Ökostromförderung: Keine Zukunft ohne Reform

25. Mai 2016

Die Ökostromförderung in Österreich und Deutschland ist erfolgreich. Sie hat zu einem raschen Ausbau Erneuerbarer Energie geführt. Doch obwohl die Kosten rasant zugenommen haben, reichen die Fördermittel nicht aus um alle geplanten Projekte zu finanzieren. Das Fördersystem ist nicht mehr zeitgemäß sondern ineffizient und teuer. Von diesem Missstand profitieren einige Ökostromanlagenbetreiber. Sie fordern mehr Geld für das alte System. Doch für einen nachhaltigen und bezahlbaren Wandel in der Stromproduktion ist eine große Reform des Fördersystems unumgänglich.

Wie funktioniert die Ökostromförderung?

Die in Österreich zuletzt 2012 reformierte Ökostromförderung war erfolgreich. Ähnlich wie in Deutschland wurden bzw werden auch in Österreich die Ökostrom-Ausbauziele bisher erfüllt. So fehlt etwa auf das Ziel den Ökostromanteil um 34 Prozentpunkte zu erhöhen nur mehr ein Prozentpunkt (Stand: 2014). Insgesamt beträgt der Anteil Erneuerbarer Energie (geförderter Ökostrom und „alte“ Wasserkraft) damit rund 80% (2014) der Stromproduktion. Setzt sich diese Entwicklung fort, werden auch die 2030-Ziele sowie die längerfristigen Ziele (bis 2050) erreicht werden. Doch die Kosten sind explodiert. Im Jahr 2016 werden in Österreich rund 1,3 Mrd. Euro für das Ökostromfördersystem ausgegeben.

Finanziert wird der Ökostromausbau in beiden Ländern über eine von den StromverbraucherInnen zu zahlende „Umlage“. In Österreich bedeutet das konkret, dass für einen privaten Haushalt mit einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 3.500 kWh p.a. eine jährliche Belastung von rund 120 € (2016) anfällt, die über die Stromrechnung zu zahlen ist. Hinzu kommen noch weitere indirekte Kosten, die zum Teil mit dem Ökostromausbau verbunden sind. Das sind zum einen die Kosten für den Netzausbau (rund 1,2 Milliarden Euro jährlich), aber auch Kosten für den Ausgleich der schwankenden Einspeisung (Stichwort „Netzstabilisierung“ und „Reservekapazitäten“).

Die Förderung von Ökostrom erfolgt hauptsächlich anhand von Einspeisetarifen. Also einer gesicherten Abnahme zu einem fixen Preis je produzierter Megawattstunde (MWh) Strom, der über dem Marktpreis liegt. Dieser Einspeisetarif wird jeder neuen Anlage in unveränderter Höhe 13 bis 15 Jahre lang gewährt. Ziel ist es mit dieser Förderung alle Kosten abzugelten und den EigentümerInnen zudem einen angemessenen Gewinn zu finanzieren. Festgelegt wird die Höhe der Einspeisetarife – auf Basis eines jährlichen Gutachtens der Regulierungsbehörde E-Control – durch Verordnung des Wirtschaftsministers.

Förderhöhe nach dem Daumen mal Pi Prinzip

Und hier beginnen bereits die Probleme. Die Gutachter verfügen über keine gesetzlichen Möglichkeiten, die tatsächlichen Kosten der Anlagen zu erheben. Während etwa die Betreiber der Strom- oder Gasnetze ihre Kosten offenlegen müssen, gibt es über die tatsächlichen Kosten von Ökostromanlagen kaum Informationen. Die Gutachter müssen die Kosten aus dem Literaturstudium gewinnen oder schätzen. Gleichzeitig gibt es für die Höhe der Kapitalverzinsung (Abgeltung von Fremdkapitalkosten und Gewinn) keine gesetzlichen Vorgaben. Obwohl dies für die Bestimmung der Förderhöhe zentral ist, wird die tatsächliche Finanzierungsstruktur, also das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital sowie die entsprechenden Kapitalkosten bei der Errichtung und dem Betrieb von Ökostromanlagen, im Gutachten nicht näher diskutiert. Sie wird von den Gutachtern einfach mit 6% angenommen. Dieser Zinssatz ist trotz veränderter Rahmenbedingungen, wie etwa viel niedrigerer Fremdkapitalzinsen, seit dem Jahr 2009 unverändert.

Kleine Gruppe profitiert von überhöhten Fördertarifen

Das Ergebnis sind überhöhte Fördertarife. Vergleicht man etwa die in Österreich für Windkraft gewährten Einspeisetarife der letzte Jahre mit den Ergebnissen einschlägiger Studien, so bestätigt sich der Verdacht, dass Windkraftanlagen, in den letzten Jahren deutlich höhere Tarife erhalten, als es ihnen bei einer effizienten Förderung eigentlich zustehen würde. Über dementsprechend hohe bzw. überhöhte Renditen darf sich die kleine Gruppe der Anlagenbetreiber freuen. Sind es doch nur sieben Unternehmen die über 80% des geförderten Windstroms produzieren.

Die Kosten der überhöhten Förderung sind enorm. Allein für die zwischen 2011 und 2014 neu errichteten Windräder betragen sie je nach Schätzung jährlich bis zu 35 Mio Euro, über den gesamten Förderzeitraum (jeweils 13 Jahre, also von 2011 bis 2026) summiert sich dies auf rund 450 Mio Euro auf. Zahlen in dieser Größenordnung sind dabei wenig überraschend, geht doch etwa die Unternehmensberatungsfirma Roland Berger davon aus, dass die Betriebskosten von Windkraftanlagen durchschnittlich um rund 45% gesenkt werden könnten.

VerbraucherInnen und jene die nicht zum Zug kommen zahlen drauf

Die Kosten für die überhöhten Tarife tragen die StromendverbraucherInnen, davon tragen die privaten Haushalte einen überproportionalen Teil der Kosten. Aber auch einige Anlagenbetreiber schauen durch die Finger, denn das Geld reicht nicht aus um alle beantragten Projekte zu finanzieren. Aus dem Vergleich mit einschlägigen Studien geht hervor, dass mit effizienteren Tarifen alleine in den Jahren 2012 bis 2014 jährlich um rund 10% bzw 74 MW mehr geförderte Windkraftleistung installiert werden hätte können. Oder anders ausgedrückt:  Mit einem effizienteren Tarif könnten – bei vorsichtiger Schätzung – rund 40.000 Haushalte (143 GWh) mehr mit Windstrom versorgt werden.

Wo Geld verbrannt wird: Biogas & Biomasse

Die Fördertarife sind je nach Technologie unterschiedlich. Die Idee dahinter: Die technologiespezifische Förderung ermöglicht einen Technologiemix und verhindert „lock-in“-Effekte. Es wird also allen Technologien eine „Chance“ eingeräumt durch Innovation wettbewerbsfähig zu werden, das frühzeitige Einschlagen von Sackgassen soll so vermieden werden. Doch die Zeit der Anschubfinanzierung ist vorbei, mittlerweile ist deutlich geworden welche Technologien Zukunft haben und welche wohl nie Marktreife erlangen werden. Zu letzteren zählen vor allem rohstoffabhängige Anlagen. Sowohl Biogas- als auch Biomasse-Anlagen erhalten mit durchschnittlich 13,4 bzw 17,5 Euro/MWh sehr hohe Fördertarife. Dennoch fanden die Anlagenbetreiber nicht das Auslangen und forderten immer mehr Geld. Und sie bekamen es auch. Ohne tatsächliche Kostenprüfung wurden Sonderzahlungen – etwa in Form von Rohstoffzuschlägen, Betriebskostenzuschlägen oder einer Verlängerung der Förderdauer (Nachfolgetarife) – gewährt. Mit diesem Vorgehen werden die falschen Anreize gesetzt – sie hemmen sowohl technologischen Fortschritt als auch Effizienzsteigerungen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Nun fordern die Biogasanlagenbetreiber noch höhere Nachfolgetarife und – als Alternative – eine Schließungsprämie, für den Ausstieg aus dem Markt. Die Kosten können nur schwer abgeschätzt, von mehreren hundert Millionen Euro kann jedoch ausgegangen werden. Bei nur rund 250 Anlagen, die für diese Angebote in Frage kommen, jedenfalls eine Menge Geld für jeden Einzelnen; meist Besitzer großer Landwirtschaftsbetriebe. Damit droht erneut die Gefahr, dass der Wirtschaftsminister auf Druck der Landwirtschaftslobby viel Geld für eine teure, nicht zukunftsfähige Ökostromtechnologie ausgibt. Dabei könnte mit denselben Mittel deutlich mehr Strom aus Wind- oder Wasserkraft erzeugt werden, ohne wertvolle Rohstoffe verbrennen zu müssen.

Fehlende Systemintegration

Hohe Fördertarife, die sich nicht an den tatsächlichen Kosten orientieren und das Festhalten an nicht zukunftsfähigen Technologien sind aber nicht die einzigen Probleme des aktuellen Förderregimes. Mit dem Einspeisetarifsystem lässt sich am meisten Geld verdienen, wenn möglichst viel Strom erzeugt und ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Das Problem: Insbesondere Windkraft- und Photovoltaikanlagen speisen sehr volatil, also unregelmäßig ein – je nach Wetterlage. Das bedeutet Stress für das Stromnetz, denn hohe Leistungsspitzen stehen lange Zeiten ohne nennenswerte Einspeisung gegenüber.  Kein Wunder, haben die Anlagenbetreiber bei fixen Abnahmepreisen doch keinerlei Anreize ihre Stromproduktion zu glätten oder stärker dem Verbrauch anzupassen. Die Folge ist, dass stets konventionelle Kraftwerke als Reserve bereit stehen müssen – und das kostet natürlich. Doch das müsste gar nicht so sein…

Kriterien für ein neues Ökostromfördersystem

Wenn es das Ziel ist, die Stromproduktion möglichst rasch auf 100% erneuerbare Strom umzustellen, dann ist eine grundlegende Reform der Ökostromförderung unumgänglich.

  • Konzentration auf Sonne, Wind & Wasser: Eine Konzentration auf rohstoffunabhängige, zukunftsfähige Technologien ist notwendig. Strom aus Wasser- und Windkraft aber auch aus Sonnenenergie ist nicht nur deutlich günstiger, sondern auch von Rohstoffpreisen unabhängig.
  • Systemintegration durch Investitionszuschuss: Statt der Dauersubvention sollte auf einmalige Förderzuschüsse umgestellt werden. Dadurch rechnen sich die Investitionen weiterhin, gleichzeitig werden sich die Anlagenbetreiber aber stärker an der Nachfrage orientieren und die  Systemkosten insgesamt sinken. Die mit der Investitionsförderung verbundene Kostenprüfung sorgt zudem für einen effizienten Mitteleinsatz. Damit würde die Förderung nicht nur kosteneffizienter, sondern zugleich werden Innovationsanreize geschaffen und Systemverantwortung eingefordert.

Wohin der Weg gehen sollte, liegt eigentlich auf der Hand. Doch ein Systemwechsel wird nicht einfach, profitieren doch manchen Gruppen, wie etwa die Windkraftanlagenbetreiber, aber auch die von der Agrarindustrie dominierte Biogasbranche ganz erheblich von den Ineffizienzen des aktuellen Systems. Da kommt es dann schon mal vor, dass die Reformierer, die sich dagegen wehren immer mehr Geld in das alte System zu schütten, als „Blockierer der Energiewende“ beschimpft werden. Doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass kein vernünftiger Weg an einer gesamthaften Reform des Förderregimes vorbeiführt.