7 Jahre Sparkurs in Griechenland: Licht am Ende des Tunnels?

19. Juli 2016

Seit 2010 fährt Griechenland einen strikten Sparkurs. Angeordnet von der Troika und unter maßgeblicher Mitwirkung der Euro-FinanzministerInnen. Doch wie hat sich Griechenland seither entwickelt? Die Ausgaben aus den öffentlichen Haushalten hat Griechenland auf Geheiß der Troika radikal um knapp 25% gekürzt – mit verheerenden Folgen: Die Armut in Griechenland ist rasant gestiegen, mehr als ein Drittel der GriechInnen gilt heute als arm. Mit 50,4% (per Mai 2016) hat Griechenland zudem die höchste Jugendarbeitslosenrate in der Europäischen Union. Trotzdem hält die Eurogruppe an ihrer wenig erfolgreichen Strategie fest: Statt Maßnahmen zu setzen, die die griechische Wirtschaft wiederbelebt, soll die rigorose Sparpolitik fortgesetzt, ja sogar verschärft werden.

100.000 GriechInnen wandern pro Jahr aus

Seit wenigen Jahren wandern nun vor allem junge und gut ausgebildete GriechInnen massenhaft in andere EU-Länder aus. Laut einer Studie der griechischen Zentralbank haben infolge der schweren Finanzkrise bereits 427.000 GriechInnen ihr Land verlassen. Insbesondere seit 2013 hat sich die Abwanderungstendenz auf 100.000 GriechInnen pro Jahr beschleunigt. Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 50% ist es kein Wunder, dass viele einem Arbeitsplatz in einem anderen EU-Land suchen.

Armut dramatisch gestiegen

Laut Eurostat sind per Ende 2014 mehr als 3,8 Millionen Menschen in Griechenland von Armut bedroht – rund 35% der Bevölkerung. Gegenüber 2010 ist das ein Anstieg von mehr als 800.000 Menschen. Bei 2,4 Millionen GriechInnen ist die Armut derart groß, dass sie sich teilweise nicht einmal jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder eine gleichwertige Proteinzufuhr leisten, ihren Wohnraum beheizen oder für unerwartete Ausgaben beispielsweise bei Krankheit aufkommen können. Viele dieser Haushalte verfügen nicht einmal über einen Fernseher oder über eine Waschmaschine.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Eurostat

Negative Effekte auf die Gesellschaft werden beharrlich ausgeblendet

Diese Zahlen interessieren die Troika jedoch nicht. Allerhöchste Priorität genießt die Reduktion der griechischen Schulden. Beinahe in autistischer Manier fordert die Eurogruppe, allen voran der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die Einhaltung der verordneten Haushaltsziele. Die negativen Effekte auf andere Bereiche wie das Wirtschaftsleben oder die Arbeitslosigkeit werden dabei völlig außer Acht gelassen.

Dabei hat Griechenland als einziges Land der Europäischen Union seine Gesamtverschuldung im Vergleich zu 2010 reduzieren können. Zwar verdanken dies die GriechInnen auch einem Schuldenschnitt beziehungsweise einer Restrukturierung der bestehenden Schulden 2011; Allerdings reduzierten die GriechInnen seit 2013 nun bereits das dritte Jahr in Folge ihre Schulden aus eigener Kraft. In Summe sank die absolute Verschuldung seit 2010 um fast 6%. Zum Vergleich: In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union stieg die Verschuldung im selben Zeitraum um mehr als 26%. Nachdem jedoch die Wirtschaft in Griechenland ganz erheblich unter dem brachialen Sparprogramm der letzten Jahren gelitten hat und das Bruttoinlandsprodukt seit 2010 um rund 22,6% gesunken ist, stieg die Staatsschuldenquote trotz Schuldenabbaus trotzdem stark an: 2014 erreichte sie einen Spitzenwert von 180,1%.

Die irrealen Vorgaben der Eurogruppe

Im Mai 2016 setzte sich die Eurogruppe im Rahmen von Verhandlungen zum 3. „Hilfspaket“ für Griechenland schließlich erneut durch. Statt nun für eine Wiederbelebung der griechischen Wirtschaft zu sorgen und damit die Anzahl der Arbeitslosen und der Armen zu reduzieren, wird der bisherige Kurs fortgesetzt. In der nun erzielten Einigung wurde nochmals bestätigt, dass Griechenland bis zum Jahr 2018 einen Primärüberschuss (ein Budgetüberschuss ohne Berücksichtigung von Zinszahlungen auf Schuldtitel) von 3,5% erreichen müsse. Verfehlt Griechenland dieses Ziel, werde eine automatische Schuldenbremse aktiviert, die zu Kürzungen in allen Bereichen des Staatsbudgets führen wird.

Für die meisten BeobachterInnen ist jetzt schon klar, dass ein derart hoher Primärüberschuss wirtschaftspolitisch kontraproduktiv ist und zudem nur schwer erreicht werden kann. In einem Brief an die Eurogruppe macht auch IWF-Chefin Christine Lagarde darauf aufmerksam, dass ein Primärüberschuss von 3,5% wie von der Eurogruppe angestrebt nicht nur unrealistisch, sondern sogar kontraproduktiv sein könnte. Weitere Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen seien die Folge. Tatsächlich notwendige Reformen würden dadurch in den Hintergrund treten. Auch der griechische Premier Alexis Tsipras geht davon aus, dass diese Haushaltsziele nicht erreichbar sind und rechnet mit der Aktivierung der automatischen Schuldenbremse im Jahr 2018.

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Quelle: Europäische Kommission

Ökonom Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel fordert statt dem Primärüberschussziel von 3,5% einen Schuldenschnitt von 30%. Denn sparen allein helfe nicht, so Langhammer. Das sieht der IWF mittlerweile genauso und forderte Schuldenerleichterungen für Griechenland. Falls es nicht dazu komme, würde der IWF am Hilfsprogramm für Griechenland nicht mehr teilnehmen, verlautete IWF-Chefin Lagarde. Die Eurogruppe und der IWF einigten sich schließlich darauf, dass über eine Schuldenerleichterung im Jahr 2018 verhandelt werde, sofern der gewünschte Primärüberschuss erzielt wird.

Neue Sparmaßnahmen in Griechenland

Griechenland hat derweil neue Kürzungen und Steuererhöhungen beschlossen, um die Forderungen zum 3. Hilfspaket zu erfüllen. 5,4 Mrd. Euro sollen damit hereingespielt werden. Griechische Medien haben ausgerechnet, dass das neue Sparpaket die GriechInnen mit durchschnittlich einem Monatsgehalt (etwas mehr als 800 Euro) belasten wird.

Die nächste Rezession in Griechenland ist damit vorprogrammiert. Nachdem außer der Eurogruppe niemand damit rechnet, dass ein Primärüberschuss von 3,5% erreicht werden kann, ist auch fraglich, ob es überhaupt zu Verhandlungen über Schuldenerleichterungen kommen wird. Ein Ende des verordneten Sparwahns der Eurogruppe für Griechenland ist damit weiter nicht in Sicht.