Rohstoffpreise und Spekulation

18. April 2014

Die internationalen Rohstoffpreise sind laut dem Rohstoffpreisindex des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) wieder auf Vorkrisenniveau, obwohl sich weder die Wirtschaft noch der Arbeitsmarkt auch nur annähernd erholt haben. Abermals stellt sich die Frage ob Finanzspekulationen auf Rohstoffe nicht einfach verboten werden sollen.

 

Der Preis für ein Barrel Brent (Erdöl) liegt bereits seit 2011 wieder bei 80€ (100$). Das Erreichen dieser Grenze war 2008 kurz vor Ausbruch der großen Rezession eine Sensation, wenn auch nicht für die KonsumentInnen. Der Getreidepreisindex der Weltbank hat sich ebenfalls vom Einbruch erholt und lag trotz deutlichem Rückgang 2013 über dem Niveau der Krisenjahre. Und politisch stellt sich die Frage ob FinanzinvestorInnen in den Rohstoffmärkten eine sinnvolle Funktion erfüllen oder ob sie gesamtwirtschaftlich schädlich sind.

Rohstoffpreise und spekulative Positionen: ein Henne-Ei-Problem mit volatiler Nebenwirkung

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Die Grafik zeigt den HWWI-Rohstoffpreisindex, der die Preise der Rohstoffe abbildet; einen Finanz-Index, der die Entwicklung einer rollenden Veranlagung in Rohstoffkontrakte anzeigt; und die Netto-Handelsposition der Indexinvestoren gemäß US-Commodity Futures Trading Commission (CFTC). Zwei Aspekte fallen dabei auf:

Erstens: Die Positionen der IndexinvestorInnen (blaue Linie) verlaufen ziemlich parallel zu den allgemeinen Rohstoffpreisen. Ob die SpekulantInnen daher die Rohstoffpreise oder die Rohstoffpreise die SpekulantInnen beeinflussen, ist ein klassisches Henne-Ei-Problem, das je nach Studie unterschiedlich beantwortet wird. Eine Übersicht über Argumente und Studien findet sich im Materialienband zu Wirtschaft und Gesellschaft. Weitgehende Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass sie die Volatilität der Rohstoffpreise verstärken – darauf weist auch die UNCTAD hin.

Zweitens: Während die Preise (schwarz gestrichelte Linie) der Rohstoffkontrakte 2008 noch exakt dem Verlauf der Rohstoffpreise folgten, konnten sie seitdem den Anstieg nicht mehr voll mitmachen. Der Grund dafür ist, dass einE IndexinvestorIn ja nicht am Rohstoff interessiert ist, sondern nur an der Preisentwicklung. Am Beispiel von Weizen heißt das, sobald diese Fonds einmal in den Markt eingestiegen sind, verkaufen sie die auslaufenden Verträge, die ihnen erlaubt hätten heute Weizen zu beziehen und kaufen das Recht, Weizen in drei Monaten zu bekommen. Sie “rollen” ihre Verträge wie das im Jargon heißt. Dadurch verschieben sich die Strukturen der Futurepreise und zwar so, dass die IndexinvestorInnen eventuelle Gewinne aus steigenden Weizenpreisen während der Laufzeit der Futures beim Umstellen auf den nächsten längeren Vertrag auch wieder verlieren können. Diese Verluste (Gewinne) werden Rollverluste(Gewinne) genannt und sind ein wesentlicher Bestandteil der Spekulationserträge von Rohstoffderivaten. Dieser Aspekt wird in den Finanzveranlagungsberichten gerne unterschlagen. Tatsache ist aber, dass ein Rohstoffindexfonds nicht dieselbe Absicherung gegen Steigende Rohstoffpreise bietet wie ein volles Rohstofflager, auch wenn manche AnlegerInnen dies gerne hätten.

Während dieser Bezugsrechtehandel eigentlich die Funktion haben sollte ProduzentInnen und NachfragerInnen die Möglichkeit zu geben, Preise für die echte Ware im Vorhinein zu fixieren, werden sie damit zum Ergebnis von spekulativen Veranlagungen. Sie folgen damit mehr der Stimmung an den Börsen als den Aussichten für die nächste Ernte. Daher zeigt auch die UNCTAD, dass die früher beobachtete Unabhängigkeit  der Rohstoffpreis- von der Finanzmarktentwicklung durch diese verstärkte Indexspekulation verloren gegangen ist.

Je nachdem ob Spekulation die Preise erhöht (gut für die GroßgrundbesitzerInnen) oder senkt (gut  für die KonsumentInnen) gibt es dabei unterschiedliche Interessen. Unabhängig von der Interessenlage muss man aber fordern, dass diese Form der Kapitalveranlagung in Rohstoffkontrakten irgendeine sinnvolle ökonomische Funktion erfüllt, die den Schaden durch die steigende Volatilität ausgleicht.

Spekulation ohne Interesse an der Ware erhöht nur die Unsicherheit

Die Investition von Kapital in Unternehmen, Energiesparmaßnahmen oder den Ausbau von Infrastruktur kann zumindest potentiell zu höherem Wohlstand führen. Die Investition in Lieferrechte auf  Rohstoffen, die man weder verheizen (ÖL), verarbeiten (Metalle) oder aufessen (Getreide) will, tut nichts von dem.

Es wäre daher sinnvoll, reine Kapitalanlagen in Rohstoffmärkten zu verbieten, da sie nur zu verzerrten Preisen führen und keine sinnvolle Funktion erfüllen. Weder reiche Einzelpersonen und schon gar nicht die oft zitierten Pensionsfonds können ein Interesse an verzerrten Preisen haben.

Der reine Handel mit Lieferversprechungen führt weder zu mehr Angebot noch zu stabileren Preisen. AnlegerInnen, die glauben, dass Nahrungsmittel in Zukunft knapp und daher teuer werden, sollten ihr Kapital folglich lieber in den Ausbau der Landwirtschaft – von Bewässerungssystemen oder die Sanierung von Brachflächen also in die Realwirtschaft – investieren.

Literaturtipps und Datenquellen:

Neben der Erwähnten Übersicht zur Problematik der  Rohstoffspekulation haben auch MitarbeiterInnen der  Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung- ÖFSE haben einige exzellente Arbeitspapiere zur Neuregulierung der Rohstoffmärkte zu den Mikrostrukturen der Rohstoffmärkte, zur Auswirkung auf Weizenpreise, und auf Weizen Kaffee Baumwolle und Öl verfasst.

Eine für ÖkonomInnen netter Aspekt der Rohstoffmärkte ist, dass es viele Daten und viele davon auch gratis gibt, so etwa: