, dass Ungleichgewichte durch den neuen steuerlichen Anreiz, Spenden an Privatschulen zu leisten, verschärft werden könnten. Dazu kommt das bereits angesprochene Problem der weitgehenden Nichtüberprüfbarkeit beim Verhältnis von Schulgeld zu Spenden.

Während Verwaltungsvereinfachungen prinzipiell zu begrüßen sind, wird die Ausweitung der Spendenbegünstigung über einen Anstieg des Spendenvolumens auch zu deutlichen Einnahmeausfällen des Staates von geschätzt ca. 100 Mio. Euro führen. Ob die Finanzierung von gesellschaftlich bedeutsamen Zwecken tatsächlich besser durch Private statt der öffentlichen Hand passieren kann, darf jedoch abschließend bezweifelt werden. Eine Entwicklung wie beispielsweise in den USA, wo Vermögende regelmäßig Millionen an Universitäten, Spitäler oder andere Institutionen spenden und sich so Einfluss sichern, wäre aus unserer Sicht jedenfalls strikt abzulehnen.

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