Langfristige Entwicklungstrends des Pensionssystems: Crashszenarien schauen anders aus!

30. Oktober 2013

Das Prozedere rund um die Erstellung des Langfristgutachtens der Pensionskommission folgt einem weitgehend festen Muster: Bereits Tage vor der eigentlichen Kommissionsitzung und der Beschlussfassung sowie Veröffentlichung des Langfristgutachtens wird unter Berufung auf die aktuellen Projektionsergebnisse medial die drohende Unfinanzierbarkeit des öffentlichen Pensionssystems verkündet. Dass die Kommissionsprojektionen lediglich einen Ausschnitt der Gesamtentwicklung abbilden und deren isolierte Betrachtung nahezu zwangsläufig zu falschen Schlussfolgerungen führt, wird dabei ebenso ausgeblendet, wie grundlegende verteilungspolitische Aspekte.

Gesamtanalyse statt verzerrter Ausschnittsbetrachtungen erforderlich

Der Bericht der Pensionskommission beschränkt sich gemäß Gesetzesauftrag – dessen Ausweitung AK-Experten seit längerem fordern – ausschließlich auf Projektionen der langfristigen Entwicklung der gesetzlichen Pensionsversicherung. Die Beamtenpensionen sind nicht Gegenstand der Vorausberechnungen. Es ist äußerst bemerkenswert, dass auf nationaler Ebene keine Langfristprojektionen für das Pensionssystem insgesamt durchgeführt werden. Lediglich im Rahmen der Meldeverpflichtungen gegenüber der Europäischen Kommission erfolgt im Zuge der Erstellung des Ageing Reports unter Federführung des BMF eine Gesamtanalyse der voraussichtlichen Entwicklung der öffentlichen Pensionsausgaben.

Ein nicht unwesentlicher Baustein zur langfristigen Sicherstellung der Angemessenheit und (finanziellen) Nachhaltigkeit des österreichischen Pensionssystems ist bekanntlich die Harmonisierung der Pensionssysteme. Durch das schrittweise Wirksamwerden des Pensionskontensystems auch für (Bundes)Beamte kommt es langfristig betrachtet zu erheblichen Ausgabendämpfungseffekten, diese bleiben natürlich bei isolierter Betrachtung der gesetzlichen Pensionsversicherung gänzlich ausgeblendet.

Eine isolierte Betrachtung der Pensionsversicherung führt aber auch dazu, dass bloße Ausgabenverschiebungen als Ausgabenerhöhungen falsch dargestellt werden. Durch Verschiebungen in der Erwerbsstruktur (deutlicher Rückgang der Beamtenzahl aufgrund Ausgliederungen und veränderter Pragmatisierungspraxis) kommt es zeitlich verzögert auch zu einer entsprechenden Verschiebung des Pensionsaufwandes und der Bundesmittel für Pensionen weg von den Beamtensystemen hin zum ASVG-Bereich. Allein hierdurch kommt es zu einer deutlichen Steigerung des relativen Pensionsaufwandes in der Pensionsversicherung. Dass diesen Aufwandssteigerungen entsprechende Aufwandsminderungen bei den Beamtenpensionen gegenüberstehen, wird bei isolierter Betrachtung des Teilsystems Pensionsversicherung wiederum ausgeblendet.

Eine seriöse Analyse – nicht zuletzt auch aus budgetärer Sicht –  kann daher nur auf Basis einer Gesamtbetrachtung erfolgen!

Trotz pessimistischer Langfristannahmen nur moderater Anstieg der relativen Pensionsausgaben

Nachfolgende Darstellungen basieren auf den letztaktuellen Projektionen (Langfristgutachten der Pensionskommission 2013, Beamtenpensionen: Berechnungen des BMF im Rahmen des Ageing Reports 2012). Hierzu ist anzumerken, dass die aktuellen Langfristprojektionen – vor dem Hintergrund des durch die Finanzmarktkrise verursachten massiven Wirtschaftseinbruches – weiterhin von pessimistischen Annahmen ausgehen.

So wird auch langfristig eine sehr hohe Arbeitslosigkeit (6,5% 2060!) angenommen. Durchgehend vorsichtige Produktivitätsannahmen und ein ziemlich verhaltener Anstieg der Beschäftigungsquoten dämpfen die Beitragsgrundlagen- und BIP-Entwicklung und erhöhen den relativen Pensionsaufwand und die relativen Bundesmittel (gemessen am BIP). Auch der angenommene  Anstieg des faktischen Pensionszugangsalters fällt mit 1,7 Jahren bis 2024 voraussichtlich deutlich zu gering aus. Von 2024 bis 2033, also im Zeitraum, in dem die Angleichung des Regelpensionsalters der Frauen an jenes der Männer erfolgt (Anhebung um 5 Jahre) wird ein weiterer Anstieg des effektiven Antrittsalters um nur ein ½ Jahr von 60 auf 60,5 Jahre veranschlagt, der in weiterer Folge angenommene Anstieg ist mit 0,2 Jahren nahezu vernachlässigbar.

Die Langfristprojektionen sollten auch nicht als Abbildung der voraussichtlichen Entwicklung bis 2060 interpretiert werden, sie zeigen vielmehr die Auswirkungen einer Realisierung der getroffenen Annahmen auf. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass bei sachlicher Betrachtung auch unter diesen Annahmen nur von einem durchaus moderaten Anstieg der relativen Pensionsausgaben und Bundesmittel (gemessen am BIP) auszugehen ist und absolut kein Grund für Panikmache besteht!

Der Anstieg der Pensionsausgaben in % des BIP würde demnach bis 2030 bei einem um 34% höheren Anteil der ab 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung um 1,5%-Punkte steigen. Der relative Mehraufwand in der Pensionsversicherung würde zwar bis 2040 auf 2,7%-Punkte bzw. bis 2050 auf 3,1%-Punkte ansteigen, dem steht aber eine Verminderung beim Beamtenpensionsaufwand um 1,0%-Punkt (2040) bzw. 1,8%-Punkte (2050) gegenüber. Trotz Anstiegs des Älterenanteils  um 51% (2040) bzw. 56% (2050), würde demnach der Aufwand für Pensionen insgesamt nur um 1,7%-Punkte (2040) bzw. 1,3%-Punkte (2050) steigen. 2060 würde der Pensionsaufwand ganze 0,5%-Punkte über dem Ausgangniveau des Jahre 2012 liegen, bei einem Zuwachs des Älterenanteils um 60%.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Pensionskommission Langfristgutachten 2013, Beamtenpensionsaufwand: The Ageing Report 2012

Eine Frage der Generationengerechtigkeit

Die mögliche Entwicklung künftiger Pensionsausgaben kann nicht losgelöst von der sich massiv verändernden Altersstruktur der Gesellschaft gesehen werden. Für eine angemessene Absicherung der deutlich steigenden Anzahl Älterer wird zukünftig natürlich auch ein größerer Anteil am erwirtschafteten Einkommen reserviert werden müssen. Die Darstellung, dass jeder Anstieg des relativen Pensionsaufwands als Ausdruck  mangelnder finanzieller Nachhaltigkeit zu werten wäre, ist geradezu widersinnig. Es muss vielmehr darum gehen, den erforderlichen und sachlich gerechtfertigten Anstieg in akzeptablen Grenzen zu halten. Die Festlegung solcher akzeptabler Grenzen ist nicht Sache einiger „Pensionsexperten“, sondern muss auf einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens beruhen!