Mythos: „Die Reichen haben in der Krise viel verloren“

29. Dezember 2014

Nur wenige Jahre nach der Talfahrt der Märkte vermelden Millionärsberichte, dass die Reichen reicher sind, als sie es vor der Krise waren. Die Gesamtwirtschaft und insbesondere die Einkommen und Vermögen der großen Mehrheit der Bevölkerung haben sich im gleichen Zeitraum wesentlich schlechter entwickelt.

Große Vermögen, riskante Veranlagung

Anfangs sanken vor allem die Immobilienpreise in den USA. Das betraf fast alle Haushalte. Der folgende Einbruch der Aktienkurse betraf hingegen insbesondere die Vermögenden. Im Verhältnis zu ihrem Gesamtvermögen fielen diese Verluste aber geringer aus als jene der ärmeren Haushalte. Als Folge stieg die soziale Ungleichheit. Seither haben sich die Hauspreise nur mäßig bis gar nicht erholt, während an den Aktien- und Anleihenmärkten eine neue GoldgräberInnenstimmung ausgebrochen ist.

Ähnliche Phänomene können auch in Europa beobachtet werden: Sparbücher oder Bausparverträge, klassische Anlageformen für weniger Vermögende, stagnieren aufgrund der niedrigen Zinsen oder verlieren sogar real deutlich an Wert. Die eher von Reichen gehaltenen Vermögenskomponenten erleben hingegen einen enormen Boom. Der österreichische Aktienindex ATX stieg seit Anfang 2009 von rund 1.400 auf rund 2.600 Punkte, verdoppelte sich also fast. Noch stärker stieg der deutsche DAX.

Aus Banken- werden Staatsschulden

Nachdem im Herbst 2008 in den USA die Investmentbank Lehman Brothers Pleite gegangen war, kamen nach und nach auch die faulen Kredite und Kreditverbriefungen europäischer Banken ans Tageslicht. Die Banken verloren das Vertrauen in ihre gegenseitige Fähigkeit, Kredite zurückzahlen zu können, und liehen einander kein Geld mehr. Durch die starke Verflechtung des internationalen Bankensystems war kaum seriös zu beantworten, welche Bank tatsächlich »systemrelevant« war und welche bedenkenlos in die Pleite geschickt werden konnte. Selbst Banken, die das Ausfallen der eigenen faulen Kredite überstanden hätten, wären indirekt über das Zusammenbrechen anderer Kredit- und Versicherungsinstitute betroffen gewesen.

So war bald klar, dass ohne staatliche Stützungsmaßnahmen das Bankensystem nicht zu retten war. Diese Eingriffe retteten im Grunde den gesamten europäischen Finanzsektor und damit auch die großen privaten Vermögen. Die Kosten für die Bankenrettungen und die Rezession erhöhte die Staatsschulden massiv. Am deutlichsten wird das in Irland, dessen Schuldenstand von 25% des Bruttoinlandsprodukts 2007 auf 91% 2010 hochschnellte.

Arme zahlen die Rechnung der Krise

Um die Staatsschulden wieder zu senken, wird Austeritätspolitik betrieben. Diese trifft ärmere Haushalte im Allgemeinen besonders stark – sie zahlen die Rechnung für die Rettung der Vermögenden. Am deutlichsten sieht man diese Schieflage in Griechenland: Die Troika aus Europäischer Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds zwingt Griechenland eine »innere Abwertung« auf, also Lohnkürzungen für die arbeitenden Menschen und eine Senkung der Staatsausgaben. Zugleich sieht sie tatenlos dabei zu, wie Griechenlands Reiche ihr unversteuertes Geld in der Schweiz verstecken. Doch Griechenland ist nur ein Beispiel. In ganz Europa kommt es, wenn auch weniger brutal, zu einem Rückbau des Sozialstaats. Damit wird jene Institution geschwächt, die die Menschen in der Krise am besten vor Armut und die Pensionen vor den Launen der Finanzmärkte schützt.

Um diese Umverteilung zu den Reichen zu korrigieren, müsste die Politik sie die Kosten der Krise und ihrer Bekämpfung bezahlen lassen, etwa über höhere Steuern auf Vermögen. Doch davon ist nichts zu sehen. Die Reichen und ihre Vermögen sind also bislang die klaren GewinnerInnen der Krise.

Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um den ersten in einer Serie von insgesamt vier, die jeweils eine gekürzte Version eines Mythos aus dem aktuellen Buch „Mythen des Reichtums. Warum Ungleichheit unsere Gesellschaft gefährdet“ darstellen. Begleitet wird das Buchprojekt von einer eigenen Homepage, die ergänzende Informationen und Grafiken beinhaltet.