Steuerreform: Großer Handlungsbedarf für eine Neugestaltung des Steuersystems

10. Juli 2014

Der Ruf nach einer baldigen und grundlegenden Steuerreform wird immer lauter. Von den regelmäßigen Lohn- und Gehaltserhöhungen, die zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften jährlich ausverhandelt werden, bleibt nach Steuern und Abgaben nur wenig übrig.

Aus Plus wird Minus

Die Gewerkschaften setzen sich erfolgreich dafür ein, dass die Bruttoeinkommen stärker steigen als die Preise. Das müsste zu einem Erhalt und einer leichten Steigerung der Kaufkraft führen. Aber nach Steuern und Abgaben bleibt bei den Nettoeinkommen oft zu wenig, um die Preiserhöhungen wettzumachen. Das zeigen auch die Daten aus der aktuellen Konjunkturprognose des WIFO (Wirtschaftsforschungsinstitut).

2013 stiegen die Bruttolöhne und -gehälter um 2,1%. Zieht man die Inflation ab, verblieb ein leichtes Plus von 0,1%. Berücksichtigt man aber auch Steuern  und Abgaben, so ergibt sich kein Plus, sondern ein Minus von 0,3%!

 Lohnsteigerungen 2013 in %:
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Quelle: WIFO

Jahr für Jahr steigen die Einnahmen aus Lohnsteuer, die die ArbeitnehmerInnen zahlen müssen, stärker als die Löhne und Gehälter. Diese Entwicklung führte nun dazu, dass erstmals die Einnahmen aus der Lohnsteuer, die vom monatlichen Lohn bzw. Gehalt einbehalten werden, höher sind als die Einnahmen aus der Umsatzsteuer.

Entwicklung von Lohnsteuer und Bruttobezügen über die Zeit:

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 Quelle: Lohnsteuerstatistik 2013. S. 41

Hochsteuerland für Arbeit – Steueroase für Vermögen

Mit Ausnahme des Jahres 2009, als die letzte Steuerreform umgesetzt wurde, wachsen Jahr für Jahr die Lohnsteuereinnahmen weitaus stärker als die Löhne und Gehälter. Selbst wenn die Löhne nur im Ausmaß der Inflation erhöht werden, es also gar keinen realen Einkommenszuwachs gibt, steigt die Steuerbelastung (kalte Progression). Netto ergibt sich in diesem Fall ein reales Minus in Bezug auf das verfügbare Realeinkommen! Das führt dazu, dass der Staat in immer größerem Ausmaß von den ArbeitnehmerInnen finanziert wird, während gleichzeitig die Kaufkraft zurückgeht. Laut WIFO sanken 2010, 2011 und 2013 die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte.

Die Lohnsteuereinnahmen werden heuer voraussichtlich bei 26 Mrd. EUR liegen und übertreffen damit erstmals die Umsatzsteuer, die 25,6 Mrd. beträgt. Gemeinsam machen diese beiden Massensteuern somit mit über 50 Mrd. zwei Drittel der Steuereinnahmen aus.

Dagegen sind die Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern äußerst gering. Diese betragen lediglich 1,3% des Steueraufkommens. Hier ist Österreich im internationalen Vergleich Schlusslicht. In den westeuropäischen Staaten (EU 15)  liegt der Anteil der vermögensbezogenen Steuern am Steueraufkommen durchschnittlich bei 5,3% und ist damit rund 4 mal so hoch wie in Österreich.

Vermögenskonzentration wächst

Das ist insbesondere deshalb problematisch, weil die Vermögen hoch konzentriert sind und sehr rasch zunehmen. Folge: die Reichen werden immer reicher. Das Steuersystem verschärft diese Situation durch die hohe Besteuerung von Arbeitseinkommen und eine de facto Steuerbefreiung für Vermögen.

So sind Vermögen in Österreich verteilt: Die reichsten 5% der Haushalte besitzen 57% des gesamten privaten Nettovermögens. Auf der anderen Seite besitzt die Hälfte der Bevölkerung gemeinsam nur 2,2% des Gesamtvermögens.  Niemand kann ernsthaft behaupten, dass die obersten 5% deshalb mehr als die Hälfte des Vermögens auf sich vereinigen, weil sie sich das erarbeitet haben. Durch eigene Arbeit kann man kein Multimillionär werden. Das schafft man nur, wenn man erbt oder als erfolgreicher Unternehmen andere für sich arbeiten lässt.

Die hundert reichsten Österreicher besitzen rund 160 Milliarden Euro. Das Vermögen der 33 heimischen Milliardäre (119 Milliarden Euro) wuchs alleine  2013  um fast 9%.

„Mit dieser enormen Vermögenskonzentration in den Händen einer winzigen Bevölkerungsgruppe liegt Österreich im aktuellen Global Wealth Report 2014 des internationalen Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) auf Platz drei jener Länder, die auf die höchste Dichte an Superreichen kommen.“ (“Trend” Nr. 07/2014 vom 30.06.2014)

Steuerstrukturreform

Neben einer gerechteren Verteilung der Steuerlast und einer Entlastung der Arbeitseinkommen bedarf es eines faireren Steuertarifs. Der Eingangssteuersatz beträgt derzeit 36,5%. Dieser wird für Einkommen ab ca. 1.200 EUR brutto fällig und führt ab diesem Einkommen zu einer sehr hohen Grenzbelastung (Anteil der Abgaben an einer Einkommenserhöhung). Den höchsten Grenzabgabensatz (Anteil an Sozialversicherung und Steuer an einer Einkommenserhöhung) haben derzeit Einkommen ab 2.580 Bruttomonatseinkommen bis zur Höchstbeitragsgrundlage (2014: 4.530 EUR). Ab einem Einkommen von 1.200 EUR bleibt von jeder Einkommenserhöhung nur knapp die Hälfte netto übrig. Denn neben ca. 18% Sozialversicherungsbeiträgen müssen vom verbleibenden Betrag 36,5% Steuer bezahlt werden. Eine niedrigere Belastung von Einkommenserhöhungen gibt es erst für die Einkommen über 4.530 EUR, weil man ab Erreichen der sogenannten Höchstbeitragsgrundlage für das darüber liegende Einkommen keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlen muss. Das führt zu der absurden Situation, dass Einkommen um  die 1.500 EUR brutto mit 44,3% einen höheren Grenzabgabensatz haben als jene, die bereits vom Spitzensteuersatz betroffen sind (43,7%).

Dementsprechend fordern auch AK und Gewerkschaften, dass der Einkommensteuersatz – wie im Regierungsübereinkommen festgelegt wurde – Richtung 25% gesenkt wird.

 Duchschnitts- und Grenzbelastung eines Bruttomonatslohns

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 Quelle: Eigene Darstellung nach gesetzlichen Grundlagen

Brutto und Nettoerhöhung in Prozent

Aufschlussreich ist auch ein Vergleich der prozentuellen Erhöhung von Brutto- und Nettoeinkommen bei verschiedenen Einkommenshöhen. In einem progressiven Steuersystem sollte bei höherem Einkommen die Bruttoerhöhung prozentuell stärker ausfallen als die Nettoerhöhung.

Die prozentuelle Bruttoerhöhung ist fast überall deutlich höher als die prozentuelle Erhöhung der Nettoeinkommen. Eine Ausnahme bilden die Einkommen zwischen der Höchstbeitragsgrundlage bis zum Erreichen des Spitzensteuersatzes. Hier steigen bei Einkommenserhöhungen die Nettoeinkommen prozentuell minimal stärker als die Bruttoeinkommen.

Untenstehende Grafik macht deutlich, dass bei Erreichen der Steuerpflicht die Kluft zwischen der Steigerung des Brutto- und jener des Nettoeinkommens insbesondere unmittelbar nach Überschreiten der Freibetragsgrenze hoch ist. Das ist logisch und  kann nicht anders sein. Dass aber der Abstand zwischen der Brutto und Nettoerhöhung bei höheren Einkommen immer geringer  wird, ist weder sinnvoll  noch fair.

Beispiele bei einer Einkommenserhöhung um 2%

Person A. Bruttoeinkommen 2.800,– EUR (1.813,– EUR netto):

Das Bruttoeinkommen steigt um 2% auf 2.856,– EUR,  das laufende Nettoeinkommen auf 1.839,– EUR). Während das Bruttoeinkommen um 2% steigt, steigt das Nettoeinkommen nur um 1,4%. (inkl. begünstigter Besteuerung vom 13.- und 14. Bezug steigt das Nettojahreseinkommen um 1,52%)

Person B: Bruttoeinkommen 4.600,– EUR (2.657,44,– EUR netto):

Das Bruttoeinkommen wird um 2% erhöht und beträgt neu 4.692 EUR (2.709,68 EUR netto). Das Nettoeinkommen steigt auch um 2%, inkl Jahressechstel leicht höher.

Relation von Netto- zu Bruttosteigerungsrate in %:

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Quelle: Eigene Darstellung nach gesetzlichen Grundlagen

Fazit

Eine Steuerreform, die diesen Namen verdient, muss eine spürbare Entlastung für alle ArbeitnehmerInnen bringen. Gerade bei kleinen und mittleren Einkommen steigen bei jeder Lohn- bzw. Gehaltserhöhung die Nettoeinkommen deutlich langsamer als die Bruttoeinkommen. Häufig ist damit die Teuerung nicht gedeckt. Daher muss durch eine neue Tarifgestaltung im Rahmen einer großen Steuerreform die hohe Grenzbelastung der kleinen und mittleren Einkommen reduziert werden. Angesichts der budgetpolitischen Rahmenbedingungen und der steuerpolitischen Privilegierung großer Vermögen ist eine teilweise Gegenfinanzierung durch eine Vermögenssteuer für hohe Vermögen unerlässlich.

ÖGB-Kampagne zur Steuerreform: www.lohnsteuer-runter.at