Ungleichheit in der Krise

17. Juli 2013

Die soziale Ungleichheit in Europa wird mit dem Anhalten der Krise zunehmend heftiger diskutiert, denn ihre Folgen werden immer stärker sichtbar. Ohne gegensteuernde Maßnahmen wird die ohnehin große Kluft zwischen arm und reich weiter zunehmen und damit die Kontroversen und sozialen Spannungen. Damit befasst sich das Editorial der Wirtschaft und Gesellschaft 2/2013.

Ungleichheit steigt in der Krise stark an

In den ersten drei Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Ungleichheit der Bruttohaushaltseinkommen laut neuesten Daten der OECD stärker angestiegen als in den zwölf Jahren zuvor. Die Daten belegen auch, dass ärmere Haushalte über die Krisenjahre entweder mehr verloren oder weniger gewonnen haben als reichere Haushalte. In 21 von 33 OECD Ländern, für die Daten vorliegen, verlief die Einkommensentwicklung für die zehn Prozent der Bestverdienenden besser als für jene zehn Prozent mit dem geringsten Einkommen. Das wurde auch für Österreich festgestellt, hier haben in den letzten Jahren nur die Besserverdienenden gewonnen.

Der Sozialstaat mildert negative Folgen ab

Der Anteil jener Haushalte, die nach OECD Definition als einkommensarm gelten, also unter 50 Prozent des gewichteten durchschnittlichen Haushaltseinkommen verdienten, veränderte sich im OECD-Schnitt zwischen 2007 und Ende 2010 im Durchschnitt dennoch kaum. Denn Konjunktur-pakete sowie Steuer- und Transfersysteme milderten die negativen Folgen der Krise bis Ende 2010 für viele Haushalte ab, sodass sich bei den verfügbaren Haushaltseinkommen ein weit geringerer Einkommensverlust ergab.

Sparpakete vermindern Haushaltseinkommen

Was sich ab dem Jahr 2011 veränderte, denn der Stabilitäts- und Wachstumspakt sah ab diesem Jahr das Auslaufen der Stabilisierungsmaßnahmen und den Einstieg in ein synchrones Sparen der EU Mitgliedstaaten vor. Sparen bei den Sozialausgaben vermindert das Einkommen der betroffenen Haushalte, was die Armut und damit soziale Ungleichheit in einem schlechten ökonomischen Umfeld steigen lässt.

Jugendliche verstärkt von Armut betroffen

Was sich noch veränderte, war die Zusammensetzung jener Gruppe, die als armutsgefährdet gilt: Für Kinder und junge Erwachsene erhöhte sich das Armutsrisiko von 2007-2010 im OECD-Schnitt um ein bis zwei Prozentpunkte, für ältere Menschen sank es um drei Prozentpunkte. Letzteres ist auch einem statistischen Effekt geschuldet, weil die Armut im Verhältnis zum Durchschnitts-haushaltseinkommen gemessen wird: die Pensionshöhe stagnierte, während die Erwerbseinkommen besonders in den Krisenstaaten stark fielen, sodass die PensionistInnen, relativ reicher und damit weniger armutsgefährdet wurden.

Auch Vermögensungleichheit steigt an

Für ein Anwachsen von Vermögensungleichheit gibt es erste Befunde aus den USA: Das Verhältnis zwischen den Reichen und Armen hat sich weiter zu Ungunsten der Vermögenslosen verändert. Von 2007-2009 gab es beträchtliche Vermögensverluste zu verzeichnen, so fiel sowohl der Median als auch der Mittelwert in der Vermögensverteilung. KrisenverliererInnen unter den Reichen wurden durch KrisengewinnerInnen ersetzt. Das oberste Prozent besitzt nach wie vor rund ein Drittel des Gesamtvermögens, weitere 9 Prozent der Haushalte 39 Prozent, sodass die obersten 10 Prozent insgesamt 72 Prozent des Vermögens besitzen und stabil blieben, währenddessen der Vermögensanteil der unteren 50 Prozent von 2,5 Prozent auf 1,5 Prozent fiel.

Langjähriger Trend wird fortgesetzt

Der Anstieg von Ungleichheit von Einkommen und Vermögen ist ein langjähriger Trend. Die Untersuchung der Vermögen hat nur in wenigen Staaten Tradition, etwa in den USA, Italien oder Schweden und war auf Grund der verschiedenen Erhebungsmethoden bisher schwer vergleichbar. Zu Einkommen ist die Entwicklung besser dokumentiert. So veröffentlichte die OECD in kürzeren Abständen zwei umfangreiche Publikationen mit “Growing Unequal”  und  “Divided We Stand- Why Inequality Keeps Rising” die den Anstieg der Einkommensungleichheit seit 1980er Jahren untersuchen. Der Gini-Koeffizient der verfügbaren Haushaltseinkommen (Nettoeinkommen inklusive Transfers) stieg seitdem um 10 Prozent an.

Ein erster Schritt…

Mit dem EU-weiten Versuch, Steueroasen zu schließen und Steuerbetrug und –umgehung zu bekämpfen, wird ein erster wichtiger Schritt getan, um Ungleichheit zu begrenzen. Genug für einen Richtungswechsel ist dies allerdings noch nicht.

Dieser Beitrag ist eine überarbeitete Version des ausführlicheren Editorials der soeben erschienenen Ausgabe 2/2013 der Zeitschrift “Wirtschaft und Gesellschaft”.