Mobilität im ländlichen Raum – „Autofahrer unterwegs*“

22. September 2014

Mindestens 86% der ländlichen Haushalte besitzen einen Pkw, sagt die Statistik Austria. Damit sollte der Zugang zu Mobilität auch im ländlichen Raum kein Problem sein, könnte man meinen. Doch wenn man sich die Statistiken genauer ansieht, fällt rasch auf: Auto-Mobilität ist teuer und nicht für alle leistbar. Öffentliche Verkehrsmittel sind wesentlich besser leistbar, ein Ausbau wäre daher sinnvoll.

Verkehrsausgaben belasten Haushalte unterschiedlich stark

Nur wer mobil ist, kann beruflich tätig sein und am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen. Gerade im ländlichen Raum wird Mobilität ohne eigenes Auto aber als kaum bis überhaupt nicht machbar erlebt, was sowohl zu Einschränkungen als auch zu besonders hohen finanziellen Belastungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen führt.

Nach Wohnen und Energie sind Ausgaben für den Verkehrsbereich mit 15 Prozent der Äquivalenzausgaben die zweitgrößte Kostenbelastung der österreichischen Haushalte, wobei für den Öffentlichen Verkehr im Schnitt nur 1,1 Prozent aufgewendet werden müssen.. Speziell im ländlichen Raum steht und fällt die eigene Mobilität mit dem Besitz eines Pkws. Gründe dafür sind einerseits das spärliche Angebot des öffentlichen Verkehrs und andererseits die oftmals weiten Distanzen – aber auch kurze Wege lassen sich wegen der mangelhaften Rahmenbedingungen oftmals kaum zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigen.

Die Konsumerhebung der Statistik Austria zeigt ganz deutlich, dass das Vorhandensein eines Pkw sehr stark mit dem Einkommen zusammenhängt, weitgehend unabhängig vom finanziellen Rahmen ist das Vorhandensein einer Zeitkarte für den Öffentlichen Verkehr. Während bei den Haushalten mit niedrigen Einkommen rund 40 Prozent kein Kraftfahrzeug besitzen sind es in den Einkommensstufen darüber zwischen 23 und 11 Prozent. Beim Besitz einer Jahreskarte schwanken die Werte nur zwischen 20 und 25 Prozent.

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Quelle: Statistik Austria 2012

Die Tatsache, dass von den 1,9 Millionen Haushalten im ländlichen Raum (Gemeinden mit weniger als 10.000 EinwohnerInnen) über 260.000 keinen Pkw besitzen verdeutlicht, dass nicht jeder zu jeder Zeit Zugang zu dieser Form der Mobilität hat. Eine Spezialauswertung im weiter unten vorgestellten Forschungsprojekt kommt für Niederösterreich zu dem Ergebnis, dass immerhin 18 Prozent der Vollzeitbeschäftigten nicht jederzeit über einen Pkw verfügen können. Bei den im Haushalt tätigen Frauen sind es mit 44 Prozent sogar wesentlich mehr. Besonders drastisch stellt sich die Situation bei Arbeitslosen Frauen und Männern dar, denn diese geben zu 49 Prozent an, nicht jederzeit  über ein Auto verfügen zu können.

Entscheidend ist aber nicht nur ob ein Pkw vorhanden ist sondern auch, ob die Nutzung finanzierbar ist. Wie folgende Abbildung verdeutlicht, haben die ärmsten 20 Prozent der Haushalte für Kfz-Reparaturen und Treibstoff gerade einmal rund 90 Euro im Monat zur Verfügung. Demgegenüber können die wohlhabendsten 20 Prozent der Haushalte mit bis zu 240 Euro im Monat nahezu das Dreifache je Haushaltsmitglied für den Betrieb ihrer Autos ausgeben. Das bedeutet:

je höher das Einkommen, desto mehr wird für den motorisierten Individualverkehr ausgegeben.

Allerdings sind die Verkehrsausgaben der Haushalte stark von der Bevölkerungsdichte abhängig. In ländlichen Regionen (mit bis zu 10.000 EinwohnerInnenn) gibt ein durchschnittlicher Haushalt für sein(e) Kraftfahrzeug(e) monatlich etwa 482 Euro, für den Öffentlichen Verkehr nur 18 Euro aus, in Wien hingegen nur 279 Euro fürs Kfz und 65 Euro für den Öffentlichen Verkehr.  Auch in Gemeinden mit mehr als 10.000 EinwohnerInnen sind die Verkehrsausgaben der Haushalte um ca. 19 Prozent geringer als in den kleineren Gemeinden.Ein wesentlicher Faktor für eine geringere Belastung mit Mobilitätsausgaben ist daher ein gut ausgebautes Netz an Öffentlichen Verkehrsmitteln.

Monatliche Äquivalenzausgaben für den Verkehr nach Dezilen der Äquivalenzeinkommen

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Quelle: Konsumerhebung, Statistik Austria 2012

„… ohne Auto würde ich nicht hier wohnen“ [1]

oder: Jeder Zweite für Öffi-Ausbau

Ein von AK und bmvit unterstütztes Forschungsprojekt hat sich zum  Ziel gesetzt die Bedeutung von Mobilität bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie genauer zu untersuchen. Unter der Leitung der Universität für Bodenkultur-Institut für Verkehrswesen, wurden im Juni 2013 über 430 berufstätige Männer und Frauen mit Betreuungspflichten in Niederösterreich zu ihrer Situation befragt.

Trotz sorgfältiger Stichprobenziehung konnte unter den Haushalten, die zusätzlich zur Erwerbstätigkeit auch die Betreuung von Kindern und/oder hilfsbedürftigen Erwachsenen übernommen hatten, kein einziger gefunden werden in dem kein Pkw zur Verfügung stand. Im Durchschnitt waren in jedem Haushalt 1,9 Pkws vorhanden, rund 27 Prozent hatten ein Auto und in rund 74 Prozent gab es zumindest zwei Autos im Haushalt.

Am Befragungsstichtag selbst wurden 83 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt, obwohl 29 Prozent der Wege kürzer als 3 Kilometer und 40 Prozent kürzer als fünf Kilometer waren. Multimodale Mobilitätsstile, bei denen zu Fuß gehen, das Rad und der öffentliche Verkehr kombiniert werden, spielen also eine untergeordnete Rolle.

Frauen tragen Verantwortung für die Mobilität Dritter

Besonders interessant ist, dass die hohe Pkw-Verfügbarkeit und die hohe Pkw-Nutzung nicht die erwarteten Erleichterungen für die Erwerbstätigkeit von Frauen mit sich bringen. Im Detail zeigt sich nämlich, dass Frauen mit 4,8 Wegen pro Tag häufiger unterwegs sind als Männer (3,8) und dabei zwar mehr Zeit in ihre Mobilität investieren allerdings mit durchschnittlichen Wegelängen von 11,5 km deutlich kürzer unterwegs sind als Männer mit 17,9 Kilometern. Bei den Wegezwecken zeigt sich, dass 40 Prozent dem Holen und Bringen der Kinder dienen.

Der bessere Zugang zum Auto hat offenbar zur Folge, dass Frauen neben der Berufs- und Familienarbeit zusätzlich auch noch die Verantwortung für die Mobilität der betreuten Personen übernehmen (müssen).

Eindeutig fällt die Meinung über eine Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs aus: Mit dem vorhandenen Angebot sind 56 Prozent nicht zufrieden, über 47 Prozent sind der Meinung, dass ein besserer öffentlicher Verkehr ihr alltägliches Leben erleichtern würde. Erleichterungen werden vor allem darin gesehen, dass die zu betreuenden Personen autonomer mobil sein können und Hol- und Bringwege eingespart werden können. Verbesserungsbedarf wird vor allem im Bereich der Intervallverkürzungen, dem Ausbau des Bedienungsangebots  und der Anschlusssicherung gesehen.

Wegezwecke am Befragungsstichtag

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 Forschungsprojekt: mobility4job 2014

Die Ergebnisse der hier genannten Studie werden demnächst im Rahmen der Schriftenreihe „Verkehr und Infrastruktur“ der AK-Wien veröffentlicht.

Am 22.Oktober 2014  werden die Forschungsergebnisse dann im Rahmen einer ganztägigen Veranstaltung in Wiener Neustadt präsentiert und mit ExpertInnen und EntscheidungsträgerInnen diskutiert. Hier anmelden.

* LeserInnen über 20 haben bei diesem Titel vermutlich eine bestimmte Melodie im Kopf;  im Hinblick auf das aktuelle Mobilitätsverhalten war man bei der Einstellung der Sendung 1999 offenbar seiner Zeit voraus…

[1] „Also heute würden wir wahrscheinlich nicht hierher ziehen […] ohne Auto würde ich auch nicht da wohnen.“ Ein Befragter zu den hohen Mobilitätskosten.