Verschleierung der Vermögensungleichheit - Aufklärung wirkt

27. Juni 2013

Die Ungleichverteilung des Privatvermögens ist hoch. Das belegen zahlreiche Erhebungen und Reichtumsberichte. Je mehr sich der Verteilungsnebel lichtet, umso deutlicher scheitern interessengeleitete Verblendungsversuche. Vermögenssteuern für Reiche stoßen auf hohe Zustimmung.

Der private Reichtum ist massiv in Händen einer kleinen Besitzelite konzentriert, wie die Ergebnisse der von Österreichischer Nationalbank (ÖNB) bzw. Europäischer Zentralbank (EZB) durchgeführten Erhebung (siehe HFCS und AK OÖ) zeigen. Allein die vermögendsten 10 Prozent in Österreich haben (mindestens) 61 Prozent des Nettovermögens. Das ist der höchste Besitzanteil im Reichenvergleich, gefolgt von Deutschland mit 59 Prozent. Im Durchschnitt des Euroraums vereinen die Top-10-Prozent etwa des Hälfte des Reichtums auf sich.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Am unteren Ende der Vermögenshierarchie bleiben da nur noch Krümel: mit nicht einmal drei Prozent bilden Österreich und Deutschland die Schlusslichter beim Vermögensanteil der vermögensarmen Bevölkerungshälfte (Euroraum-Schnitt: 6 Prozent, siehe Schürz). Auch die jüngsten Reichtumsreporte der Vermögensverwalter sprechen eine deutliche Sprache. So ist 2012 laut „World Wealth Report 2013“ das anlagefähige Vermögen der MillionärInnen allein in Europa  um 8 Prozent auf 10,9 Billionen Euro angestiegen.

Dritthöchste Ultra-Reichen-Dichte

Österreich hat im Verhältnis zur Bevölkerung EU-weit am meisten und weltweit nach Hongkong und der Schweiz am drittmeisten Ultra-Reiche. Österreich hat also relativ viele „Ultra-Reichen-Haushalte“ (= jene mit mindestens 100 Millionen US-Dollar Vermögen), nämlich 314 Haushalte, das sind 9 pro 100.000 Haushalte.  Auch bei der absoluten Anzahl (314) belegen wir im weltweiten Ranking den global 12. Platz  und EU-weit Platz 5 (siehe „Global Wealth 2013“).

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77.600 Euro-MillionärInnen

Laut D.A.CH.-Vermögensreport gibt es 77.600 Euro-MillionärInnen (2012), die ein frei verfügbares Finanzvermögen von mindestens einer Milllion Euro besitzen – insgesamt häuft sich in ihrem Besitz ein Finanzreichtum in Höhe von 245 Milliarden Euro, das entspricht einer Größenordnung von fast 80 Prozent des aktuellen Bruttoinlandsprodukts, also der im Laufe eines ganzen Jahres in Österreich erarbeiteten Wirtschaftsleistung. Umso empörender ist es, dass in Österreich eine Million Menschen armutsgefährdet sind (siehe EU SILC).

Irreführungen

Die sozialen Ungerechtigkeiten geraten immer häufiger ins Blickfeld und sorgen für Empörung und den Wunsch nach Veränderung. Daher verwundert es nicht, dass von jenen, die an diesen Zuständen nichts ändern wollen, eine Ablenkung oder bewusste Irreführung versucht wird. Es werden Studien mit sehr fragwürdigem Inhalt in Auftrag gegegeben, die einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand halten, siehe etwa jene des IHS. Ziel ist, die Ungleichverteilung zu verschleiern bzw. ihr Ausmaß herunterzuspielen und die Einführung von vermögensbezogenen Steuern für die Reichsten schlechtzumachen. Gute Aufklärung zum Thema Vermögensverteilung sowie Mythen zur Vermögenssteuer bietet die Broschüre der AK Wien.

Eindeutige Fragen

Wenn eindeutig gefragt wird, ist die Meinung der Bevölkerung überwiegend pro Vermögensteuer, wie auch die aktuelle von OGM für den Kurier durchgeführete Umfrage zeigt: auf die Fragen „Soll es eine Vermögenssteuer geben? Wenn ja, ab welcher Höhe soll die Steuer gelten?“ befürworten rund 70 Prozent der Befragten die Einführung einer solchen Steuer für Reiche (29 % sagen ab 500.000 Euro, 18 % ab 700.000 Euro und 24 % ab 1 Million Euro). Überwältigend hoch ist die länderübergreifend in Östereich, Deutschland und der Schweiz im Rahmen der Aktion „Geld ist genug da“ durchgeführte Befragung von den drei Dienstleistungsgewerkschaften GPA-djp, ver.di und unia: die Frage „Finden Sie es richtig, wenn das Vermögen von Millionären stärker als bisher besteuert wird?“  wird von 86 Prozent (Österreich), 83 Prozent (Deutschland) und 76 Prozent (Schweiz) bejaht.

Kein Selbstbetrug der Mittelschicht   

Auf – von geldigen Interessen geleitete – Zustandsbewahrer, die die eklatante Ungleichverteilung in einen Nebel hüllen und Vermögenssteuern in ein schlechtes Licht rücken wollen, fallen die Leute nicht herein. Denn die Mehrheit der Bevölkerung ist sich sehr wohl bewußt, dass ihr privater Besitz ein sehr bescheidener ist. Die sogenannte Mittelschicht betreibt daher auch keinen „Selbstbetrug“. Die ÖNB-Veröffentlichung zeigt, dass sich „die Mitte“ nicht nach oben hin verschätzt, bzw. sich selbst nicht in erreichbarer Reichtumsnähe wähnt. Im Gegenteil – sie verschätzt sich teils sogar leicht nach unten: so verortet sich die Bevölkerung vom 3. bis zum 7. Dezil der Vermögensverteilung (= das sind 50 Prozent der Bevölkerung) durchschnittlich ins 4. Dezil – also in die „untere“ Mitte. Die drei Dezile der „oberen“ Mitte (5. bis 7. Dezil der Vermögensverteilung) verschätzen sich sogar leicht bis stark nach unten! Die reichsten Dezile rechnen sich arm: das reichste (10.) Dezil „verschätzt“ sich runter ins 6. Dezil (siehe Sozialbericht). Auffällig ist insgesamt der hohe Kontrast zwischen selbst wahrgenommener Ungleichheit der Vermögensverteilung in Österreich zur tatsächlich erhobenen Verteilung.

Aufklärung wirkt

Daher ist Aufklärung wichtig – und Aufklärung wirkt. Das zeigt die Umfrage des deutschen paritätischen Wohlfahrtsverbands zur Ungleichverteilung von Vermögen, zu öffentlichen Investitionen und zur höheren Besteuerung von Vermögens- und Einkommensstarken: Die (in Deutschland herrschende) Ungleichverteilung wird, wenn allgemein gefragt, schon deutlich als ungerecht empfunden (66 Prozent) – nach Vorlesen der Besitzanteile am oberen und am unteren Ende der Vermögenshierarchie steigt das Ungerechtigkeitsempfinden deutlich (auf 78 Prozent) an – siehe dazu die Abbildung 12 bis 14 in der Umfrage. Und wenn die Frage zur Vermögenssteuer eindeutig gestellt ist („Sollten Ihrer Meinung nach in Deutschland Personen mit sehr hohem Einkommen und sehr großen Vermögen höhere Steuern zahlen als bisher, damit mehr finanzielle Mittel für öffentliche Aufgaben zur Verfügung stehen?“), stimmen drei Viertel zu.

Steuergerechtigkeit jetzt!

Daher braucht es u.a. eine Vermögensteuer auf große Privatvermögen ab 1 Million € netto (abzgl. Kredite), eine reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer (mit einem Freibetrag der sicherstellt, dass im Laufe eines ArbeitnehmerInnenlebens Erspartes steuerfrei vererbt werden kann) und eine Koordinierung auf EU-Ebene bei vermögensbezogenen Millionärssteuern, damit Reiche ein Mindestmaß des Steueraufkommens zahlen – eingebettet in Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung & -vermeidung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene! Denn wie schon der französische Philosoph Honoré de Balzac (1799 – 1850) formulierte: „Jeder große Geldbesitz, dessen Herkunft man nicht kennt, entstammt einem geheimen Verbrechen, das nur geschickt verborgen gehalten wurde.“