Mehr Beschäftigung durch höhere öffentliche Ausgaben?

06. Juni 2014

Während der Finanz- und Wirtschaftskrise haben weltweit Staaten Konjunkturpakete aufgelegt um die tiefe Rezession abzumildern, ehe sie zur Sparpolitik übergangen sind. Beides führte zu lebhaften Diskussionen über die Wachstums- und Beschäftigungswirkungen aktiver Budgetpolitik. Diese Diskussion ist zu begrüßen, denn sie hat auch zu einer Vielzahl ernsthafter akademischer Studien geführt, die die Wirkung öffentlicher Ausgaben- und Einnahmenänderungen untersuchten. Überwiegend kommen sie zum Ergebnis, dass die Kürzung öffentlicher Ausgaben (bzw. Konjunkturpakete) einen wesentlichen negativen (bzw. positiven) Einfluss auf Wachstum und Beschäftigung haben – insbesondere wenn sie Investitionen betreffen.

Multiplikatoreffekte entscheidend für Effektivität der Budgetpolitik

Zentrales Maß bei der Untersuchung der Wirkung von Konjunktur- oder Sparpaketen ist der so genannte Multiplikatoreffekt der Fiskalpolitik auf das Wirtschaftswachstum. Der Multiplikator gibt an, um wie viel Euro sich das Bruttoinlandsprodukt ändert, wenn der Staat seine Ausgaben- oder Einnahmepolitik um einen Euro verändert. Er misst also die Effektivität eines fiskalischen Stimulus bzw. die Schädlichkeit einer Konsolidierungsmaßnahme. Ein Multiplikator von 1,5 bedeutet zB, dass bei einer zusätzlich investierten Milliarde für öffentliche Infrastruktur das BIP um 1,5 Mrd Euro steigt.

Die Bandbreite der Ergebnisse in der Literatur ist dabei recht groß. Am unteren Ende finden vereinzelte Studien negative Multiplikatoren, die einen Schrumpfungseffekt durch expansive Maßnahmen bzw. einen Wachstumseffekt durch Sparmaßnahmen bedeuten. Am oberen Ende findet man sehr hohe positive Multiplikatoren, die implizieren, dass Konjunkturpakete sich über ihre Beschäftigungs- und Wachstumswirkung – und dementsprechend steigende Steuereinnahmen – größtenteils selbst finanzieren; das bedeutet auch: Sparversuche scheitern bei hohen Multiplikatoren an der selbstverursachten Wachstumsverlangsamung, während sie gleichzeitig mit hohen sozialen Kosten verbunden sind.

Breiter Studienvergleich statt selektiver Auswahl

Grund genug, die Vielzahl der Ergebnisse systematisch auszuwerten und wenn möglich daraus stilisierte Fakten abzuleiten, anstatt sich selektiv einzelne herauszupicken. Dabei stellt sich natürlich zentral die Frage, welche Maßnahmen auf der Einnahme- und Ausgabeseite des staatlichen Budgets am stärksten wirken.

Eine sogenannte Meta-Regressions-Analyse kann hier Licht ins Dickicht bringen. Dabei werden die Ergebnisse und Eigenschaften einer Vielzahl von Studien zu diesem Thema gesammelt und mit Hilfe statistischer Methoden systematisch ausgewertet. Am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) haben wir im Rahmen einer solchen Analyse 104 Studien ausgewertet, die zum überwiegenden Teil in internationalen Fachzeitschriften erschienen sind und nicht weniger als 1069 Multiplikatorwerte umfassen (Gechert 2013, Horn et al. 2014).

Die in den Studien berichteten Multiplikatoreffekte werden auf verschiedene Einflussgrößen, wie z.B. die Art des fiskalischen Impulses (also zB Investitionskürzung, Steuersenkung, Militärausgabensenkung) und weitere Kontrollgrößen (Eigenschaften der Stichprobe, wie untersuchte Region oder abgedeckter Zeitraum; verwendete Methoden, die Art der Berechnung des Multiplikators, etc.) zurückgeführt. So kann die Wirkung verschiedener fiskalpolitischer Maßnahmen, bereinigt von anderen überlagernden Einflüssen miteinander verglichen werden.

Welche Impulse wirken am stärksten?

Folgende Abbildung fasst unsere Ergebnisse grafisch zusammen, wobei die farbigen Balken den Durchschnittswert der jeweiligen Multiplikatoren angeben (die umrahmten Rechtecke stellen die zentrierte Standardabweichung um diesen Durchschnitt dar, die vertikalen Linien zeigen die Spannweite der beobachteten Werte).

Multiplikatoren für verschiedene fiskalische Impulse

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: eigene Berechnungen. © A&W Blog
Quelle: eigene Berechnungen.

Folgende Schlussfolgerungen lassen sich ziehen:

  1. Erhöht der Staat seine allgemeinen Ausgaben um 1 Euro, dann steigt die Wirtschaftsaktivität im Durchschnitt in etwa um denselben Betrag. Der Multiplikatoreffekt bei Staatsausgaben liegt also nahe Eins. Im Umkehrschluss bremsen Ausgabenkürzungen das Bruttoinlandsprodukt auch in etwa im Verhältnis 1:1.
  2. Von den ausgabeseitigen Maßnahmen haben Investitionen die stärksten Effekte. Ein zusätzlicher Euro öffentlicher Investitionen bewirkt ein Wirtschaftswachstum von 1,30 bis 1,80 Euro. Hier kommt es demnach zu einem deutlichen sogenannten Crowding-In-Effekt, also die Ankurbelung der privaten Wirtschaftsaktivität über die Ausgabenerhöhung hinaus.
  3. Ausgabeseitige Maßnahmen haben signifikant höhere Wachstumseffekte als solche auf der Einnahmeseite. Dort liegen die Multiplikatoren in etwa um 0,3 bis 0,4 Punkte darunter. Steuersenkungen haben also einen weniger starken Effekt auf das Wirtschaftswachstum bzw. schädigen Steuererhöhungen die wirtschaftliche Aktivität weniger als weithin angenommen. Zusammen genommen folgt daraus, dass steuerfinanzierte Ausgabenerhöhungen einen positiven Nettoeffekt haben. Obendrein entfalten einmal beschlossene ausgabeseitige Maßnahmen ihre Wirkung schneller und langanhaltender als jene auf der Einnahmeseite.

Zusammen genommen folgt daraus, dass steuerfinanzierte Ausgabenerhöhungen einen positiven Nettoeffekt haben, sprich die Wirtschaftsaktivität steigern können (auch Haavelmo-Effekt genannt, benannt nach dem norwegischen Nobelpreisträger). Obendrein entfalten einmal beschlossene ausgabenseitige Maßnahmen ihre Wirkung schneller und langanhaltender als jene auf der Einnahmeseite, wie die folgende Grafik zeigt.

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Quelle: eigene Berechnungen. © A&W Blog
Quelle: eigene Berechnungen.

Fazit: Höhere Staatsausgaben können Beschäftigung und Wachstum wesentlich erhöhen

Es bleibt festzuhalten, dass Staatsausgaben einen wesentlichen Einfluss auf Beschäftigung und Wachstum haben. Konsolidierungsmaßnahmen, die im Euroraum wesentlich zu Lasten der öffentlichen Investitionen gehen, wirken kontraktiv und sind daher kein Mittel, um eine Wirtschaft in der Rezession zu stabilisieren – ganz im Gegenteil.

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Sparen sollte der Staat dann, wenn es der Privatsektor am besten verträgt, nämlich im Aufschwung. Die europäische Wirtschaftspolitik sollte angesichts der immer noch anhaltenden Rezession und der gewaltigen Arbeitslosigkeit in den Krisenländern ihre Strategie überdenken. Der einseitige Sparkurs verursacht hohe Kosten und bringt wenig.