„Wie in der Sauna“ – starke Hitzebelastung armutsbetroffener Kinder

30. August 2023

Extrem hohe Temperaturen führen zu Hitzebelastung in der gesamten Bevölkerung, treffen aber vulnerable Gruppen besonders hart, insbesondere armutsbetroffene Kinder. Eine aktuelle Studie des Kompetenzzentrums Klima und Gesundheit (an der GÖG) und der Volkshilfe zeigt: Die Hälfte derKinder der befragten armutsbetroffenen Familien ist bei Hitze unruhiger, fühlt sich unwohl, weint mehr, schläft schlechter, ist weniger motiviert, sich zu bewegen, und aggressiver. Gleichzeitig ist die Nutzung von öffentlicher Infrastruktur, wie z. B. Schwimmbädern, Museen etc., für fast die Hälfte der befragten Familien zu teuer. Es besteht daher Bedarf an leistbaren bzw. kostenfreien öffentlichen Räumen im Freien, aber auch an kühlen und kindgerechten Innenräumen, um Kinder besser vor Hitze schützen zu können.

Armutsbetroffene und Kinder leiden besonders unter der Hitze

Was für uns alle spürbar ist, unterstreichen auch zahlreiche Studien: Die gesundheitlichen, psychischen und sozialen Folgen der Klimakrise sind auch in Europa längst angekommen. Und: Sie werden in den nächsten Jahren noch dramatisch zunehmen. Doch sie treffen nicht alle Menschen gleich, Armutsbetroffene leiden besonders unter Folgen wie der Hitze.

Die Ursachen dafür sind vielfältig, aber strukturell angelegt: Schlechtere Wohnbedingungen wie Überbelag, stärkere regionale Betroffenheit durch städtische Hitzeinseln, schwere körperliche Arbeit (im Freien) und die größere Betroffenheit von chronischen Erkrankungen führen alle dazu, dass Armutsbetroffene der Hitze stärker ausgeliefert sind. Zusätzlich fehlen die finanziellen Mittel und Möglichkeiten, die Hitze abzumildern. So wohnen z. B. die meisten Armutsbetroffenen in Mietwohnungen, weshalb Außenjalousien zum Kühlhalten des Wohnraumes nicht nur zu teuer, sondern auch rechtlich meist nicht einfach umsetzbar sind.

Aber auch Kinder sind aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen besonders vulnerabel für gesundheitliche Auswirkungen einer Hitzewelle. Gleichzeitig haben sie eingeschränkte Möglichkeiten, die Effekte der Hitze einzuschätzen, wirksame Strategien dagegen anzuwenden und sind zudem häufiger im Freien körperlich aktiv.

Neue Studie zu den Hitzefolgen für armutsbetroffene Kinder

Die spezifischen Belastungen armutsbetroffener Kinder waren jedoch bisher wenig erforscht – eine Studie der Gesundheit Österreich GmbH gemeinsam mit der Volkshilfe finanziert durch das Startclim Programm nahm dies in den Blick. Durchgeführt wurde eine Befragung von 99 armutsbetroffenen Eltern zu Hitzefolgen, Bewältigungsstrategien und Bedarfen ihrer insgesamt 190 Kinder im Alter unter zehn Jahren.

Hitze führt zu starker Belastung der Kinder und hat grundlegende Auswirkungen auf ihre Gesundheit

Rund ein Drittel der Befragten gab für die eigenen Kinder eine sehr starke oder starke Belastung durch Hitze an. Bei der Frage nach spezifischen gesundheitlichen Veränderungen nahmen die Eltern zahlreiche und grundlegende Veränderungen wahr (siehe Grafik 1).

Mehr als 6 von 10 Kindern schlafen schlechter bzw. sind unruhiger und weinen mehr. Mehr als jedes zweite Kind hat geringere Motivation, sich zu bewegen, ebenso viele zeigen mehr aggressives Verhalten. Für fast jedes zweite Kind wurden körperliche Symptome wie Übelkeit, Ausschlag, Kopfschmerzen und Schwindel bzw. ein Rückzug der Kinder beschrieben. Die Studie zeigt auch, dass Familien an heißen Orten eher Veränderungen bei ihren Kindern beobachten.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Eltern wenden zahlreiche kostengünstige Strategien an, um ihre Kinder in der Wohnung oder im öffentlichen Raum vor Hitze zu schützen

Der Belastung durch Hitze wird mit unterschiedlichen Strategien begegnet (Grafik 2). Die meisten Eltern lüften, wobei jede:r Fünfte angibt, die Fenster wegen Lärms nicht oder eher nicht zu öffnen. Viele dunkeln die Wohnung mit Innenjalousien ab, deutlich weniger haben die Möglichkeit, sich mit Außenrollos vor der Hitze zu schützen.

Nicht allen stehen allerdings alle Schutzstrategien zur Verfügung. Viele Haushalte gaben einen Bedarf nach Klimageräten oder Außenrollos an, jedoch sind oft sowohl die Anschaffung als auch der Betrieb nicht leistbar.

Es besteht Handlungs- und Investitionsbedarf bei den Wohnungen, um armutsbetroffene Kinder besser vor Hitze zu schützen

Etwa ein Drittel der Befragten würde aufgrund der Hitze in der Wohnung gerne umziehen, dies ist jedoch angesichts der steigenden Wohnkosten oft unmöglich. Die Mutter eines Volksschulkindes aus Linz erzählte einer Volkshilfe-Sozialarbeiterin: „Wir haben keinen Balkon, auf den wir ausweichen können. Wenn ich koche, heizt sich die Wohnküche noch mehr auf. Die Wohnung ist eigentlich zu klein und zu eng und dadurch auch zu heiß. Aber wir können uns nichts Größeres leisten.“

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Ausweichen in den öffentlichen Raum

Um der Hitze im Wohnraum zu entgehen, weicht mehr als die Hälfte der befragten Familien in den öffentlichen Raum aus, wo aber auch ein großer Anteil der Kinder über Hitze klagt. Etwa auf dem Spielplatz und in Parks (36 Prozent), auf der Straße oder beim Unterwegssein mit den Eltern (24 Prozent). Die Bedeutung des öffentlichen Raums zum Schutz vor Hitze zeigt sich, wenn genauer nach seiner Nutzung gefragt wird. So gibt mehr als die Hälfte der Befragten an, Bäder, Parks, (kostenfreie) Badeplätze und Spielplätze zu nutzen. Auch werden Einkaufszentren (16 Prozent) und Wasserspielplätze (12 Prozent) besucht.

Barrieren im öffentlichen Raum durch Eintrittskosten, Anreisekosten oder mangelnde Verfügbarkeit

Doch die Familien stoßen bei der Nutzung des öffentlichen Raums auf Barrieren. Allgemein gab fast die Hälfte (45 Prozent) der Haushalte an, dass sie Aktivitäten wie einen Besuch im Schwimmbad oder einen Ausflug an einen See an besonders heißen Tagen zwar gerne machen würden, dies aber nicht können. Als Hauptgrund werden hohe Kosten genannt und dass das „Geld einfach nicht für alles ausreicht“. Bei den Kosten geht es nicht immer um die Eintrittspreise selbst, sondern auch um etwaige anfallende Zusatzausgaben (wie ein Eis im Schwimmbad oder ein Getränk beim Einkaufen).

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Armuts- und Klimaschutzbedarf kann in privaten, halböffentlichen und öffentlichen Innen- und Außenräumen ansetzen, um Lebenslagen zu verbessern

Die Eltern benötigen daher Wasserspielplätze, leistbare oder kostenlose Schwimm- bzw. Bademöglichkeiten oder Zugang zu Abkühlmöglichkeiten mit Wasser (Grafik 4). Konsumfreie geschlossene Räume wie Büchereien, Gemeindezentren oder Vereinsräumlichkeiten werden von rund zehn Prozent der Haushalte angeführt – oft sind diese Orte hochschwellig oder nur in Ballungsräumen verfügbar. Armutsbetroffene formulieren aber seltener konkrete Bedarfe. Ein Elternteil merkte explizit an, dass sich die Kinder bereits an die Armutslage gewöhnt hätten und daher keine Wünsche benennen, weil sie ohnehin nicht erfüllt werden können.

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Klimasoziale Ansatzpunkte

Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass sowohl klima- als auch sozialpolitische Maßnahmen gute Ansatzpunkte sind, um Familien in Armutslagen zu unterstützen und einen besseren Schutz vor Hitze zu ermöglichen. Kostenlose lokale öffentliche Infrastruktur wird zunehmend als eine wesentliche Klimaschutzmaßnahme gesehen, die klimafreundliches Leben leichter möglich macht und gleichzeitig den Schutz von Menschen mit niedrigem Einkommen vor den Folgen der Klimakrise ermöglicht.

In der sozialpolitischen Forschung wird darauf verwiesen, dass der breite Ausbau solcher Infrastruktur zu höherer Qualität führe als fokussierte – nur für in Armut Lebende ausgerichtete – Maßnahmen. Aus Sicht der Kindergesundheit weist die Volkshilfe auf folgende Optionen hin, um Hitzefolgen für armutsbetroffene Kinder zu lindern:

  • kostenfreie oder sozial gestaffelte Eintrittspreise in Schwimmbädern und anderen Freizeiteinrichtungen
  • Spielplätze, aber auch Schulhöfe und die Gärten elementarer Bildungseinrichtungen an die Erfordernisse im Kontext der Klimakrise anpassen – genügend Schatten, Möglichkeiten zum Spielen mit Wasser, Trinkwasserquelle in Parks und auf Spielplätzen
  • finanzielle Unterstützung für armutsbetroffene Familien für Anpassungsmaßnahmen bereitstellen – in städtischen und ländlichen Regionen
  • Verdichtung sozialer Infrastruktur
  • Förderung gekühlter konsumfreier öffentlicher Innenräume, auch im Sommer
  • nutzer:innenorientierte Planung
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