Beschäftigte als EigentümerInnen: Mitarbeiterkapitalbeteiligung als Instrument der Mitbestimmung?

29. November 2016

Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung erlebte zu Beginn der 2000er Jahre einen markanten Aufschwung. Seit der Finanzmarktkrise ist es jedoch wegen Kursverluste, Delistings und einer geringeren Anzahl von Unternehmenskäufen ruhiger um die Frage der Mitarbeiterbeteiligung geworden. In Österreich sind derzeit etwa sechs Prozent der Beschäftigten an ihren Unternehmen (z.B. Voestalpine, Flughafen Wien, AMAG) beteiligt. Gegenwärtig entdecken weitere Leitbetriebe die Kapitalbeteiligung für sich. Hintergrund ist dabei, die ArbeitnehmerInnen als stabile Kernaktionäre – etwa über Stiftungsmodelle – zu verankern und so eine Art „Firewall“ gegen unerwünschte Übernahmen zu bauen.

AK-Erhebung unter AufsichtsrätInnen

Die AK Wien nahm diesen jüngsten Trend zum Anlass, um zu erheben, wie BetriebsrätInnen zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung stehen. Dazu wurden insgesamt 268 ArbeitnehmervertreterInnen in Aufsichtsräten österreichischer Kapitalgesellschaften befragt. Im Folgenden werden die wichtigsten Erkenntnisse der Befragung dargestellt: Welche Beteiligungsmodelle werden aufgrund welcher Motive in der Praxis angewendet und welche Beschäftigtengruppen partizipieren am häufigsten?

Am Erfolg oder am Kapital?

Der Begriff „Mitarbeiterbeteiligung“ ist sehr breit gefasst: Grundsätzlich wird zwischen materieller und immaterieller Mitarbeiterbeteiligung (wie Einbeziehung der Beschäftigten bei Entscheidungsprozessen oder Mitbestimmung auf Unternehmensebene) differenziert. Bei der materiellen Beteiligung können prinzipiell zwei Formen unterschieden werden: Die Kapital- und die Erfolgsbeteiligung. In der Regel geht es dabei um vertraglich festgelegte, dauerhafte Beteiligungen von Beschäftigten am Unternehmenskapital bzw. am Unternehmenserfolg. Während die Erfolgsbeteiligung an das Erreichen bestimmter Kriterien (z.B. Ertrags-, Gewinn-, oder Leistungsindikatoren) geknüpft ist, basiert die Kapitalbeteiligung darauf, Beschäftigte am Kapital des Unternehmens zu beteiligen. Im Folgenden wird die Haltung der ArbeitnehmerInnenvertretung zur Kapitalbeteiligung in den Fokus gestellt.

Hohes Interesse, geringe Praxisrelevanz

Etwas weniger als die Hälfte (45%) der befragten AufsichtsrätInnen gibt an, dass überhaupt ein Erfolgs- oder Kapitalbeteiligungsmodell zur Anwendung kommt. Davon ist bei etwa einem Viertel der betreffenden Unternehmen ein Kapitalbeteiligungsmodell (z.B. Aktien, GmbH-Anteile, stille Beteiligungen) eingerichtet. Ein überwiegend optimistisches Bild zeigt sich bei jenen Befragten, die derzeit über kein Mitarbeiterbeteiligungsmodell im Unternehmen verfügen. Ihrer Einschätzung zur Kapitalbeteiligung zufolge, äußert sich ein Drittel der BetriebsrätInnen positiv dazu. Beinahe die Hälfte der Befragten steht derartigen Instrumenten offen gegenüber. Jede/r sechste BetriebsrätIn lehnt Mitarbeiterkapitalbeteiligungen grundsätzlich ab. Sechs von zehn der befragten BetriebsrätInnen (deren Unternehmen derzeit über kein Modell verfügen) haben ein generelles Interesse an der Einführung einer Mitarbeiterbeteiligung.

Breite Zustimmung, niedriger Umsetzungsgrad

Der zustimmenden Position der BetriebsrätInnen steht in der betrieblichen Praxis jedoch eine eher geringe Umsetzungswahrscheinlichkeit gegenüber: Nur rund ein Viertel aller Befragten gibt an, dass Mitarbeiterkapitalbeteiligung in nächster Zeit eine Rolle spielen könnte. Davon ist aber nur rund die Hälfte mit einem klaren Ja völlig überzeugt, während die andere Hälfte bereits abgeschwächt mit „eher ja“ antwortet. Ein vergleichbar höheres Interesse weisen Unternehmen aus der Industrie und dem Bankenbereich auf. Es handelt sich dabei vorwiegend um große Kapitalgesellschaften mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Mitarbeiterkapitalbeteiligungsmodelle werden somit kurz und mittelfristig nur in wenigen Fällen eine stärkere praktische Relevanz erfahren.

Interesse: Von beruflicher Stellung und Einkommensverhältnissen abhängig

Die Inanspruchnahme von Mitarbeiterkapitalbeteiligungsmodellen ist von der Zugehörigkeit zur Beschäftigtengruppe abhängig: Je qualifizierter die Tätigkeit und je höher die hierarchische Funktion im Unternehmen, umso ausgeprägter ist die Teilnahme. Gibt es im Unternehmen ein entsprechendes Modell, dann nehmen leitende Angestellte zu 90% der Fälle die Möglichkeit wahr, bei Angestellten liegt der Prozentsatz ebenfalls in dieser Höhe. Bei niedrig qualifizierten Beschäftigten sinkt der Anteil der Beteiligten deutlich ab, er liegt bei knapp über 40%. Die Grenzen der individuellen Leistbarkeit eines Aktienerwerbs sind daher unbedingt zu respektieren. Beschäftigte, die sich eine Veranlagung von Vermögen in Beteiligungspapieren nicht leisten können oder wollen, sollen in ihrer Verfügbarkeit nicht eingeschränkt werden. Die Konstruktion eines Modells setzt daher die Mitsprache der Belegschaftsvertretung sowie der Gewerkschaften voraus, insbesondere dann, wenn Vereinbarungen etwa in Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen ausgehandelt werden.

Stimmrechtsbündelung in Österreich: Hauptsächlich über Stiftungen

Lediglich ein Drittel der BetriebsrätInnen, die eine Kapitalbeteiligung installiert haben, meint, dass die Stimmrechte der Beschäftigten tatsächlich wahrgenommen werden. Die Ausübung der Stimmrechte korrespondiert in der Regel mit der Einrichtung von Bündelungsmöglichkeiten. Gebündelt wird in der Regel über Stiftungskonstruktionen. Einige große österreichische Kapitalgesellschaften verfügen über Belegschaftsstiftungen wie z.B. Voestalpine, Flughafen Wien, Salinen oder AMAG.

Hauptmotive: Bessere finanzielle Situation und Standortabsicherung

Monetäre Motive (vgl. Abbildung 1) stehen bei der Einführung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen zwar im Vordergrund, die zweite Motivgruppe zielt aber deutlich auf deren strategischen Wert ab. Vor allem bei Modellen mit gebündelten Stimmrechten wird die Kapitalbeteiligung als Unterstützung für den Erhalt des Standortes bzw. als ein Instrument gegen unerwünschte Übernahmen gesehen. Wenngleich der Nutzen von bestehenden steuerlichen Vorteilen einen starken Anreiz darstellt, dürfte die Erhöhung des Freibetrages im Zuge der Steuerreform 2015/16 von 1.460 Euro auf 3.000 Euro jährlich zu keinem nennenswerten Impuls geführt haben. Nur in jedem zehnten Fall hat die Erhöhung des Freibetrags den Diskurs über dieses Thema im Unternehmen angestoßen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Abbildung 1: Hauptmotive für die Einführung einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung

Mitarbeiterkapitalbeteiligung als Instrument der Mitbestimmung?

Die AK-Untersuchung zeigt, dass die Erfahrungen von BetriebsrätInnen mit Mitarbeiterbeteiligungsmodellen durchwegs positiv sind. Seit der Finanzmarktkrise 2008 hat das Interesse an neuen Modellen aber merkbar nachgelassen. Nun aber steigt das Interesse wieder, vor allem einige österreichische Leitunternehmen erhoffen sich eine Stabilisierung ihrer Aktionärsstruktur bzw. die Stärkung eines österreichischen Kernaktionärs. Im Vordergrund stehen dabei vor allem Modelle, die es ermöglichen, die Stimmrechte etwa über Stiftungen zu bündeln. Der Gesetzgeber wird dazu in den nächsten Wochen einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen. Ziel ist es, die Gestaltung von Stiftungsmodellen vor allem auf der steuerlichen Ebene zu erleichtern.

Gebündelte Stiftungsmodelle (wie beispielsweise die voestalpine-Mitarbeiterbeteiligung) könnten auch eine Unterstützung der betrieblichen Mitbestimmung darstellen. Allerdings hängt die erzielbare Wirkung von den Eigentümerstrukturen sowie der Präsenz von Streubesitz-Aktionären bei der Hauptversammlung ab: Je größer die Anzahl der Eigentümergruppen und je geringer die Anwesenheitskultur bei der Hauptversammlung ausgeprägt ist, desto eher haben Minderheitsaktionäre eine Chance, ihre Interessen durchzusetzen. Mitarbeiterkapitalbeteiligung soll keinesfalls in Konkurrenz zur klassischen Mitbestimmung im Rahmen des Arbeitsverfassungsgesetzes treten, sie kann diese bestenfalls ergänzen.