Langfristige Finanzierung der EU-Wirtschaft: Warum eine Rückkehr zum langweiligen Bankgeschäft die bessere Wahl wäre

21. Januar 2015

In Brüssel weht ein neuer Wind: Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen stehen oben auf der Agenda. Die Kapitalmarktunion und andere Initiativen zur langfristigen Finanzierung sollen die Wirtschaft beleben, vor allem der Finanzsektor soll sich stärker an der Finanzierung des Wachstums in der Realwirtschaft beteiligen. Neben einigen guten Vorschlägen sind andere eher besorgniserregend, wie z.B. die Wiederbelebung bestimmter Verbriefungstechniken. Haben wir etwas aus der Finanzkrise gelernt?

Wie finanzieren wir unsere Zukunft?

Wenn es um nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen geht, stellt sich PolitikerInnen schnell die Frage: Wo soll das Geld herkommen? An Ideen mangelt es nicht, wie man Aktivitäten und Projekte fördern könnte. Die Initiative zur langfristigen Finanzierung der europäischen Wirtschaft ist Teil einer Reihe von Vorschlägen der Europäischen Kommission. Während andere Projekte wie die Strategie Europa 2020 festlegen werden, welche Maßnahmen und Investitionen notwendig sind, sollen unter anderem mithilfe der Initiative zur langfristigen Finanzierung ergänzend dazu Finanzierungsmöglichkeiten für die entsprechenden Projekte gefunden werden.

Eine der zentralen Ideen ist dabei der Ausbau der Finanzierungsmöglichkeiten über die Finanzmärkte, also ohne die Banken. Dies kann sinnvoll sein, etwa wenn es um die Bereitstellung von Startkapital oder eine Vertiefung der Projekt- und Unternehmensanleihemärkte geht. Problematisch wird es allerdings, wenn über diesen Weg bestimmte Formen der Kreditverbriefung wiederbelebt werden, die ein wesentlicher Auslöser für die Finanzkrise 2007 folgend waren.

Verpassen wir gerade eine Gelegenheit?

Warum einige dieser Finanzierungswege aus Sicht von Finance Watch ziemlich bedenklich sind, das lässt sich auf hohem technischen Niveau und im Detail erklären (wie in unserem Bericht „A missed opportunity to revive “boring” finance?” vom Dezember 2014), aber auch einfach humoristisch als Comic:


Eine Rückkehr zum langweiligen Bankgeschäft – eine verpasste Gelegenheit?

Wir können und sollten aus der Bankenkrise einiges lernen. Es gibt aber auch falsche Rückschlüsse: Die Krise zeigte keinesfalls, dass alle Banken zu riskant waren und wir daher die Kapitalmärkte ausbauen müssen. Ganz im Gegenteil: Nur bestimmte Handelsaktivitäten der Banken waren zu riskant. Gerade deshalb brauchen wir mehr Banken, die sich auf das traditionelle Bankengeschäft zurückbesinnen, die gut mit Eigenkapital ausgestattet sind und eine solide Finanzierungsstruktur aufweisen. Bank ist nicht gleich Bank, es gibt ganz verschiedene Geschäftsmodelle. Daher gilt es nur solche zu fördern, die sich sowohl als krisenbeständig erwiesen haben, als auch für die Finanzierung der Realwirtschaft am besten geeignet sind.

Auch der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz ist in seinem Buch “Der Preis der Ungleichheit” der Ansicht, dass man Regulierung mit dem Ziel hätte konzipieren sollen, Banken dazu zu bewegen, zu ihrem langweiligen Kreditgeschäft zurückzukehren. Doch der Vorschlag zur langfristigen Finanzierung der europäischen Wirtschaft sieht anders aus: Er fördert das Geschäftsmodell der Investment- und Universalbanken durch die Wiederbelebung von Verbriefung und Wertpapierfinanzierungsgeschäften. Damit wird also genau jenes Geschäftsmodell gefördert, dass während der Finanzkrise durch Steuergelder gerettet werden musste und dessen Schwächen nach wie vor nicht gänzlich behoben wurden.

Klassische Geschäftsbanken bergen ein geringeres systemisches Risiko und haben weniger negative Auswirkungen auf andere Bereiche. Grund hierfür sind unter anderem kurze Vermittlungsketten, keine Abhängigkeit von Ratingagenturen und eine größere Widerstandsfähigkeit, wie sich während der Finanzkrise gezeigt hat. Außerdem haben sie solidere Finanzierungsmodelle, sind explizit durch Staatsgarantien geschützt und konzentrieren sich auf die Kreditvergabe an die Realwirtschaft. Aus diesen Gründen glauben wir, dass gut kapitalisierte traditionelle Banken mit soliden Finanzierungsmodellen an Stelle des Investmentbanking gefördert werden sollten.

Das Revival der Verbriefung – da war doch was …

Ein weiterer zentraler Vorschlag ist die Wiederbelebung der Verbriefung. Zur Erinnerung: Diese Techniken, bei denen illiquide Kredite so zusammengestellt und verpackt werden, dass man sie an Investoren weiterverkaufen kann, haben bei der letzten Finanzkrise eine entscheidende Rolle gespielt. Wer seine Erinnerung auffrischen will, dem sei dieser gute Dokumentarfilm zu den Hintergründen der Finanzkrise ans Herz gelegt: „Inside Job“ (hier im Internet anschauen).

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Inside Job full movie hd by AAAliAhmad

Sicherlich würde eine Wiederbelebung der Verbriefung es einigen KreditnehmerInnen erlauben, auf eine größere Bandbreite an InvestorInnen zurückzugreifen und würde Banken profitabler und wettbewerbsfähiger machen. Jedoch gehen damit – je nach Art der Verbriefung – auch einige Risiken einher, unter anderem in Form von stärkerer Vernetzung, erhöhtem Risiko simultaner Bankenpleiten und größere Abhängigkeit von externen Ratings. Außer in ihrer simpelsten Form tragen Verbriefungen sicher nicht dazu bei, dass Banken weniger risikobehaftet sind oder das Finanzsystem sicherer ist.

Was tun? Man könnte die Vorschriften so gestalten, dass es für bestimmte Verbriefungstechniken weniger Anreize gibt. Dazu gehören zum Beispiel die Tranchierung und die übermäßige Fristentransformation (wer das genauer wissen will, lese die Seiten 30 und 31 unseres Berichts „A missed opportunity to revive “boring” finance?”). Denn wenn wir das systemische Risiko in den Griff bekommen wollen, müssen wir erst einmal sicherstellen, dass die Verbriefungstechniken, die nun gefördert werden sollen, nicht neue Risiken bergen.

Jetzt werden die Weichen gestellt

Für die Gesellschaft steht viel auf dem Spiel, je nachdem, welche Weichen mit Initiativen wie der zur langfristigen Finanzierung der europäischen Wirtschaft gestellt werden. Wir wollen GesetzgeberInnen dazu ermutigen, verstärkt auf das traditionelle Bankengeschäft zu setzen, das auf KundInnenbeziehungen baut und in solch schwierigen Zeiten besser geeignet wäre, Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen.