Weiterhin ungerecht: Die Partner/innen-Einkommensanrechnung in der Notstandshilfe

29. Mai 2015

Vor zwei Jahren behandelte einer der ersten Artikel dieses Blogs das Thema der Partner/innen-Einkommensanrechnung in der Notstandshilfe. Diese gesetzliche Regelung besagt, dass die Notstandshilfe reduziert wird oder komplett wegfällt, wenn der/die Partner/in ein Einkommen bezieht. Seit dem letzten Artikel hat sich für die Betroffenen leider nichts zum Positiven verändert: die Dauer der Arbeitslosigkeit steigt und damit die Gefahr der Menschen (und ihrer Familien) durch den Wegfall bzw. die Reduktion der Notstandshilfe in die Armut abzurutschen. Die Partner/innen-Einkommensanrechnung bleibt weiter bestehen und sie bleibt weiter ungerecht.

Wann gebührt Notstandshilfe?

In den letzten Jahren ist nicht nur die Anzahl der arbeitslosen Personen in Österreich stark angestiegen (von 2010 auf 2014 um +27%), sondern auch die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit (von 2010 auf 2014 von 94 Tage auf 104 Tage). Die Zeit, bis eine neue Stelle gefunden wird, dauert also – speziell für Ältere, gesundheitliche Beeinträchtigte und Personen mit max. Pflichtschulabschluss – immer länger.

Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht aber – gestaffelt nach Alter und zurückgelegten Arbeitsjahren – in der Regel nur für 20 bis maximal 52 Wochen. Wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft ist, gebührt grundsätzlich Notstandshilfe. Aber nur dann, wenn laut Gesetz eine „Notlage“ vorliegt. Dabei wird eben auch das Einkommen des/der Partners/in berücksichtigt

Immer mehr Menschen sind auf die Notstandshilfe angewiesen

Das hängt vor allem mit der schlechten Arbeitsmarktlage und der zunehmenden Segmentierung am Arbeitsmarkt zusammen (mehr dazu im Blogbeitrag „Arbeitslosigkeit ist stark segmentiert“). Im Jahr 2014 bezogen durchschnittlich etwas mehr als 164.400 Personen eine Notstandshilfe (wenn man auch jene Personen in Schulung bzw. mit Pensionsvorschuss mitzählt). Gegenüber dem Jahr 2012 ist das ein Plus von +20%. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 9 bis 10% (also rund 16.500 Personen) aufgrund der Einkommensanrechnung eine verminderte Notstandshilfe erhalten. In der Gesamtzahl der Notstandshilfe-BezieherInnen sind aber jene Personen nicht enthalten, deren Notstandshilfe aufgrund der Anrechnung gestrichen wird: das waren im Jahr 2014 in etwa 16.300 Personen.

Und: von der Notstandshilfe kann man nicht besonders gut leben, denn rund die Hälfte der LeistungsbezieherInnen erhält weniger als 25 €/Tag (also 750 € pro Monat), bei Frauen beträgt dieser Anteil sogar fast zwei Drittel (Daten 2013).

Die Anrechnung des Partner/innen-Einkommens bei der Notstandshilfe trifft vor allem Frauen …

Im Jahr 2014 waren 82% der Personen, die gar keine Leistung aufgrund „mangelnder Notlage“ erhalten haben, Frauen. Sobald das Partnereinkommen abzüglich eines Freibetrags (634 €, bzw. höherer Freibetrag bei Unterhaltspflichten bzw. einem höheren Lebensalter) höher als die Notstandshilfe ist, wird diese nicht ausbezahlt. In den betroffenen Haushalten fällt daher nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges ein Einkommen zur Gänze weg. Oft reicht schon ein Partnereinkommen von rund 1.200 € (netto), dass die Notstandshilfe ersatzlos gestrichen wird und das trotz jahrelangen Einzahlens in die Arbeitslosenversicherung.

Diese Anrechnung erfolgt sowohl bei verheirateten Paaren als auch bei Lebensgemeinschaften. Die Streichung der Notstandshilfe führt für viele Betroffenen direkt in die Armut, das Familieneinkommen reduziert sich durch diese Regelung oft drastisch. Menschen, die im Jahr 2012 durchgehend arbeitslos waren, weisen nach EU-SILC eine Armutsgefährdungsquote von 46% auf und auch hier ist die Tendenz steigend.

… und wird als Ungerechtigkeit erlebt

Von den Befragten einer IFES/SORA-Studie im Auftrag der AK gaben 75% der von einer Partner/innen-Einkommensanrechnung Betroffenen an, dass diese Reduktion bzw. der Entfall ein sehr großes bzw. spürbares Problem dargestellt hat und zwar überwiegend (für 88%) aufgrund der finanziellen Einbußen. Darüber hinaus wird es von einer Mehrheit (von 78%) schlichtweg als ungerecht empfunden. Die damit verbundene finanzielle Abhängigkeit von der/dem Partner/in wird von 43% der Befragten als Problem bewertet.

Fazit

Ein Wegfall der Anrechnung des Einkommens des Partners/der Partnerin würde mehr Gerechtigkeit schaffen. Personen, die jahrelang in das System eingezahlt haben und beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Probleme, veralteter Qualifikationen oder schlichtweg wegen des Alters keinen Arbeitsplatz finden, sollten eine Leistung, die ihnen eigentlich zusteht, auch bekommen. Nur so kann die Notstandshilfe ihren Zweck erfüllen: nämlich verhindern, dass die Betroffenen in die Armut abrutschen und dazu beitragen, die ohnehin sehr schwierige Situation, in denen sich die Menschen befinden, etwas zu verbessern.

Mehr Informationen zur Notstandshilfe: http://wien.arbeiterkammer.at/online/notstandshilfe-1051.html
AK- Ratgeber: Arbeitslos – was nun?
FAQ zur Notstandshilfe: http://www.ams.at/sfa/14666_14691.html

 

Bruckner_SarahÜber Sarah Bruckner

Referentin für Arbeitslosenversicherung in der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der Arbeiterkammer Wien