Mainzer Zustände bald auch in Österreich?

19. August 2013

Das Stellwerk Mainz hat es zu internationaler Bekanntheit gebracht. Eine verhängnisvolle Mischung aus Personaleinsparungen, Urlaubszeit und Krankenständen führte dazu, dass dieses Stellwerk nicht voll einsatzbereit ist und zahlreiche Züge die Hauptstadt von Rheinland–Pfalz nicht anfahren können. Allerdings können diese Probleme nicht als lokales Phänomen abgetan werden, sondern sind die direkte Folge von Budgetzwängen und Liberalisierungen im Bahnbereich, die auch in Österreich zu spüren sind.

Personalmangel auch in Österreich

Auch bei den österreichischen Unternehmen herrscht ein auffälliger Mangel an eisenbahn­spezifischem Personal. Das tritt vor allem auf qualifizierte Berufe wie LokführerInnen, FahrdienstleiterInnen, ZugbegleiterInnen und VerschieberInnen zu. Was den Bahnen in Österreich derzeit noch hilft, ist das System der Verbundproduktion von Personen- und Güterverkehr unter einem Firmendach. Damit kann das im Personenverkehr benötigte Personal durch den derzeit – konjunkturell bedingt – schwächelnden Güterverkehr gerade noch aufgebracht werden. Sobald sich der Güterverkehr aber wieder erholt, könnten ähnliche Zustände wie in Deutschland auftreten. So fehlen nach Schätzung der Gewerkschaft vida österreichweit 400 LokführerInnen und rund 250 FahrdienstleiterInnen. Dieser Personalmangel kann derzeit noch durch das Leisten von Überstunden kompensiert werden, die gerade in den Sommermonaten stark ansteigen.

Welche tickende „Zeitbombe“ auf die Unternehmen zukommt, zeigt die Altersstruktur der ÖBB-Beschäftigten: Die meisten Beschäftigten sind zwischen 47 und 52 Jahre alt. Während es in diesem Altersbereich pro Jahrgang rund 2000 ÖBBler gibt, dümpelt die Zahl der Unter-Vierzigjährigen bei rund 500 Personen je Jahrgang.

Eisenbahnberufe für Junge oft unattraktiv

Es ist also höchst an der Zeit, neues Personal einzustellen. Damit dies gelingt, muss die Arbeit aber auch attraktiver werden. Denn die Ausübung eisenbahnspezifischer Berufe ist in den vergangenen Jahren sowohl psychisch als auch in physisch deutlich härter geworden. Die Anforderungen und die Belastungen sind aufgrund von Personaleinsparungen merklich angestiegen. Bei einem Mehr an Verantwortung für die Beschäftigten hätten sich zudem die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Arbeitszeiten von weit mehr als 12 Stunden im Schichtdienst werden immer mehr als Selbstverständlichkeit betrachtet. Junge InteressentInnen und BerufseinsteigerInnen halten das zu Recht für familienfeindlich und unattraktiv. Verschärfend kommt hinzu, dass auf liberalisierten Eisenbahnmärkten der Wettbewerb hauptsächlich über Personalkosten ausgetragen wird. Das führt bei vielen Eisenbahnerberufen auch zu einer schleichenden Dequalifizierung. So wurde die Ausbildungszeit für LokführerInnen bei den ÖBB von ursprünglich 27 Monaten auf ein Drittel reduziert. Logisch, dass dies alles die Attraktivität von Eisenbahnberufen weiter schmälert.

Gegenmaßnahmen müssen jetzt gesetzt werden

Hier müsste sowohl von den Eisenbahnen, als auch der Politik mit folgenden Maßnahmen gegengesteuert werden:

  • Rasche Aufnahme und Ausbildung von Fachpersonal
  • Attraktivierung der Berufsbilder
  • Mehr öffentliche Gelder für den öffentlichen Verkehr, um die destruktiven Spärzwänge zu mildern
  • Verbindliche Sozialkriterien als Zuschlagskriterien bei allfälligen Ausschreibungen im Personenschienenverkehr, um Sozialdumping zu verhindern. Nicht der Billigste, sondern der Beste soll zum Zug kommen!
  • Kommt es nach Ausschreibungen zu einem Betreiberwechsel, so sollte der neue Betreiber den bisherigen Beschäftigten ein verbindliches Angebot machen müssen, sie zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigten. Für die EisenbahnerInnen sollte der Wechsel aber freiwillig sein. Bislang fehlen dafür aber die gesetzlichen Bestimmungen.