Schweiz: Keine gesetzliche 1:12-Bremse für Spitzengehälter

25. November 2013

Ein unbegrenztes Managergehalt ist und bleibt „Spirit of Ecstasy“ am Rolls Royce der wirtschaftsliberalen Gesellschaft. Dem verlockenden Paradigma der unternehmerischen Freiheit folgend hat die Schweiz der 1:12-Inititative für gerechte Löhne eine klare Absage erteilt. Eine deutliche Mehrheit von rund zwei Drittel (65,3 Prozent) hat gestern den Vorstoß – wonach künftig per Gesetz der höchste Lohn mit dem Zwölffachen des niedrigsten Lohns im selben Unternehmen zu begrenzen ist – abgelehnt. Unterstützten die SchweizerInnen das Referendum zur Abzocker-Initiative im März noch mit 67,9 Prozent, so griff die Forderung der JungsozialistInnen nach einer gesetzlichen Begrenzung der Lohnspanne in den Unternehmen offenbar zu weit. In der Parolenschlacht hat die Angst vor dem „Lohndiktat des Staates“ gegen die Anstrengung für „Mehr Lohngerechtigkeit“ gesiegt…

 

Von Angstmachern und Brandstiftern  

„Wir sind von diesem Resultat enttäuscht“, so kommentierte Juso-Präsident David Roth den Ausgang des Referendums gestern Abend. Angesichts des guten Starts der Kampagne ist die Enttäuschung verständlich: Haben sich Mitte Oktober noch Gegner und Befürworter mit je 44 Prozent die Waage gehalten. Doch das Kopf-an-Kopf Rennen hat eine – geschlossen und entschlossen auftretende –  Arbeitgeberlobby auf den Plan gerufen: „Kein Spiel mit dem Feuer! Die Brandstifter von den Juso wollen zerstören, was wir über Jahre aufgebaut haben“, warnte da beispielsweise der Schweizer Gewerbeverband (SGV) in der sogenannten Abstimmungszeitung, die an alle Haushalte des Landes verschickt wurde. Die Regelung hätte katastrophale Folgen für die Schweizer Wirtschaft, argumentierte der SGV-Präsident Hans-Ulrich Bigler, sinkende Staatseinnahmen bei Steuern und Sozialversicherungen wären die logische Konsequenz. Letztlich haben sich die Gegner mit einer Kampagne der Angstmachereisurrealer Drohungen vor einem Milliardenlochs und dem Exodus von Unternehmen aus der Schweiz durchgesetzt und die Mehrheit der Stimmberechtigten überzeugt. Immerhin rund ein Drittel stimmte doch mit Ja und befürwortete damit den Vorstoß. Auffallend sind vor allem die hohen Zustimmungsanteile im Tessin und in Teilen der Romandie, wobei die Zustimmung vor allem in Jura und Neuenburg weit überdurchschnittlich ist.

Fertig abgezockt? Das Aktionariat entscheidet ab 2014

Einer der deklarierten Gegner des 1:12-Vorschlags ist Thomas Minder, Kleinunternehmer und Initiator des Abzocker-Referendums, das im Frühjahr mit hoher Zustimmung angenommen wurde. Minder kann der Initiative zwar grundsätzlich etwas Sympathisches abgewinnen, wehrt sich jedoch gegen einen fixen Faktor. Minder und seine SympathisantInnen zielten vielmehr auf die Stärkung der Rechte der AktionärInnen gegenüber dem Verwaltungsrat ab. Die konkreten Punkte der Minder-Initiative werden bereits ab 1.1.2014 mit der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) umgesetzt. Gemäss der neuen Say-on-Pay-Regelung stimmt die Generalversammlung künftig jährlich über die Vergütungen der Mitglieder des Verwaltungsrats, des Beirats und der Geschäftsleitung ab. Die Abstimmungen haben bindende Wirkung. Die Umsetzungsverordnung beinhaltet außerdem ein Verbot von Abgangsentschädigungen und Provisionen für konzerninterne Umstrukturierungen und Vergütungen, die im Voraus entrichtet werden. All diese Vergütungskomponenten sind auch dann unzulässig, wenn der Begünstigte sie für Tätigkeiten in anderen Unternehmen des Konzerns erhält. Antrittsprämien sind hingegen weiterhin zulässig. Die Strafbestimmungen wurden im Vergleich zum Vorentwurf gelockert und der Strafrahmen stärker auf den Unrechtsgehalt des jeweiligen Verhaltens abgestimmt. Eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe ist nur noch vorgesehen, wenn Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung oder des Beirats vorsätzlich unzulässige Vergütungen ausrichten oder beziehen.

Echte Demokratie statt Aktionärsdemokratie

Dem Vorbild Schweiz folgend liegt dem deutschen Bundesrat ein entsprechendes Gesetz über ein bindendes Hauptversammlungsvotum bezüglich der Gestaltung von Managergehältern vor und wird – wenn der Bundesrat keinen Einspruch einlegt – ab 2014 gelten. Doch es ist zu bedenken, dass die Hauptversammlung nicht notwendigerweise zwingend im Sinne der Politik, der Öffentlichkeit oder aber der langfristigen Unternehmensentwicklung handelt. Je nach Zusammensetzung (insbesondere institutionelle Investorengruppen wie Pensions- oder Private Equity Fonds) des Aktionärskreises kann die Hauptversammlung ein Interesse an der kurzfristigen Entwicklung des Unternehmens und war in Form einer großzügigen Dividende haben. Der (werdenden) österreichischen Regierung ist deshalb von einer derartigen Regelung abzuraten. Die Gestaltung der Vorstandsvergütung sollte wie bisher eine zentrale Aufgabe für AufsichtsrätInnen bleiben und nicht den Shareholdern überlassen werden. Denn gemäß §78 Aktiengesetz (1) hat der Aufsichtsrat schon jetzt dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des einzelnen Vorstandsmitglieds, zur Lage der Gesellschaft, zur üblichen Vergütung stehen und langfristige Verhaltensanreize zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung setzen. Ein zielführendes Instrument für die praktische Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe ist die dynamische Deckelung der Managergehälter: Die maximale Höhe eines Vorstandsgehalts soll über einen (vom Aufsichtsrat festgelegten) Faktor an die Lohn- und Gehaltsstruktur des jeweiligen Unternehmens gekoppelt sein. 1 zu 12 ist doch genug, es sollte niemand in einem Jahr weniger verdienen als der bestbezahlte Manager im selben Unternehmen in einem Monat. Die österreichische Bevölkerung wünscht sich übrigens laut Market-Umfrage zu 65 Prozent fixe Obergrenzen für Managergehälter, das sei den Koalitionsverhandlungsteams auf den Weg mitgegeben.