Wie Stellenanzeigen die Bewerbung von Frauen auf Männerberufe beeinflussen

14. April 2015

Seitdem Unternehmen in Stellenanzeigen nach eine/r Installateur/in, Abteilungsleitung (m/w) oder IT-SpezialistIn suchen, fühlen sich auch Frauen von Männerberufen angesprochen? Das ist zwar nicht falsch, jedoch liegen die Gründe, warum qualifizierte Frauen vor Bewerbungen auf Männerberufe zurückschrecken können, tiefer.

Als Frauen- oder Männerberuf gelten Berufe, in denen der Anteil eines Geschlechts bei mindestens 70 Prozent liegt. Zu den Männerberufen gehören beispielsweise ingenieurwissenschaftliche Berufe und Berufe im IT-Bereich. Während der Anteil von Frauen in klassischen Frauenberufen (z.B. Personalmanagement, Krankenpflege, Buchhaltung) auf hohem Niveau stabil ist, sind Frauen zunehmend auch in klassischen Männerberufen vertreten (Quelle: IAB).

Sichtbare Hürden entfernen

Dazu sollte auch die Verpflichtung des Gesetzgebers zur geschlechtsneutralen Formulierung von Stellenanzeigen beitragen. Eine Motivation hinter dieser Verpflichtung ist die Überlegung, dass die Berufswahl einen maßgeblichen Einfluss auf die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen hat. Solange sich Unternehmen in Stellenanzeigen gezielt an männliche oder weibliche Arbeitskräfte richten, und dies in Jobtiteln oder persönlichen Anforderungen (‚männlicher Kandidat’) deutlich machen, schienen Frauen von bestimmten Berufen und den oftmals höheren Verdienstmöglichkeiten in diesen Berufen ausgeschlossen. Indem die geschlechtsneutrale Stellenbezeichnung diese sichtbaren Hürden entfernt, kann sie zur Beseitigung von strukturellen Ursachen für Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen beitragen. Heute gibt es in Österreich kaum noch Stellenanzeigen, welche ausschließlich männliche Jobtitel verwenden (anders in der Schweiz, wo sich Unternehmen gezielt an weibliche oder männliche Stellensuchende wenden).

Unter diesen Umständen scheint verständlich, dass Frauen sich auch von Männerberufen angesprochen sehen. Tatsächlich ist das aber zu kurz gegriffen. Wird der Jobitel ‚Informatiker’ durch ‚Informatiker/in’ ersetzt, identifizieren Frauen sich deswegen nicht automatisch mehr mit einer Stellenanzeige. Dies legen auch Schwankungen in der Nachfrage von Frauen nach Stellen innerhalb eines bestimmten Berufsbilds nahe. Schreiben Unternehmen Stellen für ‚Informatiker/innen’ aus, gehen bei manchen 30% Bewerbungen von Frauen ein, bei anderen keine einzige.

Versteckte Stereotypen

Eine im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlichte Studie* erklärt solche Schwankungen mit der Existenz verdeckter Geschlechtsstereotypen in Stellenanzeigen. Geschlechtsstereotypen sind weit verbreitete und oftmals unbewusste Vorstellungen, welche Eigenschaften Männer und Frauen haben. Diese Vorstellungen finden sich auch in der Sprache wieder. Beispielsweise werden die Eigenschaften „wettbewerbsorientiert“ und „durchsetzungsstark“ nur sehr selten verwendet, um Erwartungen an Frauen zu formulieren; entsprechend wenig identifizieren sich Frauen damit. Die zitierte Studie konnte nicht nur zeigen, dass männliche Stereotypen in Stellenanzeigen für Männerberufe sehr präsent sind, sondern dass sie auch die Resonanz von Frauen auf Stellenanzeigen beeinflussen: lag der Fokus auf männlich konnotierten Anforderungen, war das Interesse bei weiblichen Jobsuchenden geringer. Umgekehrt riefen weiblich konnotierte Anforderungen ein höheres Bewerbungsinteresse hervor. Dass Männer umgekehrt durch weiblich konnotierte Formulierungen abgeschreckt werden, konnte jedoch nicht gezeigt werden.

Die Erklärung für die Reaktionen von weiblichen Stellensuchenden liefert laut der Studie ein unterbewusster Mechanismus. Frauen mit Qualifikation für Männerberufe gehen davon aus, dass sie bei der Ausübung ihres Jobs vor besonderen Herausforderungen stehen. Etwa bei Führungsaufgaben, wenn in einem Unternehmen oder der Abteilung wenige Frauen vermutet werden. Um das Risiko des beruflichen Scheiterns einzugrenzen, suchen sie bei der Sichtung von Stellenanzeigen nach Anhaltspunkten, wie das Unternehmen sie bei den Herausforderungen unterstützt: männlich konnotierte Anforderungen werden hierbei als Hinweis auf eine mangelnde Unterstützung gewertet, da Frauen sie als Ausdruck traditioneller Rollenmodelle in der Unternehmenskultur lesen.

Die in der Studie ebenfalls ermittelte Präsenz von Geschlechtsstereotypen in unterschiedlichen Berufstypen zeigte überdies, dass für Männerberufe deutlich mehr männlich als weiblich konnotierte Anforderungen kommuniziert werden. Wenn die Darstellung von Berufen in den Medien Entscheidungen zur Berufswahl beeinflusst, so wäre dies eher ein Hindernis, um das Interesse von Frauen am Ergreifen von Männerberufen zu wecken.

Frauen zur Bewerbung ermutigen

Verwunderlich ist daher eher, wie es auch Unternehmen, die den Fokus in Stellenanzeigen auf männlich konnotierte Anforderungen legen, gelingt, Frauen zu Bewerbungen zu ermutigen. Hierfür spielen zumindest zwei Faktoren eine Rolle. Zum einen lesen nicht alle Frauen Stellenanzeigen gleich. Geschlechtsstereotypen sind kulturell erworben. Frauen, die nicht lernen, dass ‚durchsetzungsstark’ zu sein eine Erwartung primär an Männer ist, haben mit dieser Anforderung auch kein Identifikationsproblem, und lassen sich weniger abschrecken. Zum anderen betreiben immer mehr Unternehmen ‚zielgruppenspezifische Rekrutierung’, d.h. sie gehen aktiv auf Frauen zu. Karrieremessen und die mediale Präsenz erfolgreicher Frauen im Unternehmen ermöglichen es Jobsuchenden, ihr Bild von der Stellenanzeige durch weitere Eindrücke zu ergänzen. Inwieweit diese Mittel dazu taugen, durch Stellenanzeigen entstandene Eindrücke zu kompensieren, ist noch nicht ganz klar. Sie sind aber durchaus ein interessanter Ansatz für Personalprofis, da die Anpassung von Stellenanzeigen häufig mit weitreichenden Änderungen verbunden und daher eher langfristig möglich ist.

*GAUCHER, D., FRIESEN, J. & KAY, A. C. 2011. Evidence that gendered wording in job advertisements exists and sustains gender inequality. Journal of Personality and Social Psychology, 101, 109-128.