Panama – das Wegschauen der Regierungen hat System

18. April 2016

Seit vielen Jahren ist bekannt, welch unglaubliche Summen an privatem Finanzvermögen offshore gehalten werden. Schätzungen sprechen von 21.000 bis 32.000 Milliarden US-Dollar. Während den Staaten jährlich weltweit hunderte Milliarden Dollar durch Steuerbetrug der Reichen und Superreichen verloren gehen, nimmt man in Europa lieber den Sozialstaat ins Visier oder plant wie in Österreich Kürzungen bei der finanziellen Unterstützung für die Schwächsten der Gesellschaft.

Im weltweiten Offshore-Betrugssystem der wirtschaftlichen Eliten ist Panama kein Einzelfall. Seit Jahren ist bekannt, dass das Land rund 350.000 geheime Briefkastenfirmen beherbergt. Doch selbst mit dieser unglaublichen Zahl liegt das Land noch hinter Hongkong und den British Virgin Islands. Letztere lagen 2013 weltweit auf dem unglaublichen 4. Platz was die Summe an ausländischen „Direktinvestitionen“ betrifft (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Ausländische Direktinvestitionen: Top 20 Empfänger (in Mrd. US-Dollar), 2013

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Quelle: http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaeia2014d1_en.pdf

Ironischerweise sind die British Virgin Islands auf einer „weißen Liste“ der OECD zu finden. Panama selbst ist „nur“ an 13. Stelle der Rangliste der intransparentesten Finanzplätze. All das zeigt, dass das globale Finanzsystem in weiten Teilen noch immer eine Transparenz-Wüste ist. Wie ist das möglich?

Strukturelle Verflechtungen

Auf den ersten Blick zeigen die Recherchen eine erschreckende Verstrickung korrupter politischer Eliten. Doch die Skandalisierung und Personalisierung dieser besonders medientauglichen Fälle darf nicht vom grundsätzlichen demokratiepolitischen Ausmaß des Problems ablenken: Denn es sind die ganz „legalen“ Verflechtungen zwischen politischen und wirtschaftlichen Eliten, die dieses System strukturell stützen.

Offshore-Kanzleien arbeiten nicht isoliert. Um ihre grenzüberschreitenden Strukturen anbieten zu können, benötigen sie Steuerberatungskanzleien oder Banken als Vermittler. Die großen Fische im Panama-Kanal sind europäische Banken aus der Schweiz, Luxemburg oder Großbritannien. Deren enge Beziehungen zur Politik sind vielfach dokumentiert. Eine Folge davon ist, dass Strafandrohungen für Finanzinstitute, die in zwielichtige Geschäfte involviert sind, meist viel zu niedrig sind.

Die großen Steuerberatungskanzleien wiederum entwickeln nicht nur fragwürdige Steuersparmodelle für Konzerne, sondern sitzen auch in zahlreichen EU-Expertengruppen zu steuerpolitischen Fragen. In der EU-„Plattform für verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen“ ist neben dem größten europäischen Industriellenverband „Business Europe“ auch die Steuerberatungskanzlei PricewaterhouseCoopers vertreten. Und der Chef-Konstrukteur der wichtigsten EU-Steueroase, nämlich Luxemburg, hat es bekanntlich zum Chef der EU-Kommission gebracht (siehe Abbildung 2).

 Abbildung 2: Anteil von Gewinnen von US-Konzernen in Steueroasen

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Quelle: http://www.taxjustice.net/wp-content/uploads/2015/01/31.jpg

Internationale Pläne unzureichend

Panama-Leaks zeigt erneut, wie unabdingbar es ist, die wahren wirtschaftlichen Eigentümer hinter Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen offenzulegen. Derartige Konstruktionen haben keine Existenzberechtigung – es sei denn, man hat etwas zu verbergen. Attac und viele andere fordern seit Jahren öffentliche Register, welche die wahren Eigentümer solcher Konstrukte offenlegen – umgesetzt sind sie bis heute nicht. Wie wenig die EU selbst an Transparenz interessiert ist, zeigt die in Umsetzung befindliche EU-Geldwäsche-Richtlinie: Medien und Zivilgesellschaft sollen keinen vollen öffentlichen Zugang erhalten.

Auch die neuen internationalen OECD-Regeln zum automatischen Informationsaustausch der Steuerbehörden bleiben lückenhaft. Länder wie Panama oder die USA verweigern die Teilnahme – ohne dass sie politischen Druck oder wirtschaftliche Sanktionen zu befürchten hätten. Dabei haben die USA vorgemacht, wie schnell mit dem nötigen Nachdruck sogar das eiserne Schweizer Bankgeheimnis zu knacken ist. Doch viele der intransparentesten Finanzplätze sind eben selbst OECD-Staaten oder – wie im Falle britischer Inseln – von ihnen abhängige Gebiete. Sanktionen wären daher ein Schuss ins eigene Banken-Knie.

Auf technischer Ebene erschwert es der Informationsaustausch zwar ab 2017/18 im Ausland geparktes Geld zu verstecken. Dennoch existieren zahlreiche Schlupflöcher – das Tax Justice Network listet 35! Steuerbetrüger und Kriminelle können sehr einfach Konten in nicht-teilnehmenden Staaten eröffnen. Einige intransparente Konstruktionen sind zudem gänzlich vom Austausch ausgenommen. Der Grenzwert, ab dem Finanzinstitute Informationen übermitteln müssen, ist mit 250.000 Dollar sehr hoch und lässt sich leicht umgehen. Und ausgerechnet den ärmsten Ländern wird die Teilnahme am Austausch erschwert. Sie haben oft nicht die Kapazitäten selbst automatisch Daten liefern zu können und dürfen daher auch keine erhalten.

Test für unsere Demokratien

Die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft zeigen klar: Die Regierungen haben wenig Interesse Licht ins Dunkel zu bringen. Die politische Rhetorik hat sich zwar verändert – doch auch sieben Jahre nach den vollmundigen Versprechen der G20 ist das Offshore-System lebendig wie eh und je. Wir sind daher weiterhin auf Whistleblower, geleakte Geheimdokumente, NGOs und JournalistInnen angewiesen um dieses System aufzubrechen. Panama-Leaks bietet eine weitere Gelegenheit, den öffentlichen Druck auf Regierungen zu erhöhen. Der Kampf gegen Steuerhinterziehung der Reichen und gegen eine Politik für das „eine Prozent“ ist ein entscheidender Test für unsere Demokratien.