Die Privatstiftung in Diskussion – Anforderungen an Governance und Transparenz

18. Februar 2015

Daten und Informationen über das österreichische Stiftungswesen sind Mangelware. Gesichert sind lediglich Informationen über die Entwicklung von Gründungen und Löschungen von Stiftungen. Laut Stiftungsverband sind aktuell 3.247 Stiftungen registriert, die Anzahl ist seit 2012 rückläufig. Der Rückgang der Stiftungsgründungen ist einerseits auf eine Marktsättigung zurückzuführen – die meisten in Frage kommenden heimischen Unternehmen und Vermögen wurden mittlerweile in Stiftungen eingebracht. Andererseits dürfte auch die sukzessive Rücknahme der steuerlichen Privilegierung der Stiftung in den letzten Jahren – etwa durch die Anhebung des Zwischensteuersatzes von 12,5% auf 25% im Jahr 2011 – eine relevante Rolle spielen.

Laut Stiftungsverband sind in österreichischen Stiftungen Vermögenswerte in der Höhe von rund 70 Mrd € geparkt. Mangels Transparenz sind diesbezüglich aber keine genaueren Daten verfügbar. Es wird vermutet, dass etwa zwei Drittel des gesamten Stiftungsvermögens aus Unternehmensbeteiligungen (64% laut Stiftungsverband) und der Rest aus Immobilien (24%) bzw liquiden Mitteln (12%) bestehen.

Transparenzmängel der Privatstiftung

Stiftungen müssen für Transparenz sorgen und ein Klima schaffen, dass die Bürger sagen: Gut, dass es sie gibt. Manche Stiftungen sind auch arrogant und sagen: “Wir wissen ohnehin, womit wir die Welt beglücken” – meinte der deutsche Stiftungsvorstand und Wissenschafter Strachwitz anlässlich eines Interviews. Auch wenn sich diese Aussage primär auf die deutsche Stiftungslandschaft bezog, so sind die österreichischen Stiftungen in Bezug auf Transparenz mindestens ebenso zurückhaltend. In der öffentlichen Wahrnehmung festigt sich ein Bild, welches vorrangig mit dem steuerschonenden Verbergen von großen Reichtümern in Verbindung gebracht wird, zumal insbesondere in der Öffentlichkeit bekannte, gut situierte Familien auf dieses Instrument zurückgreifen. Die „reichsten Österreicher“ haben teilweise weit mehr als jeweils eine Milliarde Euro ihres Vermögens diskret in Privatstiftungen geparkt, angeführt von den Familien Flick, Horten, Wlaschek, Piech, Mayr-Melnhof, Esterhazy oder Langes-Swarowski. Die Stiftungen sind meist an der Spitze des Familienkonzerns angesiedelt. Welcher Einfluss auf die Konzernsteuerung von diesen Holding-Stiftungen ausgeht, ist schwer ermittelbar. In der Praxis ist aber davon auszugehen, dass jedenfalls ein wesentlicher Einfluss auf die Besetzung der Organe der Tochtergesellschaften ausgeübt wird.

Verborgene Bilanzen

Der Jahresabschluss einer Stiftung muss nicht offengelegt werden, obwohl Stiftungen – insbesondere aber der/die StifterIn und die Begünstigten – nur einer beschränkten Haftung, vergleichbar mit Kapitalgesellschaften, unterliegen. Dieser Transparenzmangel besteht, obwohl durch eine Substanzausschüttung an die Begünstigten theoretisch die Position von Gläubigern entscheidend verschlechtert werden könnte. Während aber Kapitalgesellschaften ihren Jahresabschluss offenlegen müssen, sind Stiftungen privilegiert und müssen ihre Zahlen nicht im Firmenbuch hinterlegen – eine Sonderstellung, die jedenfalls diskussionswürdig ist. Besonders bei Stiftungen, die als Holdingspitze eines Konzerns fungieren, aber auch für steuerlich privilegierte gemeinnützige Privatstiftungen, ergibt sich gegenüber der Öffentlichkeit ein erhöhter Rechtfertigungsbedarf bezüglich ihrer Bevorzugung bei Transparenzvorschriften.

Wenn Privatstiftungen Unternehmen beherrschen oder einheitlich leiten, müssen sie unter bestimmten Voraussetzungen neben dem Jahresabschluss auch einen Konzernabschluss erstellen. Dieser ist allerdings ebenfalls nicht offenlegungspflichtig. Es entsteht insofern ein „Informationsvakuum“, als der Konzernabschluss damit nur den Stiftungsorganen zugänglich ist, GläubigerInnen, Beschäftigten oder KundInnen der Tochtergesellschaften dagegen aber kein Zugang gewährt wird. Auch Leitungsorganen der Tochtergesellschaften wird damit kein Blick auf die Gesamtsituation des Konzerns – untrennbar verbunden mit der Gebarung der Stiftung – ermöglicht.

Und letztlich können Stiftungen auch als „Zweckgesellschaft“ genützt werden. Gemeint ist, dass Stiftungen nicht an der Konzernspitze angesiedelt sind, sondern eine spezielle Funktion im Rahmen des Konzerngefüges übernehmen, etwa um Gewinne und Vermögen nicht im Rahmen des Konzernabschlusses konsolidieren zu müssen. Stiftungen sind damit nicht selten ein beliebtes Instrument für „off-balance“-Konstruktionen. Da Stiftungen keinen „Gesellschafter“ haben, für eine Konsolidierung allerdings ein Beteiligungserfordernis gegeben sein muss, ist es nicht notwendig, sie in einem Konzernabschluss zu berücksichtigen.

Governance der Privatstiftung

Neben der Transparenz steht vor allem die Governance, also der Ordnungsrahmen für Leitung und Überwachung der Privatstiftung, aktuell zur Diskussion. Von einigen ExpertInnen aus Praxis und der Lehre wird gefordert, den Begünstigten ein stärkeres Mitwirkungsrecht zu ermöglichen. Dies soll vor allem durch eine Reform des Beirates verwirklicht werden. Nachstehend einige grundsätzliche Feststellungen zur Governance der Stiftung und eine kurze Beurteilung dieses Anliegens.

Die Privatstiftung unterscheidet sich von anderen Rechtsformen vor allem dadurch, dass der/die StifterIn mit der Errichtung der Stiftung, Einbringung des Vermögens in die Stiftung und Festlegung dessen Nutzung, Verwaltung und Verwertung seine/ihre Stellung als EigentümerIn aufgibt; dass sich also die Privatstiftung nach dem Gründungsvorgang gewissermaßen selbst gehört. Aufgrund der Eigentümerlosigkeit der Privatstiftung war der Gesetzgeber besonders gefordert, der Privatstiftung eine Governance aufzuerlegen, welche sicherstellte, dass der in der Stiftungserklärung vom/von der StifterIn bzw der StifterInnengemeinschaft festgelegte Stiftungszweck einschließlich der Begünstigten aus der Privatstiftung auch dann noch verfolgt wird, wenn der/die ursprüngliche GründerIn wegfällt.

Zur nachhaltigen Sicherung der Kontinuität der Privatstiftung wurden folgende Grundsätze der Governance festgelegt:

  • Der Stiftungsvorstand muss unabhängig sein (§ 15 Abs 1 PSG). Begünstigte und mit den Begünstigten in einem Naheverhältnis stehende Personen (EhegattInnen, LebensgefährtInnen etc) sowie InteressenvertreterInnen der Begünstigten (zB RechtanwältInnen, SteuerberaterInnen) dürfen nicht Mitglieder des Stiftungsvorstandes sein. Ziel dieser Regelung ist es, dass der Stifterwille nicht durch die Vertretung der Begünstigten im Stiftungsvorstand konterkariert wird. Die Unabhängigkeit wird auch durch den dreigliedrigen Vorstand (§ 15 Abs 1 PSG) und durch die Mindestfunktionsdauer von 3 Jahren gestärkt (OGH, 6 Ob 195/10k).
  • Keine Mehrheit der Begünstigten im Aufsichtsrat: Auch aus dieser zweiten zentrale Regelung (§ 23 Abs 2 PSG) geht klar hervor, dass der Gesetzgeber den Einfluss der Begünstigten weitgehend beschränken will. Dies umso mehr, als er auch für den Aufsichtrat eine Erweiterung auf InteressenvertreterInnen vorgesehen hat.
  • Starke Stellung des Stiftungsprüfers: Der/die StiftungsprüferIn ist vom Gericht, gegebenenfalls vom Aufsichtsrat zu bestellen: Als Organ der Stiftung ist der/die StiftungsprüferIn verpflichtet, bei Gefahr von Missbrauch oder Schädigung der Stiftung Maßnahmen bis hin zu gerichtlichen Anträgen, etwa auf Abberufung von Vorstandsmitglieder oder Bestellung eines Sonderprüfers, zu setzen.
  • Starke Einbindung der Gerichte, und zwar sowohl hinsichtlich Organbestellung als auch im Bereich des Verfahrensrechtes (zB Prüfung der Gründe für Abberufung eines Vorstandsmitglieds).

Der Aufsichtsrat wäre das logische Überwachungsorgan der Privatstiftung. Die gesetzlichen Bestimmungen sind allerdings so konzipiert, dass de facto keine Stiftung verpflichtet ist, einen Aufsichtsrat einzurichten. So reicht etwa der Hinweis in der Stiftungsurkunde, dass sich die Tätigkeit der Privatstiftung auf die Verwaltung von Unternehmensanteilen der beherrschten Unternehmen beschränkt, um die Privatstiftung von der Aufsichtsratspflicht als Konzernmutter und damit von der ArbeitnehmerInnenmitbestimmung zu befreien.

Gleichzeitig eröffnet der Gesetzgeber dem/der StifterIn die Möglichkeit, neben den oben genannten Organen weitere Organe zur Wahrung des Stiftungszwecks vorzusehen (z.B Stiftungsbeirat). In der Praxis wird daher  zumeist ein Beirat, der sich mehrheitlich aus Begünstigten zusammensetzt, eingerichtet und diesem aufsichtsratsähnliche Aufgaben zugewiesen. Dazu zählen: Auskunfts- und Einsichtsrechte, die Zustimmungspflicht zu bestimmten Geschäften der Privatstiftung, Antragsrechte auf Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern sowie auf Durchführung einer Sonderprüfung. Über den Weg des „aufsichtsratsähnlichen“ Beirates (der Beirat kann auch aus einer einzigen Person bestehen) soll letztlich der Einfluss auf Leitung und Überwachung der Privatstiftung – und damit der Einfluss auf das Stiftungsvermögen – abgesichert werden. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in mehreren Entscheidungen und mit Hinweis auf die Aufsichtsratszusammensetzung klargestellt, dass der Gesetzgeber bewusst den Einfluss der Begünstigten im Rahmen der Governance der Stiftung begrenzte und festgehalten, dass in einem aufsichtsratsähnlichen Beirat oder sonstigem aursichtsratsähnlichen Organ Begünstigte und deren Angehörige (später erfolgte auch noch eine gesetzliche Ausweitung auf VertreterInnen der Begünstigten) nicht die Mehrheit stellen dürfen (OGH 6 Ob 42/09h, 6 Ob 145/09f).

Wenngleich im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2011 die Entscheidungen des OGH teilweise entschärft und sonstige Organe in Bezug auf die Abberufung von Vorstandsmitgliedern mehr Rechte eingeräumt wurden (vgl § 14 Abs 3 und 4 PSG), wird angesichts des in vielen Privatstiftungen derzeit anstehenden oder gerade vollzogenen Generationswechsels von StiftungsanwältInnen und Teilen der Lehre eine Ausweitung der Befugnisse der Begünstigten und damit ein Paradigmenwechsel eingefordert. Dem/der StifterIn sollte hinsichtlich der Ausgestaltung der Begünstigtenrechte mehr Autonomie in Bezug auf deren Kompetenzen zugewiesen werden.

Privatstiftungsreform sollte Aufsichtsrat stärken und Transparenz verbessern

Aus unserer Sicht ist das Grundkonzept der Governance der Privatstiftung stringent und sollte weiterhin beibehalten werden. Im Rahmen einer Reform gilt es jedenfalls den Aufsichtsrat zu beleben. Gerade wenn die Privatstiftung als Konzernspitze agiert und im Sinne des § 244 UGB verbundene Unternehmen beherrscht, sollte die Einrichtung eines Aufsichtsrats verpflichtend vorgeschrieben werden. Der Gesetzgeber muss auch deutlich machen, zu welchen Zwecken sonstige Organe eingerichtet werden dürfen, und er muss eine klare Abgrenzung zum Aufsichtsrat vornehmen.

Dringender Reformbedarf besteht auch in Richtung mehr Transparenz von Stiftungen. Im Mittelpunkt sollten hier jedenfalls mehr Informationen über die volkswirtschaftliche Bedeutung von Stiftungen – etwa über Veröffentlichungen der Statistik Austria – sowie die Offenlegungspflicht des Konzernabschlusses und die Konsolidierungspflicht für Zweckgesellschaften stehen.

Dieser Beitrag erschien in wirtschaftspolitik-standpunkte 4/2014. Die “standpunkte” können hier abonniert werden.