Der Staat als Pleiteholding: Die Telekom wird mexikanisch – und was hat Österreich davon?

02. Mai 2014

Mit den Mexikanern verbindet Österreich ein Stück Historie: Da wurde vor rund 150 Jahren ein Habsburger nach drüben geschickt, der war zwar dort nicht willkommen und deshalb selbst bald Geschichte. Mittlerweile gehört er aber doch auch zum mexikanischen Lokalkolorit. Historisch bedeutsamer ist wohl der Dienst, den Mexiko Österreich im Jahr 1938 erwiesen hat, als es als einziges Land den Anschluss an das nationalsozialistische Terrorregime nicht anerkannte. Vielleicht haben diese historischen Verbindungen den handelnden Personen im Telekom Austria-America Movil-Deal eine diffuse Vertrautheit vermittelt. Es muss wohl irgend so ein Bauchgefühl gewesen sein, denn wirtschaftspolitisch gibt es für den jetzt geschlossenen Syndikatsvertrag und der damit in die Wege geleiteten Reduktion des Staatsanteils bei der Telekom-Austria (TA) keine Ratio. Abgesehen vom historischen Überbau unterscheidet sich die Geschichte der Telekom kaum vom Vorgehen Österreichs bei den letzten Privatisierungen. Was wirtschaftlichen Erfolg hat wird verkauft, möglichst noch unter Wert. Der Rest bleibt der Republik. Der Staat verkommt zunehmend zur Mist- und Sondermülldeponie, die ökonomischen Erfolge werden von anderen abgeholt.

Die unselige Geschichte des Telekom-Ausverkaufs begann im Jahr 2000 unter Schwarz Blau und dem Börsegang der TA. Die damalige Regierung wollte Privatisieren um jeden Preis und das zahlten dann letztendlich auch die SteuerzahlerInnen. Zum Zeitpunkt des Börsegangs im Herbst 2000 waren die meisten Werte weltweit auf Talfahrt – und gerade die im Bereich Telekommunikation. Die “Neue Zeit” vom 22. Nov. 2000 schrieb damals: „Noch nie hat eine Aktie bereits am ersten Tag einen derartigen Kursrutsch mitgemacht. Noch nie haben sich so viele Anleger so blitzartig von einer Aktie getrennt, die sie gerade erst erworben hatten. Noch nie hat sich ein Finanzminister bei einer Privatisierung so verrechnet, wie Karl-Heinz Grasser bei der Telekom.“

Aber das war der schwarz-blauen Logik egal. Auch in den Folgejahren wurde munter weiterprivatisiert, egal ob die Rahmenbedingungen gut oder schlecht waren und das Ganze für den Staat überhaupt ein Geschäft war (siehe auch Austria Tabak oder voest alpine).

Warum ein Syndikatsvertrag?

Bei der Telekom lag  der Anteil der Republik schlussendlich bei rund 28%, 2012 stieg der Investor Ronny Pecik kurzfristig mit rund  23% bei der Telekom ein, um dann dieses Aktienpaket an den mexikanischen Investor Carlos Slim respektive America Movil verkaufen. (Fast könnte man glauben, Pecik hat den Deal für Slim aufbereitet).  Carlos Slims Gesellschaft America Movil ist derzeit mit ca 26,8 % an der Telekom Austria beteiligt. Die ÖIAG verfügt über einen Anteil von 28,4 %.

Die Pläne von Carlos Slim waren immer sehr eindeutig: Der Investor versucht auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen und hier zu expandieren. Zuerst in den Niederlanden beim dortigen Telekomkonzern der KPN, die sich allerdings gar nicht so liberal wie sonst gaben und mit einer EU- rechtlich gesehen zumindest spannenden Konstruktion die Übernahme durch Slim verhinderten.

Die Telekom Austria hat bereits einige Aquisitionen in Osteuropa vorgenommen und eignet sich daher für eine Brücke in Richtung neuer Märkte. Slim machte aus seinen Plänen, eine beherrschende Stellung in der Telekom Austria einnehmen zu wollen kein Hehl und gemeinsam mit Ronny Pecik auch Werbung für einen sogenannten Syndikatsvertrag.

Im März dieses Jahres beschleunigte Slim nun die Verhandlungen um ein gemeinsames Vorgehen, indem er öffentlich ankündigte, seine Anteile auf über 30% ausbauen zu wollen. Diese Ankündigung hatte insofern Bedeutung, als sie rechtlich ein verpflichtendes Übernahmeangebot an die restlichen Aktionäre auslöst. Durch einen Syndikatsvertrag kommt es zwar auch zu einem Übernahmeangebot an die Minderheitsaktionäre, aber der Preis für die Kontrollerlangung  ist deutlich niedriger. Für das Erlangen einer beherrschenden Stellung wie sie Slim nunmehr über den Syndikatsvertrag gegenüber der TA erlangt hat, hätte  er am  Kapitalmarkt ein deutlich attraktiveres Angebot stellen müssen.  http://www.takeover.at/

Der Syndikatsvertrag zwischen Carlos Slim und der TA sieht laut Medienberichten nun im Wesentlichen u.a. folgendes vor:

  • Expliziter Übergang der industriellen Führerschaft von der ÖIAG auf America Movil und Kontrolle der TA durch die Mexikaner
  • Aufsichtsrats- und Vorstandsbesetzung der TA: Mehrheit für America Movil; konkret 8 Aufsichtsräte America Movil, 2 Aufsichtsräte von der ÖIAG, 2 Vorstände America Movil, ein Vorstand von der ÖIAG
  • Konsolidierung der TA-Group   in den Konzernabschluss von America Movil
  • Kapitalerhöhung von 1 Milliarde wird angestrebt
  • Keine explizite Beschäftigungsgarantie
  • Wachstumspfad wird angestrebt ohne konkrete Inhalte, dh es fehlt ein Businessplan (Ausbau für Österreich oder im Osten?)
  • Headquarter und F&E soll – für die Dauer des Syndikatsvertrags von 10 Jahren – in Wien bleiben, allerdings ohne konkrete Festlegung, welche Entscheidungen hier getroffen werden

War dieser Vertrag wirtschaftlich notwendig?

Wenn man allein nur die ökonomischen Fakten ansieht, dann handelt es sich bei der Telekom um ein gut funktionierendes Unternehmen. Ein standortpolitisch relevantes und natürlich eines, das auch für ausländische Anleger attraktiv ist. Gerade auch deshalb, weil die Telekom in den letzten Jahren, insbesondere 2013, eine Menge an Investitionen getätigt hat, die ihr eine vorteilhafte Stellung am Markt bescheren. Bei der Frequenzauktion im September letzten Jahres hat die TA mit rund 1 Mrd Euro Euro einen Großteil der Frequenzen ersteigert. Durch diesen Erwerb ist es möglich, die neue Mobilfunkgeneration LTE flächendeckend insbesondere in ländlichen Gebieten auszurollen und auch für zukünftige Marktentwicklungen ausreichend Kapazitätsreserven zu haben. Die ersteigerten Frequenzen haben in der Regel eine Laufzeit von 20 Jahren! und sichern die Marktführerschaft der TA ab. Darüber hinaus ist durch die Fusion von Orange und Hutchison der Markt auf 3 Teilnehmer verkleinert worden, Yesss wurde von A1 gekauft. Allessamt keine ungünstigen Rahmenbedingungen gerade auch in Kombination mit den bestehenden Tochterunternehmen.

Natürlich haben diese Aquisitionen und der bis jetzt sehr intensive Preiswettbewerb die TA finanziell einiges gekostet. Diesen Ausgaben steht allerdings auch ein entsprechendes Vermögen gegenüber.

Jedenfalls ist die TA in der Lage, den Wachstumspfad in Österreich, für den sie mit der Frequenzversteigerung und dem Yesss-Kauf die Voraussetzungen geschaffen hat, auch zu finanzieren. Andere Wachstumsszenarien wie etwa eine Auslandsexpansion wurden bisher zwar ebenso verfolgt, rücken aber durch die vermuteten Expansionsstrategien des Mexikanischen Partners sicher stärker in den Vordergrund. Ob das auch das Ziel eines österreichischen Unternehmens ist und dem Ausbau österreichischer Infrastruktur förderlich ist, bleibt dahingestellt.

Ausverkauf Österreichs als Politkabarett

Was mit diesem gut funktionierenden Unternehmen vorige Woche im Zuge der Absegnung des Syndikatsvertrags durch den ÖIAG-Aufsichtsrat passierte, war abenteuerlich. Statt sich zu überlegen, ob der Erhalt der industriellen Führerschaft bei der TA nicht die bessere Lösung wäre, hat sich die Spitze der ÖIAG relativ schnell auf die Variante Syndikatsvertrag, Abgabe der Kontrolle über die TA und das Zurückziehen auf die Sperrminorität eingelassen. Orchestriert wurde das Ganze dann noch von einem Ronny Pecik, der nicht müde wurde, seine Geschichte der TA zu erzählen, nämlich die, eines klassischen Übernahmekandidaten, der vom netten Onkel aus Amerika gerettet würde.

Die Sitzung des Aufsichtsrates der Telekom geriet am Mittwoch, den 23. April zur Politfarce: Wissend, dass 3 Kapitalvertreter, allen voran der Aufsichtsratsvorsitzende, nicht anwesend sein werden, wurde trotzdem eine Sitzung einberufen. Und auch wissend, dass die Belegschaftsvertretung keineswegs glücklich über die Vorgangsweise der Nicht-Information über Vertragsinhalte war und bereits in den Raum gestellt hatte, an der Sitzung nicht teilzunehmen.

Das macht aber einen gut bezahlten Manager noch keineswegs unrund, im Gegenteil: Augen zu und durch. Dass dann bei der entscheidenden Sitzung leider zu wenig Leute anwesend sind und die Beschlussfähigkeit somit nicht gegeben war, war dann aber doch ein wenig peinlich. Nicht weniger peinlich wurde das Ganze durch die Entscheidung, den fehlenden Aufsichtsratsvorsitzenden aus seinem Urlaub spontan nach Wien einzufliegen. Und den Gipfel der Peinlichkeit erlaubte sich Kemler mit seiner Feststellung am nächsten Tag, dass dafür nicht er, sondern die Belegschaftsvertretung die Verantwortung trage. So kann man öffentliches Eigentum natürlich auch verwalten.

Wie viele der Aufsichtsräte sich tatsächlich eingehend mit dem Syndikatsvertrag beschäftigt haben, über den sie abgestimmt haben, sei dahin gestellt. Der Vorsitzende wird ihn sich sicher eingehend am eiligen Rückflug nach Wien angesehen haben. Die Arbeitnehmervertreter haben ihn an dem einen Tag, an dem das technisch überhaupt möglich war, jedenfalls mit Experten geprüft und was sie gefunden haben, hat sie offenbar nicht überzeugt – es steht zu hoffen, dass die anderen Aufsichtsratsmitglieder, die für den Deal gestimmt haben, gewusst haben, was sie da tun!

Lehren aus dem Telekom-Deal

Neben der Frage, was man sich als Manager in dem Land alles erlauben kann, bevor irgendjemand die Frage stellt, ob Eignung und Verantwortung zusammenpassen, ist dieser Verkauf ein Lehrstück des „wie machen wir es nicht“. Zum einen kann das für die österreichische Wirtschaftspolitik nur bedeuten, dass sie in Zukunft jedenfalls Mehrheitseigentümer bei wichtigen Unternehmen bleiben muss. Das Schicksal der Telekom ist absehbar, wenn ÖIAG-Chef Rudolf  Kemler lange in Pension ist, wird die Telekom ein mexikanisches und kein österreichisches Unternehmen mehr sein.

Zum zweiten muss endlich definiert werden, was die Republik strategisch mit der ihr mehrheitlich oder auch nicht mehr mehrheitlich verbliebenen Industrie möchte. Neben den Dividenden, die der Staat gerne nimmt, gibt es ja auch durchaus längerfristige strategische und wirtschaftspolitische Ziele die damit verfolgt werden könnten. Zumal es ohnehin so ist, dass der Rückzug aus Unternehmen oftmals damit verknüpft ist, die Probleme zu behalten und sich nur der Einnahmen und gesamtwirtschaftlichen Wachstumsmöglichkeiten zu entledigen.

Hier herrscht bisher allerdings eine weitgehende Phantasielosigkeit. Die strategischen Interessen des neuen Mehrheitseigentümers Slim liegen jedenfalls vermutlich nicht primär in der Ankurbelung österreichischer Wertschöpfung. Was übrig bleibt ist eine aggressivere Ostexpansion mit entsprechenden Renditen, die dann allerdings nur über Österreich nach Mexiko durchgeschleust werden. Vielmehr werden noch über eine Kapitalerhöhung, bei der man mit 280 Mio Euro mitzieht nur um den eigenen Anteil  von 28% auf 25% zu senken, die mexikanischen Interessen massiv mitfinanziert. Wie sich die ÖIAG angesichts des Kräfteverhältnisses dagegen stellen könnte ist schleierhaft.

Dabei wäre es notwendig sich langsam eine österreichische Industriepolitik zu überlegen, die das Optimum aus den gegebenen Strukturen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung herausholt und die Basis für zukünftige Wertschöpfung und damit auch Arbeitsplätze in Österreich ermöglicht. Doch angesichts der Performance, die hier gesetzt wurde, gewinnt man leider den Eindruck, dass die Spezialität der österreichischen Industriepolitik eher in der industriepolitischen Schwach- statt Schwerpunktsetzung liegt.