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20. Juli 2021

Technologien zur Erzeugung von grünem Wasserstoff aus (erneuerbarem) elektrischem Strom gibt es heute nur als Pilotversuche. Im Vergleich zu Biomethan braucht die Herstellung von grünem Wasserstoff allerdings viel weniger Land. Denn der für die Erzeugung von Wasserstoff benötigte Strom benötigt weniger Fläche als die Biomasse welche für die selbe Energiemenge an Biomethan benötigt wird.  Das heißt: Um die gleiche Menge an Gas oder Treibstoff zu erzeugen, benötigt man zwischen 5- und 20-mal weniger Land, wenn dafür ein Mix aus Photovoltaik und Windkraft in der Elektrolyse eingesetzt wird, anstatt Biomasse als Rohstoff für Biomethan.

Biomethan und Wasserstoff sind teuer

Natürlich könnten diese Grünen Gase und Treibstoffe auch importiert werden anstatt sie im Inland flächenintensiv zu erzeugen. Allerdings kann heute niemand mit Sicherheit sagen, ob und wie viel Grüne Gase in Zukunft auf dem Weltmarkt gehandelt werden. Auch mögliche Exporteure müssten entsprechende, flächenhungrige Infrastrukturen aufbauen. Das führt in einigen Teilen der Welt schon heute zu Konflikten. Inwieweit die Verschärfung solcher Konflikte für den Export in Kauf genommen werden wird, ist fraglich. Dazu kommt, dass der Transport von Gasen, besonders von Wasserstoff, über weite Entfernungen sehr teuer ist. Importe aus dem europäischen Umfeld sind daher besonders attraktiv, aber natürlich auch in unseren Nachbarländern begehrt. Importe könnten also in Zukunft durchaus eine wichtige Rolle spielen. Für die Dekarbonisierung Österreichs vor allem auf die Importe von Grünen Gasen und Treibstoffen zu setzen, ist allerdings eine riskante Strategie.

Grüne Gase sind also aufgrund der hohen Herstellungs- und Transportkosten – sowohl im Vergleich zu fossilen Treibstoffen als auch im Vergleich zu anderen CO2-neutralen Optionen – teuer. Schätzungen gehen davon aus, dass nach Deutschland importierter Wasserstoff ungefähr 5-mal so viel kostet wie heute in Österreich für Erdgas bezahlt wird. In Österreich erzeugtes Biomethan ist vermutlich noch teurer.

Was sind die Alternativen zu den teuren und aufwändigen Grünen Gasen?

Zuallererst sollten wir unseren Energieverbrauch möglichst weit verringern, zum Beispiel durch die Sanierung von Gebäuden. Wird weniger Energie zum Heizen gebraucht, muss natürlich auch weniger Energie eingesetzt werden. Auch die Art und Weise, wie wir unsere gebaute Umwelt gestalten, muss andere, klimafreundliche Nutzungen zulassen. Statt den öffentlichen Raum für jedermanns Auto zu gestalten, müssen nahegelegene Angebote Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad ermöglichen. Ebenso muss der öffentliche Verkehr ausgebaut werden, um notwendige Änderungen bei persönlichen Gewohnheiten zu unterstützen.

“Elektrifizierung zuerst!”

Daneben gibt es aber noch eine weitere, sehr wichtige Alternative zu Grünen Gasen: die Nutzung von elektrischem Strom, wo immer es möglich ist, z.B. in batterie-elektrischen Fahrzeugen oder in Wärmepumpen zum Heizen und Kühlen. Verglichen mit der Verbrennung von Grünen Gasen ist die Verwendung von elektrischem Strom deutlich effizienter. Die folgende Grafik zeigt hierzu zwei Szenarien für einen klimaneutralen Energieverbrauch in Österreich: Im ersten Szenario wird so viel wie möglich elektrifiziert, also mit elektrischem Strom betrieben. Im zweiten Szenario werden stattdessen Grüne Gase z.B. zum Heizen verwendet. In beiden Szenarien gibt es aber auch Anwendungen, welche nicht elektrifiziert werden können und daher weiterhin Grüne Gase und Treibstoffe zum Einsatz kommen müssen (z.B. in der Industrie, im Schwer- oder Flugverkehr). Wird der Weg der stärkeren Elektrifizierung gewählt, so bedeutet dies, dass die Nachfrage nach Strom sowie flüssigen und gasförmigen Energieträgern von 350PJ auf 200PJ fällt, also auf knapp 60% jenes Szenarios, in dem Grüne Gase und Treibstoffe auch im Wärme- und Mobilitätssektor eingesetzt werden.

[Grafik 2]

Um zu verstehen, wie groß dieser Unterschied tatsächlich ist, haben wir berechnet, wie viel Fläche in jedem der beiden Szenarien für die Energiegewinnung nötig wären. Am wenigsten Land – nämlich rund 1.500 km2 – würde benötigt, wenn der Energieverbrauch so weit wie möglich elektrifiziert wird und auch Grüne Gase und Treibstoffe aus erneuerbarem Strom erzeugt würden.

Werden statt Strom mehr Grüne Gase und Treibstoffe verbraucht, diese aber aus erneuerbarem Strom erzeugt, so steigt der Flächenbedarf auf über 2.200 km2 an. Sollen die Grünen Gase und Treibstoffe auch noch aus Biomasse gewonnen werden, so wäre dafür fast die gesamte Ackerfläche Österreichs, immerhin 13.200 km2, nötig.

Welche Schlussfolgerungen sind daher zu ziehen?

Grüne Gase und Treibstoffe werden eine wichtige Rolle bei der vollständigen Dekarbonisierung Österreichs spielen. Sie werden allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt – jedenfalls nach 2035 – in großem Maßstab benötigt werden, weil bis dahin viele andere Maßnahmen zu treffen sind, um Emissionen zu reduzieren (z.B. Elektrifizierung, Gebäudesanierung, Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung). Gleichzeitig sollten so wenige Grüne Gase wie möglich verwendet werden, weil sie im Vergleich zu Energieeinsparungen und Elektrifizierung viel teurer und flächenhungriger sind. Der weitere Ausbau von Infrastrukturen für die Nutzung von Grünen Gasen und flüssigen Treibstoffen ist in vielen Bereichen – vor allem beim Heizen und Kühlen und auch im PKW-Verkehr – nicht effizient und keine geeignete Strategie für die Klimaneutralität. Im Gegenteil: Es gilt, jetzt prioritäre Einsatzgebiete für Grüne Gase festzulegen und die Infrastrukturen dementsprechend anzupassen. Nur so kann verhindert werden, dass Fehlinvestitionen getätigt werden, weil revitalisierte oder neu errichtete Infrastrukturen schon nach wenigen Jahren nicht mehr genutzt werden.

Die vollständige Studie von Sebastian Wehrle und Johannes Schmidt: Edelsprit für alles? Bedarf und Angebot an Grünen Gasen in Österreich. (2021)