Was bringen schärfere Zumutbarkeitsbestimmungen?

11. November 2014

Es ist ein seit vielen Jahren zu beobachtendes Ritual in Österreich: Wenn die Konjunktur einbricht und die Arbeitslosigkeit steigt, lässt man eine gewisse Anstandsfrist vergehen, aber irgendwann kommt unweigerlich die Forderung nach einer Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen für die Arbeitslosen. Durch eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen lässt sich die Arbeitslosigkeit jedoch nicht nennenswert reduzieren.

Allenfalls in einem Aufschwung, wenn die Zahl der Jobs rasch wächst, ist bei solchen Maßnahmen ein gewisser, wenn auch begrenzter Effekt, denkbar. Aber zur Zeit gibt es einfach zu wenige Arbeitsplätze für die große Zahl der Arbeit Suchenden. So ist seit dem Sommer 2011 die Zahl der beim Arbeitsmarktservice verfügbaren offenen Stellen laufend gesunken. In den ersten 10 Monaten dieses Jahres lag sie im Schnitt sogar um 3% niedriger als auf dem Höhepunkt der Krise im Jahr 2009.

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: AMS © A&W Blog
Quelle: AMS

Trotz der äußerst schwachen wirtschaftlichen Entwicklung ist die Beschäftigung auch in den letzten beiden Jahren gewachsen. Im Herbst 2014 lag das Beschäftigungsniveau um fast 110.000 (+3,2%) über dem Vorkrisenniveau im Jahr 2008. Im selben Zeitraum hat jedoch das Arbeitskräfteangebot um mehr als 218.000 (+6%) zugenommen. Daraus ergibt sich die höhere Arbeitslosenzahl. Nur durch kräftigeres Wirtschaftswachstum und/oder durch Arbeitszeitverkürzung kann eine nennenswerte Reduktion der Arbeitslosigkeit erreicht werden.

Die deutliche Verschlechterung der Arbeitsmarktlage zeigt sich auch anhand der Entwicklung des Stellenandrangs in Österreich, also dem Verhältnis der Zahl der gemeldeten Arbeitslosen zu den beim AMS verfügbaren offenen Stellen. Waren es im Frühjahr 2011 noch weniger als 8, so kamen zuletzt auf jede in Österreich gemeldete offene Stelle mehr als 12 Arbeitslose. Im diesem Wert ist die ebenfalls gestiegene Zahl der SchulungsteilnehmerInnen noch gar nicht berücksichtigt.

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Quelle: AMS © A&W Blog
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Zumutung schlechte Arbeitsbedingungen

In dieser Ausgangslage reduziert eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen die Arbeitslosigkeit kaum, aber sie führt schleichend zu einer weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Inzwischen sind in Österreich etwa eine Million Menschen zumindest einmal im Jahr von Arbeitslosigkeit unterschiedlicher Dauer betroffen. Sich aus der Arbeitslosigkeit um eine Stellung zu bewerben, bedeutet schon jetzt eine deutlich schlechtere Verhandlungsposition im Vergleich zu anderen Formen des Jobwechsels. Eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen ist bei dieser Konkurrenzsituation nichts anderes als die explizite, durch die Androhung von Sanktionen unterstützte Aufforderung an die Arbeitslosen, Arbeitsplätze auch zu schlechteren Bedingungen annehmen zu müssen.