Mobilitätspass im öffentlichen Verkehr

24. Oktober 2016

Wer sich Mobilität nicht leisten kann, ob den täglichen Weg in die Arbeit oder zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, ist in seinen sozialen Möglichkeiten stark eingeschränkt. Da die Kosten für Mobilität mitunter einen hohen Anteil des Haushaltseinkommens einnehmen, sind insbesondere AlleinverdienerInnen, Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte dadurch außerordentlich schwer belastet. Beispiele aus dem In- und Ausland zeigen, wie die Nutzung der öffentlichen Mobilitätsnetze für Menschen, die zunehmend ökonomisch und gesellschaftlich ausgegrenzt sind, mit einem Mobilitätspass gefördert werden kann.

Mobilitätsförderung für sozioökonomisch benachteiligte Menschen

Generell stellen Mobilitätspässe zumeist nur ein Ermäßigungsspektrum thematisch breiter gefächerter Sozialpassvergünstigungen dar. Obgleich die Bezugsvoraussetzungen in Österreich regional variieren, sind die Personengruppen der Mindestsicherungs- und AusgleichszulagebezieherInnen in allen Bezugsvoraussetzungen vorzufinden und stellen auch den größten Anteil der faktischen BezieherInnen dar. Darüber hinaus werden oftmals Einkommensgrenzen, wie die Armutsgefährdungsschwelle, als Anspruchskriterien herangezogen.

Mobilitätspässe haben eine Reihe positiver Effekte

Neben potenziell aktivierenden Effekten für Arbeitssuchende bieten Mobilitätspässe eine Reihe weiterer Vorteile: die aktive Teilhabe am sozialen Leben, die Möglichkeit die Arbeitsstelle erreichen zu können, finanzielle Entlastung für Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte, die Wahrnehmung kultureller Angebote und die Erledigung von Einkäufen und Arztbesuchen – um ein paar Beispiele zu nennen. Darüber hinaus wird durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ein wertvoller Beitrag zum Schutz der Natur und Umwelt geleistet.

Welche Mobilitätsinitiativen gibt es in Österreich?

Nach aktuellen Rechercheergebnissen existieren derzeit sechs österreichische Mobilitätspassinitiativen in den Städten Wien (Mobilpass), Graz (SozialCard Mobil), Linz und Leonding (Aktivpass), Wiener Neustadt (Plus/Senior Card) und Tulln (Sozialcard). In seiner Doppelfunktion hat Wien als erstes österreichisches Bundesland am 1. April 2008 den Wiener Mobilpass eingeführt. Mit der Gründung der Vorarlberger FairCard folgte am 15. Februar 2016 das zweite überregionale Mobilitätspassprojekt in Österreich.

In Wien ermöglicht der Besitz des Mobilpasses den Bezug von Monatskarten um 17 Euro statt 48,2 Euro (Ermäßigung von 65 %). Darüber hinaus können Vollpreiskarten zum Halbpreis erworben werden. Die FairCard des Verkehrsverbunds Vorarlberg hingegen erlaubt Ausgleichszulagebezieherinnen/-beziehern den Erwerb einer vergünstigten Jahreskarte um 192 Euro statt 365 Euro (Ermäßigung 47,4 %). Ferner können Monatskarten um 16 Euro statt 77 Euro (fast 80 % Ermäßigung) verbilligt bezogen werden. Dieses Angebot gilt außerdem für BezieherInnen der bedarfsorientierten Mindestsicherung und AsylwerberInnen. Zum Preis von 8 Euro können Kinder (bis einen Tag vor dem 15. Geburtstag) ebenso Bus und Bahn im gesamten Verbundbereich nutzen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog
Quelle: jeweilige Initiative, eigene Berechnung, Stand 2013; *Tickettyp: Monatsticket, außer Graz (Jahresticket) und Wiener Neustadt (Einzelfahrschein)

Ein Mobilitätspass für Niederösterreich

Die Arbeiterkammer Niederösterreich hat in Zusammenarbeit mit dem Niederösterreichischen Armutsnetzwerk ein eigenes Modell eines Mobilitätspasses erstellt, das einerseits eine Analyse der derzeit existierenden österreichischen Mobilitätspassinitiativen und andererseits ein mögliches Modell für Niederösterreich enthält.

Die Analyse soll einen Überblick über die bereits bestehenden Praxen der vorhandenen Mobilitätspassprojekte schaffen, deren Erkenntnisse in die Konzeption eines Tarif-, Bezugsgruppen- und Kostenmodells einflossen. Anspruchsberechtigt wären demnach alle NiederösterreicherInnen über 19 Jahre, deren Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt (unter 19-Jährige haben bereits eine Ermäßigung via Top-Jugendticket). Die AK rechnet aktuell mit 11.800 Nutzerinnen/Nutzern (das sind 10 % aller Anspruchsberechtigten in Niederösterreich), die eine 60-prozentige finanzielle Entlastung beim Bezug von Verbund-Monatstickets in Anspruch nehmen könnten. Eine alleinerziehende und teilzeitbeschäftigte Frau, die beispielsweise von Sankt Pölten nach Krems an der Donau fährt und dafür bisher 89,10 Euro bezahlt hat, würde diese Strecke monatlich nur noch 35,00 Euro kosten. Durch ermäßigte Ticketpreise wird zudem die Möglichkeit geschaffen, vom Wohnort weiter entfernte Arbeitsstellen anzunehmen.

Kosten werden auf ca. 3 Millionen Euro geschätzt

Die Kosten für einen niederösterreichischen Mobilitätspass definieren sich durch den Grad der Abtari­fierung (Differenz zwischen dem Verkaufspreis von regulären Tickets und dem der Mobilitätstickets) und dem Bezugsverhalten der Mobilitätspassbesitzenden, welches sich im durchschnittlichen jährli­chen Ticketbezug abbildet. Berechnungen auf Basis der EU-SILC 2015 und einer Abtarifierung von 60 Prozent ergeben Jahreskosten für einen niederösterreichischen Mobilitätspass von rund 3 Millionen Euro. Hinzu kommen die Kosten, die für Personal, Herstellung der Mobilitätspässe und deren Versendung einzuberechnen sind. Um die ungefähre Dimension dieser Kosten abzuschätzen, wurde anhand des Tätigkeitsberichts 2015 zur „Prüfung der Vorgehensweisen der Stadt Wien im Zusammenhang mit Mobilpässen“ des Stadtrechnungshofs Wien ein Kostenäquivalent für Niederösterreich errechnet, das rund 1,5 Prozent der Gesamtkosten ausmacht.

Und auf der anderen Seite wäre die Finanzierung definitiv möglich: Von 2013 bis 2015 wurde die Pendlerhilfe des Landes Niederösterreich erheblich gekürzt, wodurch mehr als 5,1 Millionen Euro weniger an Betroffene ausbezahlt wurden. Würden diese Mittel den einkommensbenachteiligten Pendlerinnen/Pendlern wieder zu Gute kommen, wäre der Mobilitätspass leicht zu finanzieren.